Auszeichnung Robert-Koch-Preis für Tuberkulose-Forscherin Ramakrishnan
Die Mikrobiologin Lalita Ramakrishnan forscht in den USA zur Übertragung und Funktionsweise der Tuberkulose-Bakterien. Dafür wird sie in diesem Jahr mit dem Robert-Koch-Preis ausgezeichnet.
"Es ist uns eine Ehre, mit Lalita Ramakrishnan eine Spitzenwissenschaftlerin auszuzeichnen, die Pionierarbeit bei der Erforschung der Tuberkulose leistet", sagte Wolfgang Plischke, Vorsitzender der Robert-Koch-Stiftung in seiner Laudatio anlässlich der Preisverleihung. Die Krankheit sei nach wie vor eine der Haupttodesursachen weltweit, obwohl es seit einem Jahrhundert einen abgeschwächten Lebendimpfstoff und seit 60 Jahren wirksame Antibiotika gebe. Der Preis ist mit 120.000 Euro dotiert.
Lalita Ramakrishnan lehrt an der University of Cambridge in England.
Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) infizieren sich weltweit etwa zehn Millionen Menschen pro Jahr mit der Krankheit. 1,5 Millionen Menschen sterben an Tuberkulose - Tendenz steigend, da immer mehr Bakterienstämme Resistenzen gegen die rettenden Antibiotika entwickeln. In China, Indien, Russland und im Afrika südlich der Sahara ist die Krankheit besonders verbreitet. Für Deutschland meldete das Robert Koch-Institut für das Jahr 2022 etwas mehr als 4.000 Erkrankungen und 116 Todesfälle.
Besondere Strategie der Tuberkulose-Bakterien
Verursacht wird die Krankheit durch Bakterien. Sie haben eine besondere Strategie entwickelt, das Immunsystem auszutricksen. Gelangen die Bakterien in die Lunge, werden sie dort zunächst von den Fresszellen des Immunsystems, den Makrophagen, abgefangen und in den Zellkörper aufgenommen. Die Tuberkulose-Bakterien werden im Gegensatz zu anderen Keimen in diesen Fresszellen aber nicht verdaut. Die Bakterien nutzen die Abwehrzellen regelrecht als Verstecke, in denen sie sich dem weiteren Zugriff des Immunsystems entziehen.
Lalita Ramakrishnan konnte mit ihrer Forschungsgruppe an der Universität von Cambridge zeigen, dass die Tuberkulose-Bakterien auf ihrer Zelloberfläche spezielle Fettmoleküle tragen, die dafür sorgen, dass die Fresszellen sie nicht verdauen können.
Ramakrishnan und ihre Mitforschenden entdeckten auch, dass die Tuberkulose-Bakterien darüber hinaus auch gesunde Immunzellen durch Botenstoffe anlocken, damit sich diese um die infizierten Makrophagen ansammeln. Die Immunzellen schützen so nicht mehr den Körper, sondern den Eindringling. Es entstehen kleine Geschwulste, lateinisch: Tuberkel, von denen die Krankheit ihren Namen hat. Erst nach Monaten oder Jahren sterben die infizierten Makrophagen, die Tuberkulose-Bakterien vermehren sich sprunghaft, und dann erst bricht die Krankheit aus.
Jahrzehntelanges Missverständnis in der Tuberkulose-Forschung
Die mit dem Robert-Koch-Preis ausgezeichnete, in Indien geborene Mikrobiologin konnte auch ein Missverständnis aufdecken, das die Tuberkulose-Forschung jahrzehntelang in die Irre geführt hatte. Bis dahin ging die Mehrheit der Forschenden davon aus, dass Tuberkulose-Infizierte ein Leben lang Wirte der Tuberkulose-Bakterien seien und so auch potenziell die Infektion weitergeben könnten. Auch wenn die Krankheit bei den Patienten nur in Form einer "latenten Infektion", also ohne Symptome vorlag.
Ramakrishnan entdeckte, dass diese Einschätzung durch einen Fehler bei der Krankheitsdiagnose verursacht wurde. Der bis dahin übliche Haut- oder Bluttest zeigte eine aktive Infektion auch dann an, wenn das Immunsystem in der Vergangenheit lediglich mit dem Erreger in Kontakt gekommen war und es zu gar keiner Infektion gekommen war oder die Infektion schon ausgeheilt war. So ging die WHO bis zur Veröffentlichung Ramakrishnans davon aus, dass bis zu einem Viertel der weltweiten Bevölkerung mit Tuberkulose infiziert war.
Seit 2019 ist Lalita Ramakrishnan Professorin für Immunologie und Infektiologie an der Universität Cambridge, wo sie auch als Ärztin praktiziert. Ihre Eltern waren beide Wissenschaftler, ihr Bruder, Venki Ramakrishnan, erhielt 2009 den Nobelpreis in Medizin für die Erforschung von Zellorganellen.