Zahlreiche Mondmissionen geplant Die Renaissance der bemannten Raumfahrt
Heute vor 63 Jahren flog der erste Mensch ins All - wenige Jahre später folgte die erste bemannte Mondmission. Jetzt planen mehrere Länder die Rückkehr zum Erdtrabanten, erst mit Sonden und Rovern, dann mit Menschen.
Die USA, China, Russland, Indien - mehrere Länder wollen zurück zu unserem Erdtrabanten. Der Wettlauf zum Mond ist in vollem Gang. Es geht um Prestige, um Wissenschaft und um wirtschaftliche Interessen. 55 Jahre nachdem die NASA zum ersten Mal mit Astronauten zum Mond geflogen ist, steht die Rückkehr bevor. 2025 wollen die USA mit der "Artemis II"-Mission den Mond mit vier Astronauten umrunden. Für 2026 ist die bemannte Mondlandung geplant.
"Die astronautische Raumfahrt erlebt gerade eine Renaissance", sagt ESA-Generaldirektor Josef Aschbacher. Der Mensch werde bei der Erkundung des Monds unersetzlich sein, zusammen mit Robotik und künstlicher Intelligenz: "Es braucht eine gute Kombination aus beidem. Ein Mensch, der beispielsweise auf dem Mond das Gelände erkundet, kann mehr sehen als ein Roboter mit allen erdenklichen Sensoren und Kameras. Er denkt sehr viel weiter, viel holistischer, also ganzheitlicher, als alle Software und Roboter, die wir programmieren können. Abgesehen davon kann eine Astronautin oder ein Astronaut viel größere Strecken zurücklegen, um Gebiete zu erforschen, als ein Rover."
Robotern fehlt die wissenschaftliche Intuition
ESA-Astronaut Alexander Gerst verweist auf die amerikanischen "Viking"-Sonden, die in den 1970er-Jahren zum Mars geflogen sind, um unter anderem die Frage zu klären, ob es Wasser auf dem Roten Planeten gibt.
Er erklärt: "Man hat tatsächlich Spuren von Wasser gefunden, aber inzwischen wissen wir, dass tatsächlich Wassereis oftmals direkt unter der Erdoberfläche ist. Hätte der Bagger damals nur ein paar Zentimeter tiefer gegraben, hätte er wahrscheinlich blankes Eis gefunden." Roboter hätten eben nicht die wissenschaftliche Intuition, die ausgebildete Astronautinnen und Astronauten haben.
NASA plant neue Mondfahrzeuge
Gerade erst hat die NASA bekannt gegeben, dass man drei Raumfahrtunternehmen den Auftrag erteilt habe, ein Mondfahrzeug zu bauen. Noch ist unklar, wer den Zuschlag bekommt, aber klar ist: Die sogenannten LTV (lunar terrain vehicle) sollen mit und ohne Astronauten über die Mondoberfläche fahren und weite Strecken zurücklegen können. In der NASA-Pressemitteilung heißt es:
Das LTV wird den extremen Bedingungen am Südpol des Mondes gewachsen sein und über fortschrittliche Technologien für Energiemanagement, autonomes Fahren und modernste Kommunikations- und Navigationssysteme verfügen. Die Besatzungen werden das LTV zur Erkundung, zum Transport von wissenschaftlicher Ausrüstung und zum Sammeln von Proben von der Mondoberfläche nutzen, und zwar viel weiter, als sie es zu Fuß tun könnten, was einen höheren wissenschaftlichen Ertrag ermöglicht.
Der erste Mensch im Weltraum
Heute vor 63 Jahren umrundete der sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin als erster Mensch die Erde. Sein Flug mit der Raumkapsel "Wostok 1" dauerte eine Stunde und 48 Minuten. Seitdem sind Generationen von Astronauten ins All geflogen. Spätestens mit dem Aufbau der Internationalen Raumstation (ISS) 1998 setzte eine gewisse Routine ein. Langzeitaufenthalte von sechs Monaten sind gängige Praxis. Die geplanten Mondflüge stellen die Astronauten jetzt allerdings vor ganz andere Herausforderungen.
Astronaut Gerst sagt, mit den geplanten Mondflügen werde ein völlig neues Kapitel in der Astronautik aufgeschlagen: "Die geplanten Mondmissionen sind komplex, mit vielen logistischen Schritten. Man muss dort landen und ist auf dem Mond durch dessen Gravitation gefangen. Die Umgebung ist lebensfeindlich, mit Temperaturen weit unter minus 100 Grad auf der Nachtseite und weit über 100 Grad auf der Tagseite, dazu Weltraumstrahlung und Vakuum."
Im Unterschied zu den "Apollo"-Missionen fliege man mit den "Artemis"-Missionen jetzt zum Mond, um nachhaltig Wissenschaft zu betreiben, in internationaler Kooperation. Die ersten Mondflüge zwischen 1969 und 1972 waren nationale Alleingänge der NASA und erfolgten in der Zeit des Kalten Kriegs. USA gegen Sowjetunion - damals ging es um Prestige und den Kampf um Einflusssphären, mit Astronauten als Helden der jeweiligen Nation.
Gründe für die Rückkehr zum Mond
Warum möchten so viele Nationen eigentlich zurück zum Mond? Nach den "Apollo"-Missionen hat die NASA das Programm eingestellt. Heute ist klar: Der Mond ist mehr als eine Ansammlung von totem Gestein.
ESA-Generaldirektor Aschbacher erklärt: "Mit der Mondexploration entwickeln sich in der Zukunft ganz neue Wirtschaftszweige. Es werden Bodenschätze abgebaut werden. Auf dem Mond gibt es Eis, das kann man umwandeln in Raketentreibstoff oder Sauerstoff für Astronauten. Es geht darum, ein Camp aufzubauen, in dem man Forschung betreibt. Forschung und ökonomische Aspekte werden Hand in Hand gehen. Wir wissen heute noch nicht, was der Mond zu bieten hat."
Für ihn steht außer Frage, dass sich auch Europa bei der Exploration des Monds beteiligen muss, um technologisch nicht abgehängt zu werden und wettbewerbsfähig zu sein: "Es steht auf dem Spiel, wie sich Europa positioniert in den nächsten zehn, zwanzig Jahren, als Kontinent, der Technologie entwickelt. Wir haben exzellente Technologien im Automobilsektor, im Maschinenbau, in vielen anderen Bereichen, und die Raumfahrt wird eine Zukunftsdomäne sein."
Raumfahrt ist teuer
Die immensen Kosten der Raumfahrt rechtfertigt Aschbacher und erklärt, dass die ESA längst nicht nur Geld in die Ausbildung und Flüge von Astronauten investiert:
"Man darf nicht vergessen, dass die ESA etwa die Hälfte ihres Geldes für Erdbeobachtung, Navigation und Telekommunikation ausgibt. Unser Fokus liegt auf dem Planeten Erde. Die NASA hat den Fokus mehr auf Exploration, also auf astronautische Raumfahrt ausgerichtet, zum Mond und zum Mars. Hier sieht man die etwas unterschiedlichen Prioritäten der Raumfahrtagenturen." Er rechnet vor, dass das ESA-Budget 2024 etwa 7,8 Milliarden Euro betrage - Geld, mit dem sehr viel Technologie, aber auch Information über die Erde, das Universum und die Existenz der Menschheit geliefert werden.
Die astronautische Raumfahrt gilt als DAS Symbol für Exploration im Weltraum. ESA-Astronaut Gerst ist sich der Verantwortung bewusst, dass seine Arbeit mit öffentlichen Geldern finanziert wird. Er vergleicht die Mondmissionen mit der Erforschung der Antarktis: "Da ging es am Anfang darum, eine Flagge am Südpol aufzustellen, mit großer politischer Unterstützung. Dann wurde jahrzehntelang wenig geforscht, bis es Mitte des 20. Jahrhunderts einen großen Schub gab, weil man realisiert hat, dass es wissenschaftliche Gründe gibt, um die Antarktis zu erforschen. Vor dieser zweiten Welle stehen wir jetzt beim Mond."
Vorbereitung für den Mond
Noch weiß Gerst nicht, wann und ob er zu den Astronauten gehören wird, die zum Mond fliegen. Er erzählt, dass er Leiter des europäischen Astronautenkorps für die neue Generation von ESA-Astronauten ist, sich aber selbst auf eine mögliche Mondmission vorbereitet:
"Ich habe regelmäßig Trainingseinheiten auf dem Plan, die mich und meine Kollegen und Kolleginnen auf solche Missionen vorbereiten. Zum Beispiel das Arbeiten im Raumanzug oder Flugtraining. Außerdem üben wir, in schwierigen Umgebungen Wissenschaft zu betreiben, also etwa in der Antarktis, in unterirdischen Höhlen oder in Vulkangegenden."