UN-Sondergesandter für den Sudan "Trotzdem muss man weitermachen"
Der UN-Sondergesandte für den Sudan, Perthes, ist vielen ein Dorn im Auge: Sudans Militärmachthaber Burhan fordert seine Absetzung - kurz bevor der UN-Sicherheitsrat über seine Mandatsverlängerung entscheidet.
Es sind nicht die ersten Proteste aus dem Sudan gegen den deutschen UN-Sondergesandten. Es ist auch nicht das erste Mal, dass die Militärregierung in Khartum Volker Perthes "ausländische Einmischung" vorwirft. Doch zum ersten Mal schreibt Militärmachthaber Abdel Fattah Burhan direkt an den UN-Generalsekretär.
Seine Forderung, den Chef der UN-Mission UNITAMS abzusetzen, kommt genau zu dem Zeitpunkt, an dem diese Mission im Sicherheitsrat zur Verlängerung ansteht. Perthes hatte gerade persönlich den Rat in New York gebrieft und dabei offen gesagt, was beide Kriegsparteien offenbar nicht hören mögen: Sie missachteten das Kriegsrecht und seien beide für die andauernden Kämpfe verantwortlich.
Im Gespräch mit dem ARD-Studio New York äußert Perthes seine Befürchtung: Der Machtkampf der Militärs könnte sich zu einem ethnischen Konflikt ausweiten: "Es gibt eben auch auf beiden Seiten eine Mobilisierung für Unterstützung, die über die mehr oder weniger professionellen Soldaten hinausgeht. Also eine Mobilisierung in Stammesformation, auf ethnischer Grundlage - und bei den Islamisten auf ideologischer Grundlage." Je länger der Krieg sich fortsetze, desto stärker würden diese Tendenzen, meint Perthes.
Volker Perthes ist seit 2021 Sonderbeauftragter des UN-Generalsekretärs für Sudan und Leiter der UN-Mission UNITAMS. Zuvor war der Politikwissenschaftler Direktor des Deutschen Instituts für Internationale Politik und Sicherheit und geschäftsführender Vorsitzender der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.
Kriegsparteien an den Verhandlungstisch bringen
Dann könnte der Machtkampf zweier Militärlager tatsächlich zu einem Bürgerkrieg werden, warnt der vor zwei Jahren einberufene UN-Sondergesandte. Die Milizen griffen Häuser, Geschäfte, Gebetsstätten oder Wasseranlagen an. Es häuften sich Berichte über sexuelle Gewalt als Kriegswaffe: "Wir beobachten weiterhin, wie mit Menschenrechten umgegangen wird, das wird natürlich sehr viel wichtiger in dieser Situation. Es gab entsetzliche Übergriffe gegen Frauen und Kinder. Da muss man hinschauen und darüber berichten."
Diese Funktion der Friedensmission sei ebenso wichtig wie die Koordinierung der humanitären Hilfsorganisationen. Oberste Priorität sei es weiter, die Kriegsparteien an den Verhandlungstisch zu bringen. Auch wenn vereinbarte Waffenpausen immer wieder gebrochen werden, gibt Perthes diese Hoffnung nicht auf: "Trotzdem muss man dann weitermachen. Wenn der erste Waffenstillstand nicht hält, dann arbeitet man am zweiten", meint Perthes.
Frage nach Mandatsverlängerung
Das Mandat für die Friedensmission war 2020 verabschiedet worden, um den politischen Übergangsprozess im Sudan zu begleiten. Doch UNITAMS ist eine zivile Mission. Etwa 350 Mitarbeitende - teils Sudanesen - und insgesamt etwa 70 Polizisten und Militärbeobachter soll sie eigentlich umfassen. Seit Ausbruch der Kämpfe sind die meisten UNITAMS-Mitarbeitenden evakuiert worden. Eine Kernmannschaft um Perthes zog von der stark umkämpften Hauptstadt Khartum in die Hafenstadt Port Sudan. Um weitermachen zu können, müsste der Sicherheitsrat noch diese Woche seine Zustimmung geben.
Perthes schlägt eine Zwischenlösung vor: "Wir können heute noch nicht wirklich entscheiden, wie die Sache sich entwickeln wird. Lasst uns die nächsten drei Monate versuchen, aus einem haltbaren Waffenstillstand einen Frieden und eine Rückkehr zur Transition zu machen. Dann komme ich erneut in den Sicherheitsrat und kann auch meine Analyse darüber abgeben, ob wir zurück zu einem Zustand des friedlichen Übergangs kommen, den UNITAMS unterstützen kann."
Regierung fürchtet "Kapitel-7-Mandat"
Als der gebürtige Duisburger vor dem UN-Turm am East River steht, wirkt er müde - aber nicht resigniert. Wolle der Sicherheitsrat die technische Verlängerung der Mission nicht, dann müsse er darüber nachdenken, was die Alternative sei. Manche Diplomaten denken zum Beispiel an ein Mandat nach dem Modell der Vorgängermission im Sudan: UNAMID war ein so genanntes "robustes" Mandat. Darin haben teils schwer bewaffnete Blauhelme die Aufgabe, bewaffnete Gruppen voneinander zu trennen und die Zivilbevölkerung zu schützen. UNAMID war eine Kooperation der Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union.
"Die große Befürchtung von Teilen der Regierung ist, dass so etwas vorbereitet wird: ein Kapitel-7-Mandat. Das ist die Forderung eines Teils der Zivilgesellschaft. Ich denke, wenn Sie sich die Zusammensetzung des Sicherheitsrats und die derzeitige globale geopolitische Situation anschauen, dann brauchen wir über so etwas nicht nachzudenken", meint Perthes.
Wie auch immer der Sicherheitsrat entscheide, ergänzt Sonderbotschafter Perthes, bevor sein Chef Antonio Guterres den Protestbrief aus Khartum bekommt: "Ich versuche, was immer ich als Mandat habe, so umzusetzen, dass es dem Sudan nutzt." Ob der Sudan Perthes die Wiedereinreise überhaupt erlaubt, das blieb zunächst unklar.