Nach Umsturz in Syrien Islamisten versprechen Stabilität und Ruhe
Die neuen Machthaber in Syrien haben erklärt, dass es keinen weiteren Krieg geben wird. Stattdessen ist von Stabilität die Rede - der Islamisten-Chef gibt sich gemäßigt. Doch bei Beobachtern herrscht Skepsis.
Nach dem Sturz des Regimes von Baschar al-Assad durch islamistische Aufständische ist noch unklar, in welche Richtung sich Syrien entwickelt - stabilisiert sich das Land nach Jahren des Bürgerkrieges oder droht noch mehr Chaos? Geht es nach dem Anführer der siegreichen Islamisten, können sich die Syrer jetzt angeblich auf Ruhe einstellen. Ahmed al-Scharaa, der zuvor unter seinem Kampfnamen Abu Mohammed al-Dscholani aufgetreten war, hat nun versichert, dass das Land keinen weiteren Krieg erleben werde.
"Die Menschen sind vom Krieg erschöpft", sagte er bei einem Moschee-Besuch in Damaskus zum Sender Sky News. "Das Land ist also nicht bereit für einen weiteren und wird auch nicht in einen weiteren geraten."
Die Befürchtungen westlicher Staaten, dass das Blutvergießen in Syrien nach dem Sturz Assads weitergehen könnte, seien "unnötig". Die Gefahr sei von Assads Regierung und proiranischen Milizen ausgegangen. "Deren Beseitigung ist die Lösung", sagte Al-Scharaa.
Al-Baschir übernimmt Übergangsregierung
Personell herrscht immer mehr Klarheit: Der bisherige Regierungschef in der Rebellenhochburg Idlib, Mohammed al-Baschir, übernimmt die Führung einer Übergangsregierung. Bei einem Treffen in Damaskus besprachen er, Rebellenanführer Al-Scharaa und Minister der bislang amtierenden Regierung den Übergang.
Die Aufgabe sei eine "große Herausforderung", sagte Al-Baschir. Es handle sich um eine vorübergehende Lösung - "bis die Verfassungsfragen" geklärt sind. Er hoffe, dass die bisherigen Minister die neue Regierung in dieser Übergangszeit unterstützen werden. "Die Aufgaben der Übergangsregierung bestehen darin, die Sicherheit aufrechtzuerhalten, die Stabilität der Institutionen zu bewahren und den Zerfall des Staates zu verhindern."
In einem Interview mit dem Sender Al-Dschasira sagte Al-Baschir, nun sei es für das Volk an der Zeit, "Stabilität und Ruhe zu genießen" und zu wissen, dass die Regierung die Dienste erbringe, die es brauche.
Terrorexperte warnt vor Zielen der Islamisten
Entwickelt sich Syrien jetzt also hin zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit? Terrorismusexperte Peter Neumann hat da Zweifel. Zwar habe sich Rebellenführer Al-Scharaa vor Jahren vom Terrornetzwerk Al-Kaida losgesagt, sagte Neumann im ZDF. Seine Gruppe sei aber weiter islamistisch geprägt und habe das Ziel, eine Art Gottesherrschaft in Syrien einzuführen.
Der UN-Syrienbeauftragte Geir Pedersen rief die Miliz HTS und ihre Verbündeten auf, ihren "positive Botschaften" der Einheit an das syrische Volk nun Taten folgen zu lassen. Derzeit werde Syrien von einem "Flickenteppich" aus Gruppen kontrolliert. "Es ist wichtig, dass es nicht zu Konflikten zwischen den Gruppen kommt", sagte er.
Die neue EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas warnte, Syrien dürfe kein zweites Irak, Libyen oder Afghanistan werden. Konfessionelle Gewalt gelte es ebenso zu verhindern wie ein Wiederaufleben des Extremismus und ein Regierungsvakuum.