Stand der Forschung Wie schützen wir uns vor Hochwasser?
Immer heftigerer Starkregen führt zu immer heftigeren Hochwasserkatastrophen. Klimaforscher warnen, dass es noch schlimmer werden könnte. Hochwasserforscher hoffen hingegen, ein Teil der Lösung sein zu können.
Er will die Welt sicherer machen. Holger Schüttrumpf forscht seit Jahren in Sachen Hochwasserschutz. Und gerade in diesem Jahr, weiß der Professor an der Universität Aachen, ist seine Forschung wichtiger denn je. Denn das Jahr 2024 wird als das extreme Hochwasser-Jahr in die Geschichtsbücher eingehen.
Von Mitteleuropa bis hin zu anderen Teilen der Welt erlebten zahlreiche Regionen verheerende Überschwemmungen, die ganze Landstriche verwüsteten und unzählige Menschen obdachlos machten. Die Bilder von überfluteten Städten, zerstörten Brücken und evakuierten Bewohnern gingen um die Welt und riefen die Frage nach den Ursachen dieser extremen Wetterereignisse auf den Plan.
"Es gibt nicht den einen Hochwasserschutz"
Einer der Antworten finden will, ist eben Holger Schüttrumpf. Im Aachener Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft bauen sie daher künstliche Deiche, die sie fluten, um die Standhaftigkeit zu erforschen. Sie lassen große Wassermassen einen durchsichtigen Tunnel herunterschießen, um Wucht und Kraft zu messen, mit der das Wasser auf Land oder Hauswände trifft. Wie viel Schaden passiert durch eine solche Wasserwelle? Am Ende ist dieses Wissen bei Deichen, aber auch Brücken oder anderen Hochwasserschutz-Maßnahmen eine wichtige Erkenntnis.
"Es gibt eben nicht den einen Hochwasserschutz", betont Schüttrumpf. "Wir müssen in der Tat berücksichtigen, wo wir eigentlich sind: Sind wir im norddeutschen Flachland, sind wir im Mittelgebirge, sind wir an den großen Flüssen oder an den kleinen Flüssen? Es gibt nicht das Hochwasserkonzept für alle Gebiete."
Vor allem dieses Jahr hat gezeigt: Es gibt Schwachstellen. Im Winter waren es die Deiche in Norddeutschland, im Sommer Brücken und Flussufer in Süd- und Ostdeutschland, die nicht standhielten. Auch in Spanien oder Frankreich wurden Städte und Straßen überflutet.
Ein gemeinsamer Nenner der meisten Hochwasserereignisse im Jahr 2024 war der extreme Starkregen. Innerhalb kürzester Zeit fielen enorme Regenmengen, die die Böden und Flüsse überlasteten. Die Folge waren verheerende Überschwemmungen, die ganze Landstriche unter Wasser setzten. Doch was steckt hinter diesen extremen Wetterereignissen?
Der Klimawandel als Verstärker
Klimawissenschaftler sind sich einig: Der Klimawandel spielt eine entscheidende Rolle bei der Zunahme extremer Wetterereignisse wie Starkregen und Hochwasser. Niklas Höhne vom NewClimate Institute beschäftigt sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf unser alltägliches Leben. "Die Starkregenereignisse in diesem Jahr sind eindeutig Anzeichen des menschengemachten Klimawandels", sagt er. "Die Heftigkeit und Häufigkeit dieser Ereignisse könnten wir uns nicht erklären, ohne den menschengemachten Klimawandel."
Es ist so: Durch die globale Erwärmung erhöht sich die Verdunstung von Wasser, was zu einer größeren Menge an Feuchtigkeit in der Atmosphäre führt. Diese wiederum kann in Form von heftigen Niederschlägen niedergehen.
Helge Gößling erforscht schon lange Wetterveränderungen und Klima. Er ist Klimaphysiker am Alfred Wegener Institut in Bremerhaven. "Eine Ursache ist höchstwahrscheinlich eine starke Erwärmung der Meere, die wir sehen", erklärt er. "Seit 2023 im Nordatlantik, aber eben auch im Mittelmeer, in der Nordsee, im Schwarzen Meer. Das heißt, dass das Wasser um Europa herum im Moment besonders warm ist." Daher sei es absolut plausibel, dass die Häufung sehr intensiver Starkregen darauf zurückzuführen ist.
Starkregen wird auch intensiver
Darüber hinaus führt der Klimawandel zu einer Veränderung der globalen Zirkulationsmuster, was wiederum die Entstehung von Tiefdruckgebieten und damit verbundenen Starkregenereignissen begünstigen kann. Gößling erklärt: "Gerade beim Starkregen ist es so, dass dieser eigentlich einer relativ einfachen Formel folgt, und zwar werden solche Starkregenereignisse pro Grad Erwärmung um circa sieben Prozent stärker. So dass diese Ereignisse durch den menschengemachten Klimawandel jetzt circa schon so etwas wie zehn bis 15 Prozent intensiver geworden sind."
Nicht wenige Klimawissenschaftler sehen daher auch die Politik gefordert, die nun auch in Baku wieder zusammensitzt. "Wir brauchen zum einen viel mehr Hochwasserschutz, viel mehr Hitzeschutz, viel mehr Dürreschutz, als wir bisher haben. Wir sind nicht vorbereitet auf diese Ereignisse", meint Klimaexperte Höhne. "Zum anderen müssen wir gleichzeitig alles daransetzen, um so schnell wie irgend möglich Treibhausgasemissionen auf null zu reduzieren." Erst dann könne die Temperatur aufhören zu steigen, die zu einer höheren Intensität von Extremwetterereignisse führe.
Auch Holger Schüttrumpf von der Universität Aachen fordert von der Politik zu handeln. Er will durch Forschung seinen Beitrag leisten. Das Aachener Forscherteam will daher, Lösungen finden für stabile Deiche, für besseren Hochwasserschutz und: "Wir brauchen Brücken, die nicht das Hochwasserereignis verstärken, die standsicher bleiben im Fall von extremen Hochwasserereignissen", erklärt der Uniprofessor. Mit dem Bau solcher Brücken habe man beispielsweise nach der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 begonnen.