Bandengewalt im Karibikstaat Übergangsrat in Haiti soll Weg aus der Krise finden
Seit Ende Februar herrscht in Haiti der Ausnahmezustand: Banden kontrollieren weite Teile des Landes und rund 80 Prozent der Hauptstadt Port-au-Prince. Ein Übergangsrat soll nun Ordnung bringen und die ersten Wahlen seit Jahren organisieren.
In Haiti ist als erster Schritt, um die Sicherheit in dem von Banden verwüsteten Karibikstaat wiederherzustellen, ein Übergangs-Präsidialrat geschaffen worden. Ein entsprechendes Dekret erschien am Freitag im Amtsblatt "Le Moniteur". Der Rat soll eine neue Interimsregierung bestimmen und den Weg hin zu den ersten Wahlen in Haiti seit 2016 ebnen.
Dies war einen Monat zuvor nach einem Treffen der Karibischen Gemeinschaft Caricom in Jamaika verkündet worden. Daran hatte auch US-Außenminister Antony Blinken teilngenommen. Interims-Premierminister Ariel Henry, der wegen der Sicherheitslage in Haiti von einer Auslandsreise Ende Februar nicht zurückkehrte, kündigte seinen Rücktritt an, wenn der Rat stehe. Dieser soll sich aus neun Vertretern verschiedener Parteien, zivilgesellschaftlicher Gruppen und der Wirtschaft zusammensetzen - sieben davon sind stimmberechtigt, zwei haben Beobachterstatus.
Es ist jedoch unklar, ob der Übergangsrat in der Lage sein wird, seine Autorität gegenüber den Banden durchzusetzen, die etwa 80 Prozent der Hauptstadt Port-au-Prince kontrollieren.
Mehr als 1.500 Tote, 95.000 Vertriebene
Die Gewalt war während einer Auslandsreise Henrys Ende Februar noch einmal eskaliert. Polizeistationen, staatliche Einrichtungen und andere Gebäude wurden angegriffen, Tausende Häftlinge aus Gefängnissen befreit. Nach einem Bericht des UN-Menschenrechtsbüros (Stand Ende März) wurden mehr als 1.500 Menschen getötet. Auch die Zahl der Entführungen und Vergewaltigungen habe zugenommen, hieß es.
Rund 95.000 Menschen wurden nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) innerhalb eines Monats aus dem Großraum Port-au-Prince vertrieben. Die bestehende Hungerkrise verschärfte sich, die humanitäre Lage ist dramatisch.
Henry hatte die Regierungsgeschäfte kurz nach der Ermordung des Präsidenten Jovenel Moïse im Juli 2021 übernommen. Das Amt des Präsidenten und damit Staatschefs wurde bisher nicht neu besetzt, auch ein Parlament gibt es nicht mehr. Eine bereits im Oktober vom UN-Sicherheitsrat genehmigte multinationale Sicherheitsmission zur Unterstützung der haitianischen Polizei gegen die Banden kam bislang nicht zustande.
Die offizielle Bildung des Übergangsrats sorgte für positive Reaktionen. Das karibische Staatenbündnis Caricom, das eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit dem Übergangsrat gespielt hat, erklärte, dies zeige "die Möglichkeit eines Neuanfangs für Haiti". Ein US-Außenamtssprecher sagte, "diese Entwicklungen sind ein positiver Schritt zur Wiederherstellung der Sicherheit, ebnen den Weg für freie und faire Wahlen und zur Wiederherstellung der Demokratie und einer inklusiven Regierungsführung in Haiti".
Das UN-Büro in Haiti erklärte, es werde den politischen Prozess vor Ort weiterhin aufmerksam verfolgen. Die "internationale Unterstützung für die haitianische Polizei für die Wiederherstellung der Sicherheit und der Rechtsstaatlichkeit" bleibe "essenziell".