Protest gegen die Regionalregierung in Valencia.

Proteste in Valencia Erst die Flut, dann die Wut

Stand: 10.11.2024 03:17 Uhr

Knapp zwei Wochen nach der Flutkatastrophe in Spanien mit mehr als 200 Toten sind in Valencia Zehntausende Menschen auf die Straße gegangen. Ihre Wut richtet sich gegen das Krisenmanagement der Regionalregierung.

Rücktrittsrufe und Pfiffe schallen über den Platz vor Valencias prächtigem Rathaus. 130.000 sollen es laut Polizeiangaben sein. Die meisten hier wollen Regionalpräsident Carlos Mazón von der konservativen Volkspartei in die Wüste schicken.

Maricarmen ist mit ihrem Ehemann Vicente gekommen und sagt: "Es gab eine Katastrophe und unsere Politiker haben nicht angemessen reagiert". Über ihrer Schulter eine verschmutzte Flagge der Region Valencia, Schlamm aus dem Viertel ihrer Schwiegermutter. Marie-Carmen macht die Provinzhauptstadt Valencia und Spaniens Hauptstadt Madrid in gleichen Teilen verantwortlich, sagt, sie hätten die Menschen in den Katastrophengebieten eine Woche alleingelassen.

Sebastian Kisters, ARD Madrid, zzt. Catarroja/Spanien, zur Situation der Menschen vor Ort und zu den Demonstrationen in Valencia

tagesthemen, 09.11.2024 23:15 Uhr

Kritik an Krisenmanagement

Sie, ihr Mann und ihre drei Kinder hätten es allein freiwilligen Helferinnen zu verdanken, dass sie in der vergangenen Woche zu essen gehabt hätten. Silvia, um die Fünfzig mit schulterlangem dunklem Haar, hält ein Schild hoch, auf dem steht: „Die Familie in den Mittelpunkt“. Auch sie und ihre Freundinnen sind wegen des Krisenmanagements der Regionalregierung hier.

Klimawandelleugner seien das. Neben dem Rücktritt der Regionalregierung wünscht Silvia sich als Konsequenz aus der Katastrophe, dass der Klimawandel endlich ernstgenommen werde. Ein weiterer Demonstrationsteilnehmer will nur eins: Und zwar, dass Regionalregierungschef Mazón zurücktritt, weil er alles falsch gemacht habe. Zurücktreten und abhauen solle er.

Gegenseitige Schuldzuweisungen

Der viel gescholtene Regionalpräsident Valencias hatte zuvor in einem Interview erklärt, das Demonstrationsrecht sei in der spanischen Verfassung verankert und selbstverständlich akzeptiere er das. Für politische Debatten über Verantwortlichkeiten sei jetzt jedoch nicht die Zeit, sagte Mazón, sondern es gehe darum, den Menschen zu helfen. 

Er steht in der Kritik, weil er und der regionale Krisenstab am Tag des verheerenden Unwetters zu spät reagiert haben sollen. Die regionalen Behörden hatten das Mobilfunk-Warnsystem erst aktiviert, als das Wasser in einigen Ortschaften bereits meterhoch stand.

Seit Tagen schieben sich Spaniens Zentralregierung und die Verantwortlichen in der autonomen Region Valencia gegenseitig die Schuld zu dafür, dass die Katastrophenhilfe vielerorts schleppend und zum Teil chaotisch angelaufen war.

Aufräumarbeiten weiter schwierig

Die Bergungs- und Aufräumarbeiten gehen derweil unermüdlich weiter. Neben mehr als 3.000 Feuerwehrleuten sind etwa 8.500 Militärangehörige und 10.000 Beamte der Nationalpolizei und Guardia Civil im Einsatz. Gebäude sind weiterhin nicht oder nur schwer zugänglich, Straßen mit dickem Schlamm bedeckt und blockiert. Von Normalität ist die betroffene Region noch immer weit entfernt.

Franka Welz, ARD Madrid, zzt. Valencia, tagesschau, 10.11.2024 06:31 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 09. November 2024 um 23:15 Uhr.