OVKS Ein Sicherheitsbündnis für den Osten?
Kasachstans Präsident hat am Mittwochabend das von Russland geführte Sicherheitsbündnis OVKS um Beistand gebeten. Wenige Stunden später landeten russische Soldaten in Kasachstan. Wem dient das Bündnis?
Es ist eine Premiere in der 30-jährigen Geschichte der Organisation des Vertrages über die kollektive Sicherheit (OVKS): Erstmals kommt das von Russland geführte Sicherheitsbündnis der Bitte eines Mitgliedslandes um militärischen Beistand nach. Russische Fallschirmjäger landeten in Kasachstan, nur wenige Stunden nachdem Präsident Kassym-Schomart Tokajew um Unterstützung gegen eine "terroristische Bedrohung" im Land gebeten hatte.
Es war ausgerechnet Armeniens Premierminister Nikol Paschinjan, der den Beschluss der Organisation mitteilte, "angesichts der Bedrohung der nationalen Sicherheit und der Souveränität der Republik Kasachstan" ein Kontingent an "Friedenstruppen" zu entsenden, wie seine Regierung auf Twitter mitteilte.
Armenien hat derzeit den Vorsitz der OVKS inne - das Land, das im Frühjahr 2021 vergeblich um Beistand gebeten hatte, als es seine eigene Souveränität und Sicherheit durch Angriffe des Nachbarn Aserbaidschan auf sein Territorium bedroht sah. Doch weder Russland, noch eines der anderen Mitgliedsländer Belarus, Kasachstan, Kirgistan und Tadschikistan wollte den Bündnispartner im Rahmen der OVKS militärisch unterstützen. Die Organisation veröffentlichte nicht einmal eine Erklärung, wie die armenische Regierung beklagte.
Beistand nach Interessenlage
Dabei sieht Artikel 4 der OVKS-Charta eine Beistandspflicht vor: "Im Falle einer Aggression (eines bewaffneten Angriffs, der die Sicherheit, die Stabilität, die territoriale Integrität und die Souveränität bedroht) gegen einen Mitgliedstaat leisten alle anderen Mitgliedstaaten auf Ersuchen dieses Mitgliedstaates diesem unverzüglich die erforderliche Hilfe, auch militärischer Art."
Doch dieser Artikel wird offensichtlich nach Interessenlage ausgelegt. Im Fall Armeniens wollten die anderen OVKS-Staaten im Mai 2021nicht in den Grenzkonflikt mit Aserbaidschan eingreifen. Bei diesen Auseinandersetzungen mehr als sechs Monate nach Ende des Krieges um Bergkarabach ging es um den Grenzverlauf zwischen beiden Staaten. Auch internationale Beobachter sprachen von einem Eindringen aserbaidschanischer Streitkräfte auf armenisches Territorium. Russland verlegte angesichts der Eskalation in Armenien stationierte Truppen in das Grenzgebiet zu Aserbaidschan.
Die OVKS wurde auch nicht aktiv bei anderen Unruhen in der Region - zum Beispiel als der Grenzkonflikt zwischen Tadschikistan und Kirgistan Anfang 2021 eskalierte oder als Kirgistan 2010 die OVKS angesichts ethnischer Unruhen um Friedenstruppen bat. Russland kündigte damals nur die Entsendung von "Spezialkräften" an, ohne dies genauer zu erklären.
Im Falle Kasachstans wird hingegen militärische Einsatzfähigkeit demonstriert, vor allem vonseiten Russlands: Obwohl ein großer Teil der Streitkräfte derzeit an der Grenze zur Ukraine konzentriert sind, landeten innerhalb weniger Stunden russische Soldaten in Kasachstan.
Günstige Waffen aus Russland
Insofern erhielt die OVKS in den vergangenen Jahren wenig Aufmerksamkeit, wenngleich es Treffen zum Beispiel der Außenminister und militärischer Vertreter zu sicherheitsstrategischen Themen gab, gemeinsam Militärübungen abgehalten werden und es eine schnelle Eingreiftruppe gibt. Auch profitieren die Mitgliedsstaaten davon, dass sie von Russland Waffen zu vergünstigten Preisen kaufen können.
Doch verlängerten bereits 1999 Georgien, Aserbaidschan und Usbekistan ihre Mitgliedschaft nicht - Staaten, die unabhängig von Russland agieren wollen, das die OVKS dirigiert, während die anderen Staaten kaum untereinander kooperieren.
Das Eingreifen in Kasachstan weckt Erinnerungen an den Warschauer Pakt, als russische Truppen zur Niederschlagung des Aufstands 1968 in der damaligen Tschechoslowakei einmarschierten. Das Land büßte an Souveränität ein.
Was hat Putin vor?
Nun stellt sich erneut die Frage, was Moskau vorhat - diesmal in Kasachstan. Russlands Präsident Wladimir Putin hat die Staatlichkeit Kasachstans in der Vergangenheit in Frage gestellt. Etwa 3,5 Millionen Russen leben vor allem im Gebiet der Grenze Kasachstans zu Russland - und erst im Dezember erklärte Putin bei seiner jährlichen Pressekonferenz, dass die geringe Bevölkerungszahl Russlands ein "geopolitisches Problem" sei. Seit Jahren verfolgt Russland die Politik, in den Nachbarländern russische Pässe zu verteilen und mit der Verteidigung der russischen Bevölkerung zu drohen.
In Kasachstan wird sich nun zeigen, wozu der Einsatz der OVKS letztlich dienen soll - und wie weit Russland die Souveränität der Mitgliedsstaaten achtet.
Der Artikel wurde um zusätzliche Informationen zum Grenzkonflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan sowie zu den Unruhen 2010 in Kirgistan ergänzt.