Paul Auster wird 75 Der New Yorker Geschichtenerzähler
Seine "New York Trilogie" machte ihn berühmt, er schrieb neben zahlreichen Romanen auch Drehbücher - und jetzt auch ein Sachbuch. Mit seinen nun 75 Jahren denkt der US-Schriftsteller Paul Auster nicht an Ruhestand.
Paul Auster ist fasziniert von der Macht des Zufalls. Dieses Motiv zieht sich durch sein gesamtes Werk. Überdeutlich in seinem bisher letzten Roman "4 3 2 1", das ein Leben in vier verschiedenen Versionen erzählt und das - diesmal nicht zufällig - seinem eigenen ähnelt. Auch Auster ist Nachfahre osteuropäisch-jüdischer Einwanderer, der in Newark in New Jersey aufgewachsen ist - und jetzt 75 Jahre alt wird.
"Ich bin dankbar, dass ich so viele Jahre hatte", sagt Auster. "Und ich hoffe, dass ich noch ein paar Jahre kommen. Aber wir werden sehen." Es könne auch heute schon vorbei sein. Er habe keine Ahnung.
Ein neuer Roman ist schon in Arbeit
Der Meister der zufälligen Wendungen hat Respekt vor dem Zufall. Und so ist Auster lieber vorsichtig. Die Omikron-Welle hat New York im Griff. Das Interview - zu dem er sonst gern in sein Haus in Park Slope in Brooklyn einlädt - will er diesmal lieber telefonisch führen.
"Kurz vor dem Anruf musste ich an etwas denken, das lustig und traurig ist", sagt Auster. "Als ich noch jünger war, hatte ich enge Freunde, die 20, 25 Jahre älter waren als ich. Irgendwann hat es angefangen, dass diese Männer von der Toilette zurück kamen und vergessen hatten, ihren Hosenlatz zuzumachen. Ich dachte dann immer, der arme Kerl wird alt. Das ist der Anfang vom Ende. Und in den letzten zwei Jahren merke ich, dass mir das auch immer öfter passiert. Das ist wohl ein Zeichen, dass ich jetzt richtig alt werde."
Auch mit 75 Jahren will Auster sich nicht zur Ruhe setzen.
Doch an Ruhestand denkt Auster nicht. Gerade hat er sein erstes Sachbuch veröffentlicht: Eine Hymne auf den vergessenen US-Autoren Stephen Crane. Im Sommer hat er einen langen Essay zur Waffengewalt in den USA abgeschlossen. Und ein neuer Roman ist auch schon in Arbeit. Dabei sah es lange nicht so aus, als würde Auster mit den Schreiben Erfolg haben.
Ich glaube, "Stadt aus Glass", den ersten Teil der "New York Trilogie", haben 17 Verlage abgelehnt. Das war ein entscheidender Moment in meinem Leben. Statt zu verzweifeln habe ich weitergeschrieben. Als ich schon beim dritten Band war, hat sich ein kleiner Verlag gefunden. Nicht in New York, sondern in Los Angeles. Und so ist die "New York Trilogie" in Kalifornien veröffentlicht worden, was schon ziemlich skurril ist.
Durchbruch mit 40 Jahren
Entgegen allen Erwartungen wurden die experimentellen Kriminalgeschichten der Trilogie ein großer Erfolg. Der Durchbruch für den damals schon 40-jährigen Auster, der zuvor nur einige kleine Lyrik-Bände veröffentlicht hatte. Mit Romanen, wie "Mr. Vertigo" oder "Buch der Illusionen" wurde er zum gefeierten Bestseller-Autoren, der in Europa bis heute populärer ist als in den USA. Seine Geschichten spielen oft in Brooklyn, wo er seit fast 50 Jahren mit seiner zweiten Ehefrau, der norwegisch-amerikanischen Schriftstellerin Siri Hustvedt lebt:
Ich hatte meinen Teil an Tragödien, Ärger und Enttäuschungen im Leben. Aber die ganze Zeit haben mich meine Arbeit und die Liebe zu Siri über Wasser gehalten. Ich bin wirklich dankbar, dass ich sie gefunden habe. Und die Arbeit, die ich liebe.
Dazu gehörten auch Filme, wie "Smoke" und "Blue in the Face" über einen kleine Tabakladen in Brooklyn, für die Auster die Drehbücher geschrieben hat. Oder "Lulu on the Bridge", bei dem er auch Regie geführt hat. Mit dem Film hat er aber abgeschlossen. Zu aufwändig, sagt er. Die Zeit, die ihm bleibt, will er schreiben. Und sich weiter politisch engagieren.
Auster engagiert sich gegen Trump
Wenn es so weitergehe, dann trete Trump bei den nächsten Wahlen wieder an. Und selbst wenn er verliere, breche die Hölle los. "Das wird dann nicht mehr so glimpflich ablaufen wie am 6. Januar beim Sturm aufs Kapitol", sagt Auster. "Das wird dann wirklich so etwas wie ein Bürgerkrieg in den USA."
Schon vor der Präsidentschaftswahlen 2020 hatte Auster zusammen mit anderen Schriftstellern die Initiative "Writers against Trump" gegründet, die jetzt "Writers for Democratic Action" heißt. Das Ziel, möglichst viele Menschen zum Wählen zu motivieren, um doch noch das Schlimmste zu verhindern.
"Ich bin nicht besonders optimistisch", sagt Auster. "Aber ich habe auch noch nicht aufgegeben. Wir müssen jetzt kämpfen, damit dieses Land eine Zukunft hat. Wir haben die Ärmel hochgekrempelt und tun alles, was wir können. Und wenn es noch so wenig ist."