"Lancet Countdown Report" Wenn der Klimawandel krank macht
Seit 2017 analysieren Forschende aus aller Welt für den "Lancet Countdown Report" den Zusammenhang von Klima und Gesundheit. In diesem Jahr fällt ihr Fazit besonders drastisch aus.
Es sind viele Seiten mit Statistiken, Tabellen und Grafiken, die im kürzlich veröffentlichten "Lancet Countdown Europe Report" stehen. Doch am Ende bleiben vor allem diese Sätze hängen: "Der Klimawandel ist kein weit entferntes, theoretisches Zukunftsszenario. Er ist hier. Und er tötet."
Es ist der zweite "Lancet Countdown", der sich mit den gesundheitlichen Folgen des Klimawandels speziell für die Menschen in Europa beschäftigt. Verfasst haben ihn etwa 70 Forschende aus vielen Ländern und verschiedenen Disziplinen. Maßgeblich daran beteiligt: die Universität Heidelberg.
Warnung vor mehr Todesfällen durch Hitzewellen
Im Bericht findet sich zum Beispiel die Warnung vor mehr Todesfällen durch Hitzewellen. Im Schnitt seien sie in den Jahren 2013 bis 2022 um 17,2 Todesfälle pro 100.000 Einwohner gegenüber den Jahren 2003 bis 2012 angestiegen. "Und es gibt dabei geographische Unterschiede. Deutschland zum Beispiel hat eine ziemlich hohe Übersterblichkeit infolge von Hitzewellen, vor allem bei Frauen", ergänzt der Epidemiologe, Mathematiker und Statistiker Joacim Rocklöv, der als Autor am Bericht beteiligt war.
Und nicht nur zwischen Männern und Frauen gibt es Unterschiede. Der Report sieht auch soziale Ungerechtigkeiten: So litten ethnische Minderheiten oder einkommensschwache Personen häufig stärker unter den Auswirkungen des Klimawandels.
Erreger breiten sich weiter aus
Eine große Gesundheitsgefahr sieht der Bericht auch in neu auftretenden Infektionskrankheiten. Denn einige Erreger und ihre Überträger können sich wegen des wärmeren Klimas, vor allem im Winter, weiter nach Norden ausbreiten.
Die Tigermücke zum Beispiel verbreitet sich schon heute entlang des Rheins. Immer mehr Landkreise in Deutschland werden zu FSME-Risikogebieten erklärt. Und auch das West-Nil-Virus wird zur Gefahr. Laut Statistiker Rocklöv auch entlang des Rheins und in Baden-Württemberg.
Welche Konsequenzen werden gezogen?
Doch was bringen solche wissenschaftlichen Erkenntnisse im Alltag von Behörden, Gesundheitseinrichtungen und politischen Entscheidungsträgern? Das ist zwangsläufig die Frage, um die sich bei der Einordnung des Berichts in Heidelberg alles dreht.
"Das ist die Einladung an uns alle, dass wir die Lancet-Ergebnisse ernst nehmen. Und dann schauen: Wo können wir das miteinander in unseren Institutionen ins Handeln bringen?", sagt zum Beispiel Martin Herrmann von der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG). Für ihn ein konkretes Beispiel: der Hitzeaktionstag, den KLUG Anfang Juni mit zahlreichen anderen Institutionen veranstaltet. Er soll für die Gefahren von Hitzewellen sensibilisieren.
Städte und Gemeinden in der Pflicht
Die Bevölkerung vor Hitze schützen - diese Aufgabe müssen auch Städte und Gemeinden übernehmen. Heidelberg zum Beispiel hat dafür einen Hitzeaktionsplan, sagt Sabine Lachenicht vom Amt für Umweltschutz, Gewerbeaufsicht und Energie. Sie verweist auch auf zahlreiche Projekte oder Förderprogramme der Stadt.
Doch am Ende, sagt sie, dürfe der Schutz der Gesundheit nicht Freiwilligkeit oder dem guten Willen der Beteiligten überlassen werden. Sie sei "… ein ganz großer Verfechter von Vorgaben! Weil auf Freiwilligkeit passiert nicht viel. Sondern es muss ganz klar geregelt werden: Wie darf gebaut werden? Welcher Energiestandard? Es muss begrünt werden. Und hier muss es Vorgaben auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene geben, und es darf nicht den einzelnen Akteuren überlassen werden."
Doch ob das gelingt? Da ist eher Skepsis angesagt. Denn die Autorinnen und Autoren des "Lancet Reports" haben auch festgestellt: Während die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit immer größer werden, bleibt das Interesse von Politik und Medien an diesem Zusammenhang gering.