Mitarbeiter einer Notaufnahme in Beirut, Libanon, warten auf Verletzte nach der Explosion Tausender Pager der Hisbollah-Mitglieder.
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Detonationen im Libanon Was ist über die Pager-Explosionen bekannt?

Stand: 18.09.2024 12:57 Uhr

Im Libanon sind viele Menschen durch Explosionen von Pagern getötet oder verletzt worden, nun wird Israel dafür verantwortlich gemacht. Was genau ist geschehen, wie konnten die Geräte zur Detonation gebracht werden - und was sind die Reaktionen?

Was ist passiert?

Am Dienstag um 15.30 Uhr explodierten im Libanon nahezu zeitgleich zahlreiche tragbare, Pager genannte, Funkempfänger. Dabei wurden mindestens zwölf Menschen getötet und etwa 2.800 verletzt, etwa 300 davon schwer, wie das libanesische Gesundheitsministerium am Mittwochmittag mitteilte.

Aus Krankenhäusern hieß es, die Menschen hätten vor allem Verletzungen an Augen, Händen und im Bauchbereich. Die Besitzer der Pager hatten sie in der Hand oder in ihren Hosentaschen, als sich diese erhitzten und explodierten. Fotos und Videos, die im Internet zirkulieren, zeigten Personen mit blutenden Händen und Blutflecken an den Hosen.

Explosionen wurden im gesamten Land gemeldet, vor allem in den von der pro-iranischen Hisbollah-Miliz kontrollierten Gebieten. Unter den Toten und Verletzten sollen viele Mitglieder der Hisbollah sein, auch solche der Elitetruppe Radwan. Zugleich waren auch Zivilisten von den Explosionen betroffen - unter den Toten befindet sich etwa auch ein Kind.

Genaue Angaben dazu, ob zu den Opfern auch Mitglieder in der Hisbollah-Führungsriege zählen, gibt es noch nicht.

Was sind Pager und warum nutzt die Hisbollah sie?

Pager sind kleine Kommunikationsgeräte, auf denen kurze Botschaften empfangen werden können. Sie waren verbreitet, bevor die Nutzung von Handys die Norm wurde.

Im Gegensatz zu Handys können Pager nicht geortet werden. Experten gehen daher davon aus, dass Pager ein für die Hisbollah sehr wichtiges Kommunikationssystem sind, um weniger anfällig für Überwachungsmaßnahmen oder Angriffe der elektronischen Kriegsführung zu sein.

Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah hatte seine Anhänger mehrmals vor dem Gebrauch von Smartphones gewarnt. Im Februar rief er seine Milizionäre dazu auf, ihre Smartphones wegzuwerfen. 

Wer ist verantwortlich, und wie konnten die Pager zur Explosion gebracht werden?

Wie und wo die Pager manipuliert wurden, ist noch weitgehend Gegenstand von Spekulationen. Bislang hat niemand den Angriff für sich reklamiert.

In Medienberichten wird davon ausgegangen, dass die Funkempfänger von israelischen Agenten vor ihrer Lieferung in den Libanon abgefangen und mit Sprengstoff präpariert wurden, so dass sie zu einem bestimmten Zeitpunkt explodieren konnten. So berichtet die New York Times, dass es dem israelischen Geheimdienst gelungen sei, eine Lieferung von Pagern abzufangen und in den Geräten einige Gramm Sprengstoff zu platzieren.

Auch die Hisbollah, sein enger Verbündeter Iran und die libanesische Regierung machen Israel für die Explosionen verantwortlich. So heißt es auch in libanesischen Sicherheitskreisen, der israelische Geheimdienst Mossad habe in den Pagern Sprengsätze platziert.

Ein Hisbollah-Funktionär sagte der Nachrichtenagentur AP, die Gruppe habe kürzlich Pager eines Herstellers erhalten, den sie zuvor nicht genutzt habe. Welcher Hersteller das war, sagte er nicht.

Die nun detonierten Pager trugen das Logo der Firma Gold Apollo. Die in Taiwan ansässige Marke dieser Funkempfänger hat eine Verbindung zu dem Vorfall von sich gewiesen. Laut dem Vorstand von Gold Apollo trugen die Geräte lediglich das dazugehörige Logo, wurden aber nicht von dem Unternehmen in Taiwan gefertigt. 

Vielmehr habe eine in Ungarn ansässige Firma die Funkgeräte entworfen und produziert: "Gemäß einer Vereinbarung ermächtigen wir BAC, unser Markenzeichen für den Verkauf von Produkten in bestimmten Regionen zu nutzen, aber Design und Herstellung werden vollständig von BAC übernommen", teilte Gold Apollo mit.

Mindestens neun Tote durch Pager-Explosionen im Libanon

Thomas Aders, SWR, tagesschau, 18.09.2024 12:00 Uhr

Was sind die Reaktionen und was bedeuten die Explosionen für die Lage in Nahost?

Aus Israel gibt es bislang keine offiziellen Äußerungen zu den Explosionen. Jedoch äußert sich Israel in der Regel nicht öffentlich zu Aktionen seiner Geheimdienste.

Die Hisbollah kündigte Vergeltung an. Ihr Chef Hassan Nasrallah wird nach Angaben der libanesischen Miliz am Donnerstag eine Rede halten. Seine Ansprachen geben allerdings selten konkrete Anhaltspunkte für Angriffspläne. Irans Außenministeriumssprecher Nasser Kanani sprach von "Massenmord" und einem "terroristischen Akt", der auf libanesische Bürger gezielt habe.

Nach Angaben aus Washington waren die USA über die bevorstehende Massenexplosion vorab nicht informiert und auch nicht daran beteiligt. Der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, sagte, man sammele im Moment Informationen. Zugleich mahnte die US-Regierung den Iran, nichts zu tun, was die derzeit angespannte Lage verschärft. "Wir möchten den Iran dringend bitten, diesen Vorfall nicht auszunutzen, um weitere Instabilität zu schaffen", sagte Miller.

Die libanesische Regierung teilte mit, dass sie sich auf alle möglichen Szenarien vorbereite - Im Mittelpunkt stünden dabei Notfallpläne für die Krankenhäuser und die Sicherstellung der Lebensmittelversorgung für die Bevölkerung.

Experten befürchten eine weitere Eskalation im Nahost-Krieg. Der libanesische Politikwissenschaftler Elie Al-Hindy vermutet folgendes Szenario: Die militärischen Auseinandersetzungen zwischen der Hisbollah, weiteren schiitischen Milizen in der Region und Israel würden wohl zunehmen. Der Iran werde sich aber nicht direkt an Kampfhandlungen beteiligen.

Verschiedene Fluggesellschaften kündigten an, bis auf Weiteres ihre Flüge in die Region auszusetzen. So teilte die Deutsche Lufthansa mit, alle Verbindungen von und nach Tel Aviv und Teheran bis 19. September auszusetzen und den israelischen und iranischen Luftraum zu umfliegen. Auch Air France setzt wegen der eskalierenden Sicherheitslage im Nahen Osten ihre Verbindungen nach Beirut und Tel Aviv aus.

Mit Informationen von Moritz Behrendt, ARD Kairo.