Zerstörtes Haus nach einem israelischen Angriff in Beirut
Überblick

Tötung von Hisbollah- und Hamas-Führern Was über die Angriffe von Teheran und Beirut bekannt ist

Stand: 31.07.2024 11:56 Uhr

Innerhalb weniger Stunden sind zwei Führer von mit Israel verfeindeten Terrororganisationen durch Raketenangriffe getötet worden - in Beirut und in Teheran. Was ist über die Attacken und ihre Hintergründe bekannt?

Wie kam es zu dem Angriff in Teheran?

Iranische Medien berichten, in der Nacht um 2.00 Uhr habe ein Geschoss ein Gebäude im Norden Teherans getroffen. Es diente offenbar auch als Residenz von Ismail Hanija, dem politischen Führer der Terrororganisation Hamas. Die Hamas teilte am Morgen mit, Hanija und mindestens einer seiner Leibwächter seien dabei getötet worden. Auch die iranischen Revolutionsgarden bestätigten den Tod Hanijas.

Christian Limpert, ARD Tel Aviv, zu der Meldung über den Tod eines Hisbollah-Führers

tagesschau24, 31.07.2024 09:00 Uhr

Simon Riesche, ARD Kairo, zzt. Beirut, zu den Angriffen auf Hamas- -und Hisbollah-Führer

tagesschau24, 31.07.2024 09:00 Uhr

Wieso hielt sich Hanija in Teheran auf?

Der Hamas-Anführer lebte seit 2019 in Katar und in der Türkei und leitete die Organisation vom Ausland aus. Immer wieder reiste er aber auch in den Iran. Am Dienstag hatte er in der iranischen Hauptstadt an der Vereidigung des neuen iranischen Präsidenten Massud Peseschkian teilgenommen. TV-Aufnahmen hatten ihn bei der Zeremonie im iranischen Parlament gezeigt sowie bei einer Begegnung mit Peseschkian im Präsidialamt. Fotos zeigen auch, dass Hanija mit dem obersten Führer des Iran, Ayatollah Ali Chamenei, zusammengekommen war.

Ajatollah Ali Chamenei (rechts) mit Ismail Hanija (Mitte) in Teheran (Quelle: Büro Ajatollah Ali Chamenei, aufgenommen am 30. Juli 2024)

Ihre letzte Begegnung: Am Dienstag empfing Irans oberster Führer Chamenei Hamas-Führer Hanija.

Wer steckt hinter dem Angriff?

Bislang hat sich niemand zu dem Angriff bekannt. Das iranische Nachrichtenportal Nournews meldete, es liefen noch Untersuchungen, etwa um zu klären, von wo aus das Geschoss abgefeuert worden sei. Irans oberster Führer Chamenei schrieb die Tat jedoch Israel zu und kündigte Vergeltung an. Hanija sei "ein lieber Gast in unserem Haus" gewesen, hieß es in Erklärung Chameneis auf dessen offizieller Webseite. "Wir betrachten seine Rächung als unsere Pflicht." Israel habe "sich selbst eine harte Strafe beschert".

Irans neuer Präsident Peseschkian wies indirekt auf Israel. Der Iran werde dafür sorgen, dass "die terroristischen Besatzer ihre feige Tat" bereuten, teilte Peseschkian laut staatlichen Medien mit. Der Begriff "Besatzer" wird im Iran auch synonym für Israel mit Bezug auf die palästinensischen Gebiete verwendet. Der Iran werde seine territoriale Integrität, Würde, Ehre und Stolz verteidigen, fügt Peseschkian in seiner Erklärung hinzu.

Die Hamas selbst machte Israel für die Tötung Hanijas verantwortlich. Die "feige Tat" werde "nicht unbeantwortet bleiben", sagte Musa Abu Marsuk, Mitglied des Hamas-Politbüros.

Auch aus Israel gibt es bislang keine offizielle Erklärung zu dem Angriff. Dies ist nicht ungewöhnlich - die Regierung und das Militär äußern sich in der Regel nicht zu Tötungen von Terroristen oder Menschen, die als Feinde des Landes gelten. Zwei der rechtsnationalen israelische Minister begrüßten aber den Angriff. "Hanijas Tod macht die Welt ein bisschen besser" schrieb Amichai Elijahu, Minister für das Kulturerbe, auf der Plattform X. Diasporaminister Amichai Chikli postete ein Bild Hanijas bei einer Versammlung, auf der der "Tod Israels" gefordert worden war. "Sei vorsichtig, was du dir wünschst", schrieb er als Kommentar.

Gibt es weitere Reaktionen?

In den palästinensischen Gebieten und von islamischen Staaten wurde die Tötung Hanijas scharf verurteilt. Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas bezeichnete sie als feige Tat und gefährliche Entwicklung. Er rief das palästinensische Volk zu Einheit und Standhaftigkeit angesichts der israelischen Besatzung auf. Die Palästinensische Befreiungsorgansation PLO, der Abbas angehört, und die Hamas waren viele Jahre erbitterte Rivalen um die Macht in den palästinensischen Gebieten. Erst kürzlich unterzeichneten sie in Peking aber eine Erklärung, mit der die Feindschaft beendet werden soll.

Das Emirat Katar sprach ebenfalls von einer gefährlichen Eskalation. Katar hatte sich seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober immer wieder um eine Waffenruhe in der Region und um eine Freilassung der von der Hamas genommenen Geiseln bemüht. In diese Verhandlungen war auch Hanija einbezogen. Zuletzt hieß es, in die Gespräche sei wieder etwas Bewegung gekommen.

Die Türkei, die gute Beziehungen zur Hamas unterhält, machte Israel für die Tat verantwortlich. Hanija sei durch einen "niederträchtigen Anschlag" in Teheran getötet worden, hieß es in einer Mitteilung des türkischen Außenministeriums. Damit verfolge Israel das Ziel, den Gaza-Krieg auf die Region auszuweiten. Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte Hanija zuletzt im April getroffen. Am Wochenende hatte er - ohne nähere Details zu nennen - mit einem militärischen Eingreifen in der Region gedroht.

Wie kam es zu dem Angriff in Libanon?

Am Dienstagabend (Ortszeit) kam es gegen 19.40 Uhr (Ortszeit) im Beiruter Stadtteil Haret Hreik, der als eine Hochburg der schiitischen Hisbollah-Miliz gilt, zu einer Explosion in einem Apartmentgebäude. Mehrere Stockwerke wurden dabei schwer beschädigt, auch ein benachbartes Gebäude wurde getroffen. Mindestens vier Menschen kamen ums Leben, Dutzende wurden verletzt.

Unter den Toten ist offenbar auch der ranghohe Hisbollah-Kommandeur Fuad Schukr. Das teilte später der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant in einem seltenen Statement zu einem solchen Angriff mit. Die Hisbollah hat den Tod ihres Kommandeurs bislang nicht bestätigt, aber am Morgen mitgeteilt, dass sich Schukr in dem Gebäude aufgehalten habe. Man warte noch auf Ergebnisse zu Untersuchungen über das Schicksal Schukrs, während Teams des Zivilschutzes daran arbeiteten, den Schutt am Angriffsort zu beseitigen.

Die staatliche libanesische Nachrichtenagentur berichtete, das Haus sei von drei Raketen getroffen worden, die von einer Drohne abgeschossen worden seien.

Wer war Farud Schukr?

Schukr galt als einer der führenden militärischen Vertreter der Hisbollah, nach israelischen Angaben war er die rechte Hand von Hisbollah-Chef Sayyed Hassan Nasrallah. Israel macht Schukr verantwortlich für den Raketenangriff auf die drusische Ortschaft Madschdal Schams auf den von Israel annektierten Golanhöhen mit zwölf Toten vor vier Tagen.

Israels Verteidigungsminister Gallant sagte am Dienstag, Schukr habe das Blut vieler Israelis an seinen Händen. Die Hisbollah hat dagegen jede Verantwortung für den Raketenangriff auf den Fußballplatz von sich gewiesen und erklärt, sie habe damit nichts zu tun.

Die Liste der Taten, die Schukr direkt oder indirekt zugeschrieben werden, reicht indes weit darüber hinaus. So werfen ihm die USA vor, eine wichtige Rolle beim Bombenanschlag auf Unterkünfte der US-Marine in Beirut im Jahr 1983 gespielt zu haben, bei dem 241 Marine-Angehörige getötet wurden. Die USA hatten deshalb auch ein Kopfgeld in Höhe von fünf Millionen US-Dollar auf ihn ausgesetzt.

Darüber hinaus spielte er nach US-Angaben eine wichtige Rolle beim Eingreifen der Hisbollah in den Bürgerkrieg in Syrien. Die Hisbollah hatte sich hier an die Seite des syrischen Herrschers Bashar al-Assad gestellt und damit wesentlich zum Machterhalt Assads beigetragen.

Clemens Verenkotte, ARD Tel Aviv, tagesschau, 31.07.2024 07:03 Uhr