COPSY-Studie So steht es um die Psyche junger Menschen
Corona, Ukraine, Nahost - und dann auch noch der Klimawandel: Eine Krise folgt auf die nächste. Das belastet Kinder und Jugendliche, wie die neue COPSY-Studie zeigt. Forschende fordern mehr Unterstützung für diese Kinder.
Kindern und Jugendlichen in Deutschland geht es psychisch besser als noch während der Corona-Pandemie - aber weiterhin schlechter als davor. Das geht aus der aktuellen COPSY-Studie hervor. Demnach habe sich die psychische Belastung auf einem hohen Wert stabilisiert.
Während sich die psychische Gesundheit junger Menschen 2022 und 2023 verbesserte, setze sich der Trend bis Herbst 2024 nicht weiter fort, hieß es. Jeder fünfte Befragte (21 Prozent) gab laut Studie eine weiterhin geminderte gesundheitliche Lebensqualität an. Ähnlich viele berichteten von psychischen Auffälligkeiten (22 Prozent) und Angstsymptomen (23 Prozent). Die Werte lägen weiterhin rund fünf Prozent über den Werten vor der Pandemie, so die Studie.
"Wenn wir das mal hochrechnen, dann sind das substanziell viele", sagte Studienleiterin Ulrike Ravens-Sieberer, sie ist Forschungsdirektorin der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). In einer Klasse mit 25 Kindern könne man von etwa fünf Schülern ausgehen, die zumindest einen Abklärungsbedarf hätten, wie es ihnen denn seelisch gehe, sagte sie in einem Pressegespräch des Science Media Centers.
Eine Verbesserung zeigte sich demnach bei den depressiven Symptomen im Vergleich zu Vor-Corona-Jahren, "wenngleich im Herbst 2024 (T7) wieder ein ansteigender (nicht signifikanter) Trend zu beobachten ist", schrieben die Autoren. Hoch bleibe auch die Zahl derer, die angaben sich einsam zu fühlen (21 Prozent). Dieser Wert sei zwar niedriger als zum Beginn der Pandemie (bis zu 39 Prozent), aber höher im Vergleich zur Zeit davor (14 Prozent).
Sorgen vor Krisen und Kriegen stark gestiegen
Außerdem machen sich Kinder und Jugendliche deutlich mehr Sorgen über Kriege, Terrorismus, Wirtschafts- und Klimakrise: Während im Herbst 2023 etwa die Hälfte berichtete, besorgt zu sein, waren es in diesem Jahr mehr als zwei Drittel, die sich wegen Kriege (72 Prozent) und Terrorismus (70 Prozent) sorgten sowie mehr als die Hälfte wegen wirtschaftlicher Krisen (62 Prozent) und der Klimakrise (57 Prozent). Sorgen wegen der Corona-Pandemie nahmen hingegen stark ab.
"Sie haben zum Beispiel Angst, dass ihr Leben durch die aktuellen Krisen schlechter wird, dass ihre Familien sich viel weniger leisten können oder dass sie in Zukunft ihre Ziele wie zum Beispiel den Schulabschluss oder den Wunschberuf nicht erreichen können", sagte Anne Kaman vom UKE und Autorin der Studie. "Sie haben eine Krise erlebt und in der Wahrnehmung schließen direkt die nächsten an - ohne dass da Erholungszeit ist", ergänzte Ravens-Sieberer.
Einfluss der sozialen Medien
Eine entscheidende Rolle spielen dabei auch soziale Medien, so die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Etwa ein Drittel gab an, dass ihnen online Inhalte begegneten, die sie belasten. Dazu zählten etwa Nachrichten über Krisen, mit denen sie ungefiltert konfrontiert würden. Fast ein Viertel sagte, dass ihnen die Nutzung sozialer Medien nicht gut tue. Jeder Fünfte berichtete zudem, belastet durch Ausgrenzung und Abwertung in den sozialen Medien zu sein.
40 Prozent der jungen Menschen nutzten digitale Medien mindestens vier Stunden am Tag für private Zwecke. "Wir sahen, dass jede Stunde Medienkonsum mehr, (...) mit einem bis zu 15-fach erhöhten Risiko für eine geringe Lebensqualität oder auch psychische Auffälligkeiten einhergehen", sagte Kaman. Daher sei es wichtig, dass Kinder und Jugendliche früh lernten mit Medien umzugehen. Eine Altersbeschränkung wie in Australien hielt sie hingegen für wenig zielführend.
Was erhöht und was verringert das Risiko?
Die Studie nennt vier Risikofaktoren. Sie erhöhten das Risiko für eine geringe gesundheitliche Lebensqualität um ein 1,9- bis 2,7-faches:
- Migrationshintergrund
- Beengter Wohnraum
- Psychisch belastete Eltern
- Geringe Bildung der Eltern
Auf der anderen Seite macht die Studie Schutzfaktoren aus. Sie verringerten das Risiko demnach um ein 5- bis 10-faches:
- Zuversicht und Selbstwirksamkeit
- Gemeinsame Zeit mit der Familie
- Soziale Unterstützung
Wie könnte Kinder und Jugendlichen geholfen werden?
Die Studienautoren fordern daher eine bessere Versorgung belasteter Kinder, aber auch eine bessere Prävention. Gerade bei der Prävention gebe es noch viele Wissenslücken, sagte Marcel Romanos, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e.V. Auch gebe es enorme Versorgungsengpässe bei Behandlung und Therapie. Er warnt: Das System sei bereits stark überlastet und könne vielen Kindern und Jugendlichen, die eine Behandlung bräuchten, nicht mehr gerecht werden.
Studienleiterin Ravens-Sieberer fordert, dass Kinder in der Schule lernen sollten, wie sie selbst aktiv werden können, wenn es ihnen psychisch schlecht geht. Damit die Zahl der psychisch belasteten Heranwachsenden nicht noch weiter ansteigt, plädiert Experte Romanos für eine nationale Strategie zur Prävention. Auch brauche es mehr Finanzierung für Forschung. "Wir müssen uns eine Sache bewusst machen: Die psychische Gesundheit von Kinder und Jugendlichen ist noch schlechter geworden. Die war vorher auch nicht gut."