Nach Anschlag auf Israelis Gewalteskalation im Westjordanland
Nur wenige Stunden nach einem palästinensischen Anschlag auf zwei Israelis im Westjordanland ist es dort zu mutmaßlichen Racheaktionen jüdischer Siedler gekommen: Diese setzten am Ort des tödlichen Anschlags palästinensische Häuser und Fahrzeuge in Brand.
Als Reaktion auf den tödlichen Anschlag auf zwei Israelis im Westjordanland haben israelische Siedler am späten Abend Palästinenser angegriffen. Palästinensische Medien berichteten von 30 Häusern und Fahrzeugen, die in dem Ort Hawara in Brand gesteckt worden seien. Dort waren die beiden Siedler nur Stunden zuvor von Palästinensern getötet worden.
Laut palästinensischem Gesundheitsministerium wurde mindestens ein Mensch bei den Ausschreitungen erschossen - allerdings ist noch unklar, wer den tödlichen Schuss abgefeuert hat. Der palästinensische Rote Halbmond berichtete von mindestens vier Schwerverletzten. Außerdem seien zahlreiche Menschen behandelt worden, weil sie Tränengas eingeatmet hätten. Die israelische Armee meldete, dass 15 Häuser und 25 Autos angezündet worden seien. Israelische Soldaten hätten neun palästinensische Familien aus ihren brennenden Häusern in Sicherheit gebracht.
Die Suche nach dem palästinensischen Tatverdächtigen dauerte derweil an. Angesichts der gefährlichen Eskalation der Lage teilte die Armee am Abend mit, sie werde ihre Truppen im Westjordanland um zwei Bataillone verstärken.
Israels Präsident verurteilt Selbstjustiz
Der israelische Präsident Isaac Herzog verurteilte die Racheakte scharf. "Das Gesetz in die eigenen Hände zu nehmen, zu randalieren und Gewaltakte gegen Unschuldige zu begehen - das ist nicht unsere Art", sagte er. Ministerpräsident Benjamin Netanyahu rief in einer Videobotschaft zur Ruhe auf. "Ich bitte Sie: Wenn das Blut kocht und das Gemüt erhitzt ist, nehmen Sie das Gesetz nicht in Ihre eigenen Hände."
Gipfeltreffen in Jordanien
Der Anschlag überschattete ein Treffen in Jordanien, bei dem Vertreter Israels, der Palästinensischen Gebiete und anderer Staaten über eine Deeskalation der zuletzt wieder aufgeflammten Gewalt berieten. Für Israel nahmen der Nationale Sicherheitsberater und der Chef des Geheimdienstes Shin Bet teil, für die palästinensische Seite der Chef des Geheimdienstes und Berater von Präsident Mahmud Abbas. Auch Delegationen aus Ägypten und den USA reisten zu dem Gipfel an - ein Zeichen, wie ernst die Lage vor Beginn des Fastenmonats Ramadan Ende März eingeschätzt wird.
In einer Erklärung drückten beide Seiten ihre Bereitschaft aus, die Lage zu deeskalieren, weitere Gewalt zu verhindern und letztlich auf einen "gerechten und langfristigen Frieden" hinzuarbeiten. Das teilte das Außenministerium in Amman mit.
Israel erklärte sich bereit, für vier Monate keine Gespräche über neue Siedlungen in den Palästinensischen Gebieten zu führen und sechs Monate lang keine neuen zu genehmigen. Beide Seiten hätten zudem darin übereingestimmt, den Status quo am Tempelberg in Jerusalem beizubehalten, unter dem es Juden nicht erlaubt ist, dort zu beten, hieß es weiter.
Im März soll es ein weiteres Treffen geben - dann in Ägypten.
Todesstrafe für Terroristen geplant
Die rechts-religiöse Regierung Israels brachte unterdessen die Einführung der Todesstrafe für terroristische Straftaten auf den Weg. Itamar Ben Gvir, Israels ultrarechter Minister für nationale Sicherheit, sagte, das Kabinett habe am Sonntag einen entsprechenden Beschluss gefasst. Schon am Mittwoch soll die Knesset, das israelische Parlament, erstmals darüber beraten. Es handelt sich um ein Wunschprojekt der radikalen Partei Otzmah Jehudit (Jüdische Stärke), dem Koalitionspartner von Premierminister Benjamin Netanyahus Likud-Partei.
Israel hatte die Todesstrafe für die meisten Straftaten und in Friedenszeiten 1954 abgeschafft. Für einige Fälle, darunter Genozid, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und gegen das jüdische Volk sowie im Krieg ist sie weiter zugelassen. Vollstreckt wurde sie seit 1954 nur einmal: 1962 wurde der Holocaust-Organisator Adolf Eichmann nach seinem Prozess in Jerusalem hingerichtet.
Generalstaatsanwältin: Gesetzesvorhaben verfassungswidrig
Die Generalstaatsanwältin Israels, Gali Baharav-Miara, hatte das Gesetzesvorhaben kritisiert und als verfassungswidrig bezeichnet. Außerdem könne das Gesetz nicht wie angedacht auf das Westjordanland ausgedehnt werden, weil israelisches Recht dort bisher gar nicht gelte.
Auch bezweifelte sie, dass die Todesstrafe abschreckend wirke, wie es die Regierung anführt. In anderen Gesetzesvorhaben arbeitet die israelische Regierung daran, das Oberste Gericht zu schwächen - so soll das Parlament künftig Entscheidungen des Gerichts, etwa über verfassungswidrige Gesetze, überstimmen können.