Krieg im Nahen Osten Was Netanyahu für den Gazastreifen plant
Ein demilitarisiertes Gebiet mit einer Pufferzone nach Israel, eine zivile Verwaltung ohne Terrorverbindung: Ministerpräsident Netanyahu hat offenbar einen Plan für Gaza nach dem Krieg vorgelegt.
Laut israelischen Medienberichten hat Premierminister Benjamin Netanyahu einen Plan vorgelegt, der die Zukunft des Gazastreifens beschreibt - ebenso noch einmal die Ziele des Gazakriegs: die Zerstörung der militärischen Fähigkeiten und der Verwaltungsstrukturen der Hamas und des Palästinensischen Islamischen Dschihad und die Rückkehr der Geiseln. Vom Gazastreifen dürfe keine Bedrohung mehr ausgehen heißt es in dem Papier.
Vorbereitungen laufen offenbar
Nach den Vorstellungen Netanyahus müsse Israel deshalb auch nach dem Krieg bis auf weiteres die "operative Freiheit" im Gazastreifen behalten. Dabei dürfte es auch um den künftigen Einsatz israelischer Soldaten in Gaza gehen. Die Rede ist von einer "Sicherheitszone" im Gazastreifen an der Grenze zu Israel.
Den Berichten zufolge sind israelische Einheiten schon seit Wochen dabei, eine rund einen Kilometer breite Pufferzone einzurichten und Gebäude in diesem Gebiet systematisch zu zerstören. Außerdem belegen Luftaufnahmen den Bau von Straßen, die israelischem Militär auch nach dem Krieg leichten Zugang in das Gebiet ermöglichen könnten.
Kontrolle über das gesamte Gebiet
Zur Südgrenze nach Ägypten heißt es, sie solle in Kooperation mit Ägypten und mit Hilfe der USA so gesichert werden, dass Schmuggel in den Gazastreifen - beispielsweise von Waffen - verhindert wird. Der Gazastreifen soll nach dem Krieg zu einem "demilitarisierten" Gebiet werden - und Israel soll danach das Mandat haben, das sicherzustellen.
Das Papier wiederholt eine alte Forderung Netanyahus: Israel müsse die Sicherheitskontrolle über das gesamte Gebiet westlich des Jordan erhalten. Das schließe nicht nur den Gazastreifen, sondern auch das völkerrechtswidrig besetzte Westjordanland mit ein.
Die Rolle der UNRWA
Die Finanzierung von Terrororganisationen im Gazastreifen soll künftig unterbunden werden. Es heißt, Israel werde außerdem darauf hinarbeiten, das Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge, UNRWA, zu schließen und dessen Aufgaben an andere internationale Hilfsorganisationen zu übertragen.
Israel hatte Dokumente vorgelegt, die beweisen sollen, dass Mitarbeiter von UNRWA sich am Terrorangriff vom 7. Oktober beteiligt haben. Die UN-Organisation stand auch vor dem Angriff der Hamas und anderer Terrororganisationen bereits in der Kritik. Israel stört sich ganz grundsätzlich am Auftrag der UNRWA und sieht in der Arbeit der Organisation eine Aufrechterhaltung des palästinensischen Flüchtlingsproblems.
Allerdings ist der Status von fast sechs Millionen Palästinenserinnen und Palästinensern auch in Jordanien, in Syrien und im Libanon seit Jahrzehnten ungeklärt. UNRWA war nach eigenen Angaben im Gazastreifen gegen einzelne Mitarbeiter vorgegangen und hat den Vorwurf, Terror zu unterstützen, entschieden zurückgewiesen.
Direkte Verhandlungen ohne Vorbedingungen
Auf ziviler Ebene sieht das Papier eine Verwaltung durch Vertreter aus dem Gazastreifen mit Erfahrung in diesem Bereich vor. Voraussetzung sei aber eine Deradikalisisierung der Bevölkerung unter Mithilfe arabischer Staaten. Der Wiederaufbau des Gebietes könne erst beginnen, wenn dieser Prozess eingeleitet sei und die Terrororganisationen im Gazastreifen zerschlagen seien.
Finanziert und durchgeführt werden soll der Wiederaufbau nach den Vorstellungen Netanyahus von Staaten, die "für Israel akzeptabel" sind. Erneut wird in dem Papier betont, dass eine Lösung mit den Palästinensern nur in direkten Verhandlungen ohne Vorbedingungen erreicht werden könne - Schritte von anderen Staaten wie die einseitige Anerkennung eines palästinensischen Staates werden kategorisch abgelehnt.
Entgegenkommen einerseits
In dem nun offenbar vorgelegten Plan kommt Netanyahu einer Forderung der militärischen Führung in Israel, aber auch von mehreren Staaten nach: Aus israelischen Sicherheitskreisen hatte es immer wieder geheißen, ohne einen solchen Plan könnten die militärischen Erfolge der israelischen Streitkräfte gefährdet werden, beispielsweise indem die Hamas die Kontrolle in Gebieten wiedergewinnt, aus denen Truppen bereits abgezogen sind.
Und Staaten wie die USA, aber auch Deutschland hatten immer wieder eine Perspektive für die Menschen im Gazastreifen und einen Plan für den Wiederaufbau gefordert.
Gegensätze andererseits
Einige der Punkte in dem Papier stehen aber im großen Gegensatz zu Vorstellungen von außen: So schlagen die USA vor, die Verwaltung des Gazastreifens künftig in die Hände einer neu aufgestellten palästinensischen Autonomiebehörde zu legen.
Arabische Staaten haben ein Engagement für den Wiederaufbau an eine konkrete Perspektive auf einen palästinensischen Staat geknüpft. Und die palästinensische Führung unter Mahmoud Abbas lehnt jede Regelung über die Köpfe der Palästinenser hinweg ab.
Das Papier, das Premierminister Netanyahu vorgelegt hat, nimmt auf diese Einwände keine Rücksicht, beziehungsweise wendet sich explizit dagegen.