Vereinzelte Angriffe Bröckelt die Waffenruhe im Libanon?
Trotz Waffenruhe im Libanon gibt es vereinzelte Angriffe. Bei israelischen Bombardierungen wurden mehrere Menschen getötet. Auch die Hisbollah feuerte Raketen ab. Die USA versuchen nun, Sorgen vor einem Scheitern des Abkommens zu zerstreuen.
Trotz Waffenruhe mit der Terrormiliz Hisbollah hat die israelische Luftwaffe erneut Ziele im Südlibanon bombardiert. Bei den bislang schwersten Angriffen seit Inkrafttreten des Abkommens vor gut einer Woche wurden landesweit mindestens elf Menschen getötet. In der südlichen Stadt Haris meldete Libanons Gesundheitsministerium mehrere Tote und einen Verletzten. Im Ort Talusah, rund vier Kilometer von der Demarkationslinie entfernt, waren es demnach mindestens vier Tote und zwei Verletzte. Details zur Identität der Opfer nannte die Behörde nicht.
Israels Militär erklärte, Terroristen sowie zahlreiche Abschussrampen und Einrichtungen der proiranischen Miliz bombardiert zu haben. Die Angaben des Militärs lassen sich derzeit nicht unabhängig überprüfen.
Hisbollah-Angriff auf völkerrechtswidrig besetzte Golanhöhen
Die Hisbollah hatte gestern eigenen Angaben zufolge erstmals seit Beginn der Waffenruhe eine israelische Stellung angegriffen. Die islamistische Terror-Miliz bekannte sich zu einem Angriff auf die Schebaa-Farmen, ein von Israel seit 1967 völkerrechtswidrig besetztes Gebiet an der Grenze zwischen Israel und dem Libanon im Norden der Golanhöhen.
Der Beschuss sei "als Warnung an Israel" gemeint gewesen, das "die Waffenruhe wiederholt" verletzt habe, teilte die Miliz mit. Es sei sinnlos, sich bei den internationalen Vermittlern zu beschweren, die mit der Überwachung des Abkommens beauftragt worden seien. Die israelische Armee hatte zuvor erklärt, dass die Hisbollah zwei Geschosse auf das Gebiet abgefeuert habe. Es sei niemand verletzt worden.
Libanon wirft Israel Dutzende Verletzungen des Abkommens vor
Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu beschuldigte die Hisbollah einer "schwerwiegende Verletzung" der Waffenruhe und kündigte eine Antwort "mit aller Kraft" an. Auch der israelische Verteidigungsminister Israel Katz kündigte auf der Plattform X eine "harte Antwort" an. Israel werde die Bestimmungen der Vereinbarung weiter erfüllen, sagte Netanyahu - ohne auf die jüngsten israelischen Angriffe einzugehen.
Die libanesische Regierung widersprach Israel deutlich. Parlamentssprecher Nabih Berri warf dem Nachbarland in einer Fernsehansprache vor, den Waffenstillstand in den vergangenen Tagen mehr als 50 Mal verletzt zu haben. Die Armee habe laut Berri Luftangriffe gestartet, Häuser in Grenznähe zerstört und den libanesischen Luftraum verletzt. Es handele sich um "aggressive Aktionen der israelischen Besatzungstruppen". Berri, ein Verbündeter der Hisbollah, hatte in den Gesprächen über die Waffenruhe stellvertretend für sie verhandelt.
USA: Waffenruhe halte "im Großen und Ganzen"
Angesichts der aufgeheizten Lage versuchen die USA zu beschwichtigen. "Im Großen und Ganzen hält die Waffenruhe", sagte John Kirby, Sprecher für nationale Sicherheit. Statt "Dutzenden Angriffen" gebe es nun "einen oder vielleicht zwei pro Tag", sagte Kirby mit Blick auf israelische Militäreinsätze.
Die von den USA und Frankreich vermittelte Waffenruhe-Vereinbarung sieht vor, dass die israelische Armee den Südlibanon innerhalb von 60 Tagen schrittweise verlässt. Die Hisbollah soll sich ihrerseits aus dem Grenzgebiet bis hinter den etwa 30 Kilometer von der Grenze entfernten Fluss Litani zurückziehen und ihre militärischen Stützpunkte auflösen. Lediglich die libanesische Armee und UN-Blauhelme der Friedensmission UNIFIL sollen vor Ort verbleiben.
Die Hisbollah hatte ihre Zustimmung zu der Vereinbarung nicht mehr wie zuvor an eine Waffenruhe im Gazastreifen geknüpft. Nach dem Großangriff der dort herrschenden Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 hatte die Hisbollah mit regelmäßigen Raketenangriffen vom Libanon aus eine zweite Front gegen Israel eröffnet.