UN-Plastik-Konferenz in Busan Löst Recycling das Plastik-Problem?
Die Mitgliedsstaaten der UN wollen weltweit weniger Plastikmüll produzieren. Dazu verhandeln sie in Südkorea über internationale Regelungen. Eine aktuelle Studie zeigt, wie dringend das ist.
Wenn auf der Welt weiterhin so viel Kunststoff produziert und so wenig davon wiederverwendet wird, wie bisher, wird sich die jährliche Menge an Plastikmüll bis zum Jahr 2050 nahezu verdoppeln. Zu diesem Ergebnis kommt eine in der Fachzeitschrift Science erschienene Studie.
Pro Jahr würden weltweit etwa 121 Millionen Tonnen Plastikmüll produziert. Damit ist der Müll gemeint, der nicht angemessen entsorgt, sondern offen verbrannt oder in die Landschaft oder ins Meer gekippt wird. Insgesamt hätte die Menschheit bis 2050 dann rund 2,5 Milliarden Tonnen Kunststoff-Abfall verursacht.
Recycling als wichtigste Maßnahme
Die Studie zeigt auch auf: Das Recycling von Kunststoffen hätte den größten Effekt, um Plastikmüll zu reduzieren. Wenn nur 40 Prozent wiederverwendet würden - bisher sind es nach Schätzungen der OECD von 2019 weniger als neun Prozent -, würde sich die "missbräuchliche Verwendung von Kunststoffen im Jahr 2050 von 121 Millionen Tonnen auf 59 Millionen Tonnen halbieren".
In vielen Ländern fehlen aber die technischen und logistischen Einrichtungen, die für das Recycling notwendig sind. Selbst in Deutschland, wo es diese gibt, wird nur ein Teil der Kunststoffe-Abfälle einem echten Recycling zugeführt. Laut Zahlen der Kunststoff-Industrie von 2021 wird hierzulande mehr als die Hälfte verbrannt und nicht für neue Produkte wiederverwendet.
"Sortenreinheit" erzeugt hohe Kosten
Ein wichtiger Grund für die niedrige Recycling-Quote ist die mangelnde Sortenreinheit. Kunststoff-Abfälle sind ein Gemisch verschiedener Kunststoffe. Selbst eine einzelne Verpackung kann aus bis zu zwölf unterschiedlichen Kunststoffen bestehen. Damit diese jeweils als neuer Rohstoff dienen können, müssen sie sortenrein getrennt werden. Denn jeder Kunststoff hat spezifische Eigenschaften, etwa bei Stabilität oder Hitzeempfindlichkeit. Eine unkontrollierte Mischung würde zu unkontrollierbaren Eigenschaften führen. Daher muss aufwendig und somit teuer sortiert und getrennt werden.
Trennen mit Licht und Luft
Technisch geschieht dies in modernen Recycling-Anlagen - hauptsächlich mittels sogenannter Nah-Infrarot-Spektroskopie (NIR). Dazu wird ein Infrarot-Lichtstrahl auf die Kunststoff-Abfälle gerichtet. Je nach Sorte reflektiert der Kunststoff ein bestimmtes Spektrum an Wellenlängen des Infrarot-Lichts. Ein Sensor erfasst diesen "Fingerabdruck" und kann so den Kunststoff identifizieren. Das geschieht in Sekundenbruchteilen.
Eine der modernsten Recycling-Anlagen Europas steht in der Nähe des Münchner Flughafens. Dort sind 38 dieser NIR-Geräte im Einsatz und sortieren rund 20 Tonnen Verpackungsmüll in der Stunde. Ist ein Kunststoff identifiziert, schießt ihn eine Düse per Luftstrahl in den jeweiligen Sammelbehälter. 35 Millionen Euro hat die Anlage gekostet. Was die NIR-Geräte sortieren, muss aber oft noch von Hand nachsortiert werden, weil die Technik nicht fehlerfrei ist. Das kostet zusätzlich und macht recyclierten Kunststoff teurer als neuen.
Technik funktioniert nicht hundertprozentig
Wenn Verpackungen verschmutzt, zerknüllt oder miteinander verpresst sind, können die NIR-Geräte die Kunststoffe nicht eindeutig zuordnen. Das ist aber oft der Fall. Die Betreiber von Recyclinganlagen appellieren daher an die Verbraucherinnen und Verbraucher, die verschiedenen Kunststoffteile möglichst gut voneinander zu trennen. Das bedeutet:
- Verpackungen nicht zerknüllen oder zerdrücken
- verschiedene Verpackungen nicht ineinander stopfen oder miteinander verpressen, sondern locker in Mülltüten sammeln, so dass die NIR-Geräte sie besser erkennen können
- bei Wurst- oder Käseverpackungen die Folie von der Hartplastik-Wanne abziehen, da beide aus verschiedenen Kunststoffen bestehen
- Plastik-Flaschen vollständig leeren, da sie sonst zu schwer für die Luftdüsen sind
- Lebensmittelverpackungen löffelrein wegwerfen, damit nicht Essensreste verschiedene Verpackungen miteinander verkleben; ein Auswaschen ist aber nicht nötig
- keine Akkus, etwa aus E-Zigaretten, in den Verpackungsmüll geben. Diese können beim Schreddern der Mülltüten in den Anlagen in Brand geraten und den Kunststoff entzünden. Mindestens einmal am Tag gibt es einen Brand auf einer Recycling-Anlage in Deutschland.
"Intelligente" Fehlwürfe
Im gelben Sack oder der gelben Tonne des "Dualen Systems" werden nur Verpackungen gesammelt, die lizenziert sind. Andere Kunststoffe werden damit nicht gesammelt. Daher gehen auch sortenreine, gut recycelbare Kunststoff-Gegenstände wie Blumentöpfe oder Gießkannen verloren. Sie sollten in Wertstoffhöfen gesammelt und dann dem Recycling zugeführt werden. Die Sortier-Anlage bei München kann diese Produkte ebenfalls verwerten - sie gelten sogar als "intelligente" Fehlwürfe.
Chemisches Recycling
Kunststoffgemische sind beim Recyling jedoch ein Problem. Deshalb wird erforscht, wie sich diese trotzdem wiederverwerten lassen, etwa in Aachen: Jürgen Klankermayer und sein Team von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) haben ein Verfahren entwickelt, das mit relativ wenig Energie auskommt und alle Kunststoffe aus einer Verbundverpackung löst.
Dazu wird sie zermahlen, eine organische Kohlenwasserstoff-Verbindung und eine Metallverbindung hinzugegeben und alles auf etwa 180 Grad erhitzt. Die chemischen Verbindungen eines der im Gemisch befindlichen Kunststoffe öffnen sich. Der wird in seine Ausgangsstoffe zerlegt, aus denen neue Kunststoffe gefertigt werden können. Das Verfahren kann nach und nach auch für alle anderen, noch im Gemisch enthaltenen, Kunststoffe angewandt werden.
Recycling-Verfahren für Indonesien
Eine andere Idee kommt aus Freising bei München: Martin Schlummer vom Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) hat ein flüssiges Lösemittel entwickelt. Woraus es besteht, ist Betriebsgeheimnis, es soll aber ungiftig sein. Das Lösemittel löst aus einem Kunststoffgemisch den gewünschten Kunststoff, beispielsweise Polyethylen, heraus und lässt ihn ausflocken. Das Polyethylen muss dann nur herausgefiltert und getrocknet werden, so Schlummer, "und ist gleich verarbeitbar".
Laut Schlummer wird das Verfahren bereits in einer Pilotanlage in Indonesien eingesetzt und dort aus Abfall Verpackungsfolie für Waschmittel produziert. Also in einem Land, das besonders betroffen ist von Plastikmüll.