Machtkampf im Sudan Hilfsorganisationen warnen vor Seuchen
Ungeachtet internationaler Appelle gehen die Kämpfe im Sudan zwischen Armee und RSF-Miliz weiter. In Khartum liegen offenbar Tausende Leichen auf den Straßen. Hilfsorganisationen warnen vor Seuchen.
Seit Monaten dauern die Kämpfe zwischen der Armee und Milizen im Sudan an - und nach Angaben der Hilfsorganisation Save the Children steigt auch die Seuchengefahr. Tausende verwesende Leichen liegen demnach in den Straßen der Hauptstadt Khartum. Außerdem könnten die Leichenhallen der Stadt wegen regelmäßiger Stromausfälle nicht mehr gekühlt werden, erklärte die Organisation.
Auch das Wasser werde knapp, und Möglichkeiten zur Aufbereitung stünden kaum bereit. Ein Choleraausbruch in der Stadt ist demnach zu befürchten - während das Gesundheitssystem fast vollständig zusammengebrochen ist. Von den 89 Krankenhäusern und -stationen Khartums seien 71 nicht mehr in Betrieb. Die verbliebenen Einrichtungen würden häufig Ziel von Angriffen oder Plünderungen, teilte Save the Children mit. Das Gesundheitssystem hänge am seidenen Faden.
UN: Unhaltbare Situation im Sudan
Auch die Vereinten Nationen warnen vor einer unhaltbaren Situation in dem Land. Insbesondere in den zehn Flüchtlingscamps im Bundesstaat Weißer Nil, in denen 144.000 Vertriebene aus der Region Khartum Schutz gesucht hätten, fehle es an Medikamenten, Personal und Vorräten, sagte ein UN-Sprecher in Genf. Weil viele Familien schon seit Wochen unterwegs seien, nähmen Unterernährung und Krankheitsausbrüche zu.
Weil Versorgungswege unterbrochen seien, würden Medikamente und andere Hilfsgüter knapp. Aufgrund anhaltender Regenfälle und Überschwemmungen sei in den kommenden Monaten nicht nur mit weiteren Cholera-, sondern auch mit Malariaerkrankungen zu rechnen.
20,3 Millionen Menschen - 42 Prozent der Bevölkerung des Sudans - wüssten inzwischen nicht immer, wie sie ihre nächste Mahlzeit besorgen können. 6,2 Millionen Menschen könnten schon bald kaum noch zu essen haben. Auch bei Flüchtlingen, die aus dem Sudan in die Nachbarländer gelangten, habe sich der Gesundheits- und Ernährungszustand drastisch verschlechtert, sagte UNHCR-Sprecher William Spindler. Ein regionaler Hilfeplan von UNHCR und Partnerorganisationen im Umfang von 566 Millionen US-Dollar (515 Millionen Euro) ist laut den Vereinten Nationen erst zu etwa einem Viertel finanziert.
Gefechte haben sich erneut intensiviert
Ungeachtet internationaler Appelle, an einem Friedensschluss zu arbeiten, haben sich die Gefechte zwischen der sudanesischen Armee und der rivalisierenden RSF-Miliz in den vergangenen Wochen noch einmal verstärkt, berichtet die Nachrichtenagentur AFP.
Seit Montag versuchten die Regierungstruppen eine Brücke über dem Nil einzunehmen, die Khartum mit der Stadt Omdurman am anderen Flussufer verbindet, berichteten Einwohner der Nachrichtenagentur Reuters. Sie setzten dabei Luftwaffe und schwere Artillerie ein. Die RSF, die ihren Nachschub über die Brücke bezieht und einen großen Teil der Hauptstadt besetzt hat, habe massive Gegenangriffe gestartet.
"Die Situation in Omdurman ist schrecklich", berichtete der in der Stadt lebende Nader Abdullah in einem Telefonat mit der Nachrichtenagentur Reuters. "Gewehrfeuer, Artilleriedonnern und Luftangriffe - es wird in alle Richtungen geschossen."
Offenbar Angriffe auf Wohngebiete
Die Armee hat nach Informationen von Reuters zuletzt auch Wohngebiete aus der Luft bombardiert, um Stützpunkte der Milizen zu treffen. Diese antworteten demnach mit Drohnenangriffen. Mindestens 20 Zivilisten starben laut dem sudanesischen Gesundheitsministerium bei den jüngsten Kämpfen.
Beide Seiten haben in den vergangenen Tagen militärische Erfolge für sich beansprucht, aber es gibt keine Anzeichen dafür, dass eine Seite die Oberhand gewinnt. Die Bemühungen von Saudi-Arabien und den USA um die Vermittlung eines Waffenstillstands sind vorerst zum Erliegen gekommen.
Etwa vier Millionen Vertriebene
Seit dem Ausbruch der Kämpfe Mitte April sind nach UN-Angaben bis Anfang August bereits drei Millionen Menschen im Land vertrieben worden. Zusätzlich seien inzwischen 880.000 Menschen über die Grenzen in Nachbarländer geflohen, berichtete das UN-Nothilfebüro Ocha. Aufnahmeländer sind demnach die Zentralafrikanische Republik, der Tschad, Ägypten, Äthiopien und der Südsudan.
Mindestens 3.900 Menschen wurden nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Acled getötet, die tatsächliche Opferzahl dürfte aber weit größer sein. Save the Children geht davon aus, dass bislang 2.435 Kinder verletzt oder getötet wurden.
Kämpfe in den Regionen Khartum und Darfur
In dem nordostafrikanischen Land kämpft die Armee unter De-Facto-Präsident Abdel Fattah al-Burhan seit Mitte April gegen die paramilitärische Miliz RSF des ehemaligen Vizemachthabers Mohammed Hamdan Daglo. Die Generäle hatten sich gemeinsam an die Macht geputscht, dann aber zerstritten.
Die Kämpfe konzentrieren sich insbesondere auf Khartum und die angrenzenden Städte sowie die Region Darfur im Westen des Landes. Die Konfliktparteien kämpfen dabei oft in unmittelbarer Nähe von Wohngebieten.