Volkskongress in Peking "Hinter den Kulissen knirscht es gewaltig"
Formal betrachtet läuft es gut in China: Starkes Wirtschaftswachstum, viele neue Jobs. Doch es gibt große Probleme, etwa am Immobilien- und Aktienmarkt. Experten sind daher gespannt, ob der Volkskongress diese angeht.
Manche Dinge ändern sich nicht: Beim Einzug der Staats- und Parteispitze unter Führung von Generalsekretär Xi Jinping klatschen die rund 3.000 Delegierten zur Marschmusik.
Nach dem Absingen der Nationalhymne trägt der Ministerpräsident wie jedes Jahr seinen Arbeitsbericht vor. Im Fokus dabei: die Wirtschaft. "Die wichtigsten Entwicklungsziele in diesem Jahr sind ein Wachstum von etwa fünf Prozent und die Schaffung von über zwölf Millionen Jobs in den Städten. Die Arbeitslosenquote dort soll bei etwa 5,5 Prozent liegen."
Die Vorgaben zu erreichen sei nicht einfach, alle müssten sich anstrengen, so Ministerpräsident Li Qiang. Man müsse Stabilität gewährleisten. Gleichzeitig solle der Umbau des Wachstumsmodells weitergehen.
Viele Baustellen
2023 hat das Bruttoinlandsprodukt nach offiziellen Angaben um 5,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zugelegt. Deutlich mehr als in vielen anderen Ländern. Doch Chinas Wirtschaft hat zahlreiche Baustellen. Die Immobilienbranche steckt in der Krise, der Binnenkonsum ist schwach, Kommunen sind hochverschuldet, viele junge Leute finden keinen Job.
"Das wird eine interessante Veranstaltung", sagt deshalb Jörg Wuttke, ehemaliger Präsident der Europäischen Handelskammer in China. "Natürlich ist es wieder eine Jubelorganisation, fünf Prozent Wachstum, alles ist bestens - aber hinter den Kulissen knirscht es doch gewaltig."
Probleme auf Immobilien- und Aktienmarkt
Er beobachtet die Sitzungen in Peking seit längerem. 2023 sei enttäuschend gewesen, auch mit Blick auf den schwächelnden Immobiliensektor.
Das große Thema sei aber der Aktienmarkt: "Man hat innerhalb von ein paar Monaten so viel Geld verloren wie das Bruttosozialprodukt von Deutschland und Frankreich zusammengenommen: Acht Billionen US-Dollar sind verschwunden. Das sind eigentlich die Bereiche, die für die Leute interessant sind. Wir müssen sehen, welche Zeichen sie setzen, aber ich erwarte, ehrlich gesagt, nicht viel."
Sorgen wegen steigendem Militärbudget
Bei der Eröffnung der jährlichen Sitzung des Volkskongresses hat Chinas Führung auch bekannt gegeben, dass das Militärbudget in diesem Jahr um 7,2 Prozent steigen soll - wie bereits im vergangenen Jahr.
Die stets steigenden Militärausgaben werden international mit Sorge betrachtet - unter anderem, weil die Staats- und Parteiführung Taiwan regelmäßig mit Krieg droht. Die kommunistische Regierung betrachtet die Insel als eigenen Landesteil, obwohl Taiwan nie Teil der Volksrepublik war.
Keine Fragen von Journalisten erwünscht
Der Nationale Volkskongress tagt eine Woche lang. Die rund 3.000 nicht demokratisch legitimierten Delegierten segnen dabei jedes Jahr die Entscheidungen ab, die die Führung der Kommunistischen Partei bereits vorher beschlossen hat.
Manche Dinge ändern sich aber doch: Gestern gab ein Sprecher bekannt, dass Li Qiang zum Abschluss der Sitzung des Nationalen Volkskongresses in diesem Jahr und auch in den nächsten Jahren keine Pressekonferenz geben wird. In den vergangenen rund 30 Jahren war diese eine seltene Möglichkeit für Journalisten, dem Ministerpräsidenten Fragen zu stellen.
Gründe wurden keine genannt. Beobachter werten die Absage als weiteres Zeichen, dass sich Chinas Führung zunehmend abschottet - und dass der Ministerpräsident weiter entmachtet wird. Nur einer soll im Zentrum der Macht stehen: Staats- und Parteichef Xi Jinping.