Geheilter "Düsseldorf-Patient" Was der Fall für die HIV-Forschung bedeutet
Zum dritten Mal wurde ein HIV-Patient geheilt. Der sogenannte Düsseldorf-Patient war zudem an Leukämie erkrankt und erhielt eine Knochenmarktransplantation. Warum diese Methode nicht bei allen funktioniert.
Es sind Jahre der Ungewissheit, die hinter Marc liegen. Der 53-jährige Elektroingenieur möchte seinen richtigen Namen nicht nennen. In der Wissenschaft wird er der "Düsseldorf-Patient" genannt. Vieles können die Forscher von seinem Fall lernen.
Marc weiß noch genau, wie es damals war, als er die Diagnose HIV bekam: ein Schock. Sein Arzt, erzählt Marc heute sagte damals: "Nehmen Sie es nicht so schwer, wir beide werden es noch gemeinsam erleben, dass HIV geheilt werden kann." Dementsprechend sei er jetzt stolz darauf, sagen zu können: "Ich bin von HIV geheilt."
Anders als bei anderen Krankheiten, ist HIV nach wie vor für die Patienten ein Stigma. Auch Marc hat nur wenigen von seiner Krankheit erzählt. Anders war es drei Jahre später, als er auch Leukämie bekam. Damit hatte er zwar eine deutliche schlechtere Überlebenschance, aber immerhin konnte er über seine Krankheit reden, so der Ingenieur heute.
Krise wird zur Chance
Was auf den ersten Blick aussichtslos erschien, wendete sich zu einer echten Chance. Denn mit der lebensbedrohlichen Leukämie wurde eine Stammzellentransplantation notwendig. Und diese packt am Immunsystem an, dort wo sich HI-Viren regelrecht verstecken.
Infektiologe Björn Jensen und der Hämatologe Guido Kobbe von dem Universitätsklinikum Düsseldorf wussten bereits, dass in einem ähnlichen Fall, dem sogenannten Berliner Patienten eine Heilung gelungen war. Wenig später zeigte sich der Erfolg auch bei einem Patienten in London. "Das Problem ist, dass HIV sehr geschickt darin ist, sich sehr tief in unserem Körper einzunisten. HIV befällt unsere langlebigen Immunzellen - unsere Gedächtnisimmunzellen, die dafür verantwortlich sind, dass wir bestimmte Krankheiten, wie Kinderkrankheiten nur einmal im Leben bekommen," so Jensen.
Aber weil sie sich genau in diesen langlebigen Immunzellen einnisten, sind sie schwer aufzuspüren. Mit einer Therapie gegen Leukämie könne das aber gelingen, erklärt der Infektiologe: "Die Knochenmarktransplantation, die ja eigentlich dazu durchgeführt wird, um eine bösartige Erkrankung wie Leukämie zu heilen, bringt natürlich den größten Teil des Immunsystems um."
Stammzellenspende mit Genmutation
Durch die Knochenmarktransplantation werden neben dem Immunsystem auch HI-Viren zerstört. Da das HI-Virus aber so gut versteckt ist, bleiben einige Viren zurück, durch die der Patient infiziert bleibt. Um den Patienten sowohl von der Leukämie als auch von HIV zu heilen, wurde eine besondere Knochenmarkspende gesucht. Tatsächlich gibt es vor allem in Mittel- und Nordeuropa bei einigen Menschen eine Genmutation, durch die der Körper gegen HIV weitgehend immun ist.
Diesen Immunzellen fehlt ein bestimmter Rezeptor (CCR-5 Ko-Rezeptor). Und dieses ist der Mechanismus, "der es HIV erschwert, in die Zellen einzudringen. So hat HIV keine Chance das neue Immunsystem zu infizieren", so Kobbe. Denn durch die Transplantation wird das neue Immunsystem mit der Genmutation übertragen. Der Körper von Marc war also vor dem Virus geschützt.
Therapie nur in Ausnahmefällen
Bis die Ärzte sich tatsächlich sicher waren, dass der Mechanismus funktioniert, musste Marc sechs Jahre warten. 2018 konnte er die HIV-Medikamente absetzen. Vier weitere Jahre wurde er von einem internationalen Forscherteam beobachtet. Jetzt erst steht fest: Marc ist geheilt, sodass das Forscherteam seine Erkenntnisse im Fachjournal "Nature Medicine" veröffentlichen kann.
Tatsächlich sei es bisher zunächst eine Therapie für sehr seltene Fälle, bei denen HIV-Patienten auch an Leukämie erkranken, meint der Vorsitzende der Deutschen AIDS-Gesellschaft Stefan Esser vom Uniklinikum Essen. Er selbst behandelt bereits weitere Patienten, die an Leukämie und HIV erkrankt sind. So selten sie vorkommen, sei es ein Meilenstein für die HIV-Forschung, aber nicht generell für die Heilung von Patienten, so der Infektiologe. "Die Eingriffe, die hierfür vorgenommen wurden, sind erheblich und mitunter auch tödlich. Und daher ist das für die Patienten gut gelaufen, aber es ist nicht geeignet für alle Patienten."
Trotzdem wächst die Hoffnung, dass in Zukunft auch ohne Knochenmarktransplantation irgendwann HIV-Patienten geheilt werden können - etwa mit einer Gentherapie. Und für diese Forschung hat der Fall des "Düsseldorf-Patienten" wichtige Erkenntnisse geliefert.