Auswertung historischer Daten Schweizer Gletscher halbiert
Erstmals haben Forschende die Entwicklung der Schweizer Gletscher im 20. Jahrhundert rekonstruiert. Ihre Beobachtungen sind alarmierend: Seit 1931 nahm das Eisvolumen um knapp die Hälfte ab. Und die Entwicklung verläuft immer rasanter.
Die Schweiz hat zwischen 1931 und 2016 knapp die Hälfte ihres Gletschereises verloren. Das geht aus einer in der Fachzeitschrift "The Cryosphere" veröffentlichten Studie hervor.
Den Forschenden der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) und der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) lagen für den Zeitraum ab 1931 unter anderem Fotos von Landvermessern vor, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts an rund 7000 Standorten fotografiert und etwa 86 Prozent der vergletscherten Fläche der Schweiz abgedeckt hatten. Anhand der historischen Bilder konnten sie das Volumen schätzen und mit aktuelleren Messungen vergleichen.
Die Wissenschaftler stützen sich bei ihren Analysen außerdem auf Langzeitbeobachtungen von Gletschern, Messungen im Gelände sowie Luft- und Gipfelfotos. Durch die Verwendung mehrerer Quellen konnten die Forscher Lücken schließen, denn nur wenige Gletscher in der Schweiz wurden im Laufe der Jahre regelmäßig untersucht. Die Teams verglichen auch die Oberflächentopographie von Gletschern zu verschiedenen Zeitpunkten, was Berechnungen über die Entwicklung des Eisvolumens ermöglichte.
Rückgang seit 2016 weiter beschleunigt
So glich etwa der Fieschergletscher 1928 noch einem großen Eismeer. 2021 waren auf dem Berghang nur noch kleine weiße Flecken zu sehen. Seit 2016 habe sich der Eisschwund nach den Messdaten des Gletschermessnetzes Glamos sogar noch beschleunigt, berichtet die ETH. Demnach schrumpfte das Eisvolumen der Gletscher in den vergangenen sechs Jahren um weitere zwölf Prozent.
Nicht alle Gletscher waren gleichermaßen betroffen. "Wie stark sich das Volumen verringert hat, hängt im Wesentlichen von drei Faktoren ab: Erstens auf welcher Höhe sich die Gletscher befinden, zweitens wie flach die Gletscherzunge ausläuft und drittens wie stark die Gletscher mit Schutt bedeckt sind", berichtete die ETH.
Den Fachleuten zufolge haben sich die Gletscher im vergangenen Jahrhundert aber nicht immer verkleinert. In den 1920er- und den 1980er-Jahren sei die Masse einzelner Gletscher teils gewachsen und es kam zu einzelnen Gletschervorstößen. "Auch wenn es über kürzere Zeiträume zu einem Zuwachs kam ist es trotzdem wichtig, das Gesamtbild im Auge zu behalten. Unser Vergleich zwischen den Jahren 1931 und 2016 zeigt deutlich, dass es in diesem Zeitraum einen markanten Gletscherschwund gab", sagte ETH-Glaziologe Daniel Farinotti - und der Rückgang beschleunige sich.