Fälle in Berlin Wie wahrscheinlich ist ein Diphtherie-Ausbruch?
In Deutschland gibt es neue Fälle von Diphtherie. Das sorgt für Diskussionen. Ein zehnjähriger Schüler musste sogar intensivmedizinisch behandelt werden. Wie wahrscheinlich ist ein größerer Ausbruch? Und was bietet Schutz?
Diphtherie ist eine hochansteckende, bakterielle Infektionskrankheit. Sie kann tödlich enden. Obwohl Diphtherie nach der Endemie im Zweiten Weltkrieg verschwunden war, gibt es nun neue Fälle in Deutschland. Das Robert-Koch Institut (RKI) meldet in diesem Jahr in Deutschland bisher 37 bestätigte Fälle, davon zwei in Berlin.
Bis hin zur Atemnot - Symptome der Diphtherie
Zwei bis fünf Tage nach der Ansteckung beginnen die Entzündungssymptome. Das sind typischerweise Halsschmerzen, Schluckbeschwerden, Heiserkeit, Schwellung der Halslymphknoten und auch hohes Fieber.
Kinderarzt Till Reckert ist im Vorstand des Verbandes der Kinderärzte in Baden-Württemberg und schildert die Symptome der hierzulande vorkommenden Rachendiphtherie so: "Es fängt an mit Schmerzen, geht dann soweit, dass man nicht mehr sprechen kann. Und dann irgendwann kann man nicht mehr atmen, weil der Hals zuschwillt." Aus diesem Grund wurde die Erkrankung früher auch als der "Würgeengel" der Kinder bezeichnet.
Impfung bietet zuverlässigen Schutz
In fünf bis zehn Prozent aller Erkrankungen führt das zum Tod. Kinder waren früher besonders gefährdet. Doch durch die breite Einführung der Kinderimpfung ab 1960 ist die Krankheit immer weiter zurückgegangen. Heute gehört die Sechsfach-Impfung gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Polio, Hib und Hepatitis B zu den Standardimpfungen für Babys in Deutschland.
Die Impfung bietet einen zuverlässigen Schutz gegen die Symptome der Diphtherie, nicht aber vor der Infektion mit dem Erreger. Das bedeutet, eine Ansteckung mit dem Erreger ist trotz Impfung möglich - vor allem durch Tröpfcheninfektion. Dabei wird der Erreger durch Niesen, Husten oder Speichel übertragen.
Diphtherie lässt sich nicht vollständig ausrotten
Mit der Impfung bricht die Krankheit nicht aus, auch wenn man den Erreger in sich trägt. Es zeigen sich keine Krankheitssymptome. Aber die Diphtheriebakterien können trotzdem weiter übertragen werden. Deshalb lässt sich Diphtherie durch das Impfen nicht völlig ausrotten. Es kommt immer wieder zu kleineren Krankheitsausbrüchen.
"Jeder, der keinen ausreichenden Schutz hat, also der jetzt nicht geimpft ist, der ist empfänglich", erläutert Tobias Tenenbaum, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie. Auch ein geringer Prozentsatz von geimpften Menschen sei für den Erreger empfänglich, so Tenenbaum. Denn nicht jede Impfung schütze zu 100 Prozent.
Behandlung mit Antibiotikum bis Beatmung
Diphtherie kann durch die Gabe eines Gegengiftes behandelt werden. Gleichzeitig werden Antibiotika verabreicht, die die Diphtheriebakterien abtöten sollen. Dazu müssen Erkrankte in eine Klinik und werden dort isoliert behandelt. Im schlimmsten Fall müssen die Erkrankten künstlich beatmet werden - so wie das bei dem 10-jährigen ungeimpften Schüler aus Berlin der Fall war.
Da die Durchimpfungsrate der Bevölkerung gegen Diphtherie sehr gut ist, kommt es aber nur selten zu so schweren Verläufen. So kam es zuletzt 1997 zu einem Todesfall aufgrund von Diphtherie in Deutschland. Heute sind nach Angaben des RKI mindestens 92 Prozent der Kinder zum Zeitpunkt der Schuleingangsuntersuchung gegen Diphtherie geimpft. Dadurch besteht ein sehr guter Herdenschutz.
Kinderärzte rufen Eltern zur Impfung ihrer Kinder auf
Trotzdem gibt es immer wieder Eltern, die davor scheuen, ihre Kinder gegen Diphtherie impfen zu lassen. "In der Regel wollen diese Eltern das Beste für ihr Kind, haben aber schlechte Erfahrungen mit Impfungen gemacht oder widersprüchliche Informationen darüber erhalten. Das sind im Prinzip Dinge, die im individuellen Gespräch nur lösbar sind", erklärt der Reutlinger Kinderarzt Reckert.
Auch Tenenbaum vom Bundesverband der Kinder und Jugendärzte betont, gerade impfkritische Eltern würden glauben, dass eine durchgemachte Infektion das Immunsystem ihres Kindes stärke. Doch da müsse man klar abgrenzen, sagt er: "Wir appellieren an die Eltern, dass manche Infektionskrankheiten, wenn man sie bekommt, doch sehr schwer verlaufen. Das versuchen wir den Eltern näher zu bringen."