Mohammed al-Baschir Ein Diplomingenieur für Syriens Übergang
Bislang war er Regierungschef in der Rebellenhochburg Idlib, jetzt übernimmt er die Geschäfte in ganz Syrien: Mohammed al-Baschir. Als Anführer einer Übergangsregierung steht er vor gewaltigen Herausforderungen.
Die Aufgabe gleicht einem Himmelfahrtskommando: ein Land zusammenhalten und befrieden, das fast 14 Jahre Bürgerkrieg und eine Terrorherrschaft hinter sich hat, aus unterschiedlichsten Religionsgruppen besteht und bislang unter dem Einfluss von Russland und dem Iran stand. Mohammed al-Baschir darf sich genau darum kümmern. Nach dem Sturz des Assad-Regimes ist er jetzt der Chef einer Übergangsregierung in Syrien.
Bislang war al-Baschir der Anführer einer Regierung in der Rebellenhochburg Idlib im Nordwesten des Landes. Die wurde von der islamistischen Miliz Hajat Tahrir al-Scham (HTS) ausgerufenen. Unter ihrer Führung haben Kämpfer am Wochenende die Hauptstadt Damaskus erobert und den langjährigen syrischen Machthaber Bashar al-Assad gestürzt. Für die kommenden Monate haben die Islamisten jetzt den Diplomingenieur al-Baschir ausgesucht, den Übergang in Syrien zu leiten.
Erst Entwicklungsminister, dann Regierungschef
Al-Baschir wurde 1983 in Dschabal Al-Sawija in der Provinz Idlib geboren. Nach dem Studium der Elektrotechnik an der Universität Aleppo und des Islamischen und Zivilen Rechts an der Universität Idlib arbeitete al-Baschir zunächst für die staatliche Gasgesellschaft Syriens und war lange Zeit gänzlich unbekannt.
Nach Jahren des Bürgerkriegs, der 2011 begann, wurde seine Heimatregion zur letzten Bastion der bewaffneten Regierungsgegner. In den vergangenen Jahren kontrollierten die HTS-Miliz und mit ihr verbündete Gruppen das Gebiet. 2017 riefen die Islamisten ihre "Heilsregierung" aus. Al-Baschir begann seine politische Laufbahn dort als Entwicklungsminister, im Januar wurde er Regierungschef.
Seine Regierung in Idlib hat eigene Ministerien sowie Justiz- und Sicherheitsbehörden und versorgt die von der staatlichen Infrastruktur abgeschnittene Bevölkerung in den oppositionellen Gebieten mit Dienstleistungen.
Ein am Montag veröffentlichtes Video zeigte den ersten Auftritt al-Baschirs außerhalb von Idlib. Der bärtige Mann ist darin - in einem eleganten grauen Anzug und mit einer goldenen Uhr - an der Seite HTS-Anführer Ahmed al-Scharaa zu sehen, der zuvor unter seinem Kampfnamen Abu Mohammed al-Dscholani aufgetreten war.
Experte sieht "immense" Herausforderungen
In Syrien existieren zahlreiche Gruppierungen mit verschiedenen Interessen und Zielen, die zudem von unterschiedlichen Akteuren im In- und Ausland unterstützt werden. Eine Führungsrolle auf nationaler Ebene in dem gespaltenen Land lässt sich also nicht mit der Verwaltung einer fünf Millionen Einwohner zählenden Rebellenregion vergleichen.
Laut dem Experten Radwan Ziadeh vom Arabischen Zentrum in Washington sind die Herausforderungen "immens", denen sich der neue Übergangsregierungschef al-Baschir stellen muss.
Al-Baschir für Rückkehr von Syrern in ihre Heimat
Und was sagt der "Neue" in Damaskus selbst? Am Dienstag gab al-Baschir dem Sender Al-Dschasira ein erstes Interview in neuer Funktion. Darin sagte er, die Aufgabe sei eine "große Herausforderung". Es sei für das syrische Volk nun an der Zeit, "Stabilität und Ruhe zu genießen" und zu wissen, dass die Regierung die Dienste erbringe, die es brauche.
In einem weiteren Interview mit der italienischen Zeitung Corriere della Sera rief er Syrer in aller Welt auf, in ihre Heimat zurückzukehren. "Mein Appell richtet sich an alle Syrer im Ausland: Syrien ist jetzt ein freies Land, das seinen Stolz und seine Würde wiedererlangt hat. Kommen Sie zurück!" Das Land solle wiederaufgebaut werden.
(Quelle: AFP, dpa)