UN-Bericht Viele wandernde Tierarten vom Aussterben bedroht
Sie legen oft mehrere Tausend Kilometer zurück - und werden immer häufiger mit menschengemachten Gefahren konfrontiert. Wandernde Tierarten sind laut UN weltweit massiv vom Aussterben bedroht.
Etwa 10.000 der uns bekannten Arten sind wandernde Tierarten. Sie legen erstaunliche Distanzen zurück, um Umgebungen und Ressourcen zu nutzen, die ihnen zeitlich nur limitiert zur Verfügung stehen. Mehr als tausend wandernde Tiere sind in der "Convention on the Conservation of Migratory Species of Wild Animals" (CMS) - auch bekannt als "Bonner Konvention - erfasst und sollen geschützt werden. Ein neuer UN-Bericht macht deutlich: Jede fünfte dieser Arten ist vom Aussterben bedroht.
"Dazu gehören auch einige der bedeutendsten Tierarten auf unserem Planeten", ordnet Amy Fraenkel, CMS Executive Secretary, ein. Viele Menschen wüssten sicherlich gar nicht, welche Tiere in der CMS gelistet sind - etwa Löwen, Gorillas, Schimpansen, alle Meeresschildkröten und viele der großen Wale und Delfine. "Wenn wir also über diese Tiere sprechen, dann sind sie unglaublich wichtig für die Welt. Die Vorstellung, dass wir diese Arten verlieren können, ist wirklich ein Weckruf."
Eine in Deutschland heimische Turteltaube sitzt auf einem Ast. Auch sie zählt zu den bedrohten wandernden Tierarten.
Die Bedrohung wächst
Besonders besorgniserregend: der extreme Rückgang der überwachten Fischpopulationen in den vergangenen 50 Jahren. So seien inzwischen nahezu alle gelisteten Fische (97 Prozent) vom Aussterben bedroht. Fraenkel kennt die Probleme: "Wandernde Arten sind auf eine Vielzahl von sehr spezifischen Lebensräumen angewiesen. Sie reisen regelmäßig, manchmal Tausende Kilometer, nur um diese Orte zu erreichen."
Herausforderungen und Bedrohungen auf ihrer Reise und an ihren Zielorten wachsen. Die steigende Klimaerwärmung - Lärm, Licht und Schadstoffe in der Umwelt: Die Probleme sind menschengemacht.
Zwei zentrale Bedrohungen für die Tiere konnten die Forschenden ausmachen, sagt Kelly Malsch, Mitautorin der Studie. "Zum einen ist das der Verlust von Lebensraum. Drei von vier der gelisteten Arten sind inzwischen davon betroffen." Landnutzungsänderungen wie die Umwandlung von Regenwald in Acker- und Weidefläche oder die industrielle Ausdehnung seien hierfür verantwortlich, erklärt die Wissenschaftlerin. Für Fische wichtige Flüsse werden mit Dämmen verschlossen - und mehr als die Hälfte der Nahrungs-, Brut- und Rastplätze für Vögel sind laut dem Bericht aktiv durch menschliches Handeln bedroht.
Der zweite Grund, so Malsch, sei die direkte Entnahme von schützenswerten Arten - etwa durch gezielte Jagd und Fischerei. Aber auch indirekt durch den Beifang von Fischern. Das betreffe nicht nur bereits gelistete Tiere. Rund 400 weitere wandernde Arten sind zwar noch nicht offiziell gelistet, werden von den Autorinnen und Autoren des Berichts aber dennoch als gefährdet eingestuft. "Wenn Tierarten nationale Grenzen überschreiten, hängt ihr Überleben von den Bemühungen aller Länder ab, in denen sie vorkommen", mahnt Fraenkel.
Ein Buckelwal (Megaptera novaeangliae) durchbricht die Meeresoberfläche vor der Küste von Port St. Johns (Südafrika). Laut UN zählen auch sie zu den wandernden Tieren, die vom Aussterben bedroht sind.
Konkrete Forderungen
Um der Entwicklung entgegenzuwirken, haben Autoren des UN-Berichts Handlungsempfehlungen entwickelt. So sollten in Zukunft die illegale und nicht nachhaltige Entnahme von wandernden Lebewesen, sowie das unbeabsichtigte Fangen vermehrt bekämpft werden. Sinnvolle Schutzgebiete müssten schneller identifiziert und besser betreut werden. Es brauche deutlichere Anstrengungen gegen die Klimaerwärmung, sowie gegen Licht-, Lärm-, Chemie- und Plastikverschmutzung. Und auch eine Ausweitung der CMS-gelisteten Arten sei denkbar, um eine bessere Sensibilisierung zum Schutz der wandernden Lebewesen zu gewährleisten.
Eine liegende Saiga-Antilope: Die Tiere leben vor allem in der zentralasiatischen Steppe. Lange schrumpft ihr Bestand, mittlerweile hat er sich erholt.
Eine Erfolgsgeschichte
Die Handlungsempfehlungen bieten eine Diskussionsgrundlage für die diesjährige Vertragsstaatenkonferenz CMS COP14 in Usbekistan. Unter dem Motto "Die Natur kennt keine Grenzen" sollen ab heute eine Woche lang politische Grenzen diskutiert und die internationale Zusammenarbeit für den Artenschutz gestärkt werden.
Dass ein solch weltweit verbesserter Schutz auch tatsächlich wirksam sein kann, konnte Wissenschaftlerin Malsch bereits miterleben: "Ein gutes Beispiel ist die Saiga-Antilope. In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich ihr Bestand beachtlich erholt. Die Population war auf 50.000 gesunken. Heute ist sie dank dem engagierten Einsatz vieler Menschen wieder auf fast zwei Millionen angestiegen." Die COP14 soll eine solche Erfolgsgeschichte für mehr der wandernden Arten ermöglichen.