Anhaltende Kämpfe im Sudan UN schickt Nothilfekoordinator
Wegen Plünderungen sind laut den Vereinten Nationen die meisten ihrer Lager für Hilfsgüter im Sudan leer. Nun schicken die UN wegen der "beispiellosen" Situation im Land den Nothilfekoordinator Martin Griffiths.
Die Vereinten Nationen schicken den UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths in den Sudan. Der Sprecher des UN-Generalsekretärs, Stéphane Dujarric, teilte am Sonntag mit, dass Griffiths angesichts der sich rapide verschlechternden humanitären Lage im Land "unverzüglich" in die Region aufbrechen solle.
Ausmaß und Geschwindigkeit der Ereignisse im Sudan seien beispiellos, sagte Dujarric. "Wir sind äußerst besorgt über die unmittelbaren und langfristigen Auswirkungen auf alle Menschen im Sudan und in der gesamten Region."
Viele Lager mit Hilfsgütern geplündert
Griffiths sagte vor seiner Abreise, dass die Vorräte von Hilfsgütern im Sudan mittlerweile zu Neige gingen. Seit Ausbruch der Kämpfe zwischen Armee und Milizen vor zwei Wochen sind zahlreiche Lager mit humanitären Hilfsgütern geplündert worden.
"Die meisten unserer Vorräte sind nach massiven Plünderungen der Lager und Büros von humanitären Organisationen weg", so Griffiths. "Wir suchen dringend nach Wegen, mehr Material ins Land zu bringen und zu verteilen."
Im Hafen der Stadt Port Sudan stehen laut UN zwar fünf Container der Weltgesundheitsorganisation WHO. Allerdings warteten die Helfer noch darauf, dass die örtlichen Behörden die Ladung freigeben.
Bereits vor Ausbruch der Kämpfe sei ein Drittel der Bevölkerung auf humanitäre Hilfe angewiesen gewesen, sagte Dujarric.
Nothilfekoordinator Griffiths sagte, die meisten Vorräte seien geplündert worden.
Rotes Kreuz liefert erstmals Hilfsgüter
Auch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hat einen ersten Hilfstransport seit Beginn der Kämpfe mit rund acht Tonnen medizinischer Hilfsgüter nach Port Sudan geflogen. Nach Angaben der Organisation sollen unter anderem Betäubungsmittel, Verbände und chirurgisches Material geliefert worden sein. Eine weitere Maschine mit Hilfsgütern solle bald folgen.
Nach Angaben des sudanesischen Ärztekomitees sind viele Krankenhäuser infolge der Gefechte nicht mehr funktionstüchtig. Zudem fehle es an Medikamenten, medizinischen Gütern und Blutkonserven.
Gesundheitswesen vor Katastrophe
Nach Einschätzung der WHO steht das schon vor Ausbruch der Kämpfe angeschlagene Gesundheitswesen sogar vor einer Katastrophe, da zudem Krankenhäuser bombardiert würden und viele Ärzte aus dem Land flöhen. In Khartum seien nur noch 16 Prozent der Krankenhäuser voll arbeitsfähig, sagte der WHO-Regionaldirektor für den östlichen Mittelmeerraum, Ahmed al-Mandhari. Vor allem Chirurgen und Anästhesisten fehlten.
Hinzu käme die wachsende Gefahr durch Krankheiten wie Cholera und Malaria. Etwa vier Millionen kranke oder schwangere Frauen und etwa 50.000 akut unterernährte Kinder seien besonders gefährdet. Etwa drei Millionen Frauen und Mädchen sind laut Al-Mandhari außerdem geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt. Hinzu käme der extreme psychische Druck, mit dem insbesondere Kinder durch Konflikt und Vertreibung konfrontiert seien.
Brüchige Feuerpause erneut verlängert
Die UN forderte die Konfliktparteien erneut auf, Zivilisten und Infrastruktur zu schützen, sichere Fluchtkorridore aus dem Kampfgebiet zu ermöglichen, humanitäre Helfer und medizinisches Personal zu respektieren und Hilfseinsätze zu erleichtern.
Eine am Dienstag vereinbarte Waffenruhe wurde von den Konfliktparteien am Sonntagabend um 72 Stunden verlängert. Eingehalten wurde die Feuerpause bisher allerdings nicht. In Khartum sind weiter Kämpfe zu hören, jedoch ist die Intensität der Kämpfe zurückgegangen. Die Armee und die paramilitärische RSF-Miliz weisen sich gegenseitig die Schuld für den Bruch der Vereinbarungen zu.
USA intensivieren Hilfe für US-Bürger
Unterdessen haben die USA ihre Bemühungen verstärkt, US-Bürger im Sudan zu unterstützen. Am Sonntag sei ein zweiter von der US-Regierung organisierter Konvoi in Port Sudan eingetroffen, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller. Wie viele Menschen dem Konvoi angehörten und welche Unterstützung die USA neben Evakuierungen lieferten, sagte er nicht.
Das US-Verteidigungsministerium erklärte am Samstag, es verlege Marineeinheiten vor die sudanesische Küste, um bei weiteren Evakuierungen zu unterstützen. Die meisten der etwa 16.000 US-Amerikaner, die derzeit im Sudan vermutet werden, haben auch die sudanesische Staatsbürgerschaft.
Tausende verletzt, Zehntausende auf der Flucht
In dem nordostafrikanischen Land kämpfen die Streitkräfte unter Führung von De-facto-Präsident Abdel Fattah al-Burhan seit dem 15. April gegen die Milizen seines Stellvertreters Mohammed Hamdan Daglo, auch bekannt als Hemeti, der die RSF anführt.
Die beiden Generäle hatten die Führung des Sudans einst durch gemeinsame Militärcoups übernommen. Wegen Fragen der Machtverteilung kam es aber zum Zerwürfnis zwischen beiden Lagern. Al-Burhan lehnt direkte Gespräche mit Hemeti kategorisch ab, der erst dann mit Al-Burhan sprechen will, wenn die Armee ihre Angriffe stoppt.
Nach Angaben der Behörden haben die Kämpfe bereits mehr als 500 Menschen das Leben gekostet, fast 5000 sind verletzt worden. Es wird vermutet, dass die tatsächliche Opferzahl viel höher ist. Zehntausende Menschen sind wegen der Kämpfe zudem auf der Flucht. Nach Angaben der UN wurden 75.000 Menschen innerhalb des Landes mit rund 46 Millionen Einwohnern vertrieben.