Aktivisten nehmen an einer Demonstration für die Klimafinanzierung auf dem UN-Klimagipfel COP29 teil

Streit um Klimahilfen für arme Länder UN-Klimakonferenz geht in Verlängerung

Stand: 22.11.2024 16:27 Uhr

Auf der UN-Klimakonferenz gehen die schwierigen Verhandlungen in die Verlängerung. Gestritten wird vor allem über finanzielle Hilfen für Entwicklungsländer. Ein Vorschlag über 250 Milliarden Dollar wurde als "trauriger Witz" bezeichnet.

Wegen eines erbitterten Streits über Klimahilfen in Billionenhöhe geht die UN-Klimakonferenz in Aserbaidschan in die Verlängerung. Zum planmäßigen Ende lagen nach zweiwöchigen Verhandlungen zwar Entwürfe für Abschlusstexte vor - doch diese sorgten für Empörung.

Zentraler Streitpunkt ist, wie stark die Finanzflüsse an Entwicklungsländer aufgestockt werden. Die Präsidentschaft schlug vor, dass vor allem die Industriestaaten bis 2035 jährlich 250 Milliarden US-Dollar mobilisieren - das wären zwar etwa 2,5 Mal mehr, als jetzt fließt. Allerdings steigt auch der Bedarf erheblich, von einem Inflationsausgleich ganz zu schweigen. 

Teilnehmerstaaten der Klimakonferenz konnten sich nicht auf gemeinsame Beschlüsse einigen

Norbert Hahn, ARD Moskau, zzt. Baku, tagesschau, 22.11.2024 20:00 Uhr

Entwicklungsstaaten fordern Summen in Billionenhöhe

Klimaschützer sprachen daher von einem "traurigen Witz". Der Deutschland-Chef von Greenpeace, Martin Kaiser, sagte: "Ein Waldbrand kann nicht mit einem Gartenschlauch gelöscht werden." Dutzende Entwicklungsstaaten hatten vehement Gelder in Billionenhöhe gefordert. Auch eine unabhängige UN-Expertengruppe kommt zu dem Schluss, dass der Bedarf an externer Hilfe bei rund 1.000 Milliarden US-Dollar pro Jahr bis 2030 beträgt - und sogar 1.300 Milliarden bis 2035.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock sagte, jetzt breche wie im Basketball die "Crunchtime" an. Die gesundheitlich angeschlagene Grünen-Politikerin kündigte an, dass sie - anders als am Morgen angekündigt - doch länger für die Verhandlungen auf der Klimakonferenz bleiben will. Zunächst war eine Abreise nach dem offiziellen Ende am Abend geplant. 

"Niemand ist wirklich verantwortlich"

Als Gesamtziel wird in dem fünfseitigen Textentwurf die Summe von mindestens 1,3 Billionen Dollar genannt, wobei auch Entwicklungsbanken und private Geldquellen eine wichtige Rolle spielen sollen, sowie weitere Geberländer. Oxfam-Experte Kowalzig kritisierte: "Niemand ist konkret für diesen Teil des Globalziels wirklich verantwortlich."

Die Klimaexpertin Viviane Raddatz von der Entwicklungsorganisation WWF sagte: "Es ist nicht klar, wie viel echte Zuschüsse und öffentliche Mittel hier einfließen sollen, und wie viel aus privaten Quellen kommt." Bill Hare vom Thinkthank ClimateAnalytics wies darauf hin, dem Wortlaut nach müsse das Ziel erst 2035 erreicht werden, so dass es eigentlich um eine Obergrenze gehe, nicht um eine Untergrenze. 

Entwicklungsländer pochen seit Jahren auf mehr Hilfe

Die EU einschließlich Deutschland und anderer Wirtschaftsmächte hatten während der Konferenz bis zum letzten Tag öffentlich gar keine Summen genannt oder angeboten. Vonseiten der Bundesregierung hieß es lediglich, es sei völlig unrealistisch, dass Gelder in Billionenhöhe jetzt aus den Haushalten kommen. Sie appellierten an Länder wie China und die reichen Golfstaaten, auch einzuzahlen. Das Problem: Nach einer alten UN-Logik gelten sie noch als Entwicklungsländer und daher als Empfänger von Hilfen.

Entwicklungsländer pochen seit Jahren auf mehr Hilfe. Ihr Argument: Sie selbst haben fast nicht zur Klimakrise beigetragen, daher müssten die reichen Staaten des Nordens ihrer historischen Verantwortung gerecht werden. Schon jetzt leiden vor allem im globalen Süden Millionen unter den Folgen der Erderhitzung. Beispiele sind Missernten und Hungerkrisen nach Dürren. Oder Zerstörungen nach Stürmen, Waldbränden oder Überschwemmungen. Experten warnen, dass dies Migrationsströme in Gang setzen kann. Und: Die Kosten des Nichtstuns seien zigmal höher und gar nicht mehr bezahlbar.

Scheitert die ganze Konferenz?

Wichtige Beschlüsse der Klimakonferenz in Dubai im Vorjahr wurden in dem Textentwurf nicht wörtlich aufgenommen - wohl auf Druck Saudi-Arabiens, wie Beobachter und Experten mutmaßen. Konkret sind dies drei Ziele: das Bekenntnis zur Abkehr von Öl, Gas und Kohle, die Verdreifachung des Ausbaus der erneuerbaren Energien und die Verdoppelung der Energieeffizienz bis 2030.

Dazu gibt es nur noch einen Verweis - was aus Sicht der Umweltorganisation Germanwatch immer noch eine solide Beschlusslage und kein inhaltlicher Rückschritt wäre. Für Deutschland und die EU wäre es enttäuschend, wenn diese wichtigen Formulierungen nicht wiederholt werden. Allerdings: Eine mögliche Einigung beim Thema Geld - und damit die ganze Konferenz - scheitern zu lassen, hätte ebenfalls einen hohen Preis. 

Kritik am Gastgeber Aserbaidschan

Germanwatch-Experte Christoph Bals bezweifelte, dass der Prozess bei der aserbaidschanischen Präsidentschaft in guten Händen ist: "Es ist für mich nicht klar, welches Spiel die Präsidentschaft spielt." Die Ex-Sowjetrepublik, von Staatschef Ilham Aliyev mit eisenharter Hand regiert, hofft auf einen Imagegewinn durch die Ausrichtung der Mammutkonferenz mit Zehntausenden Teilnehmern. Doch gab es von Anfang an kritische Fragen, ob ein Petrostaat, dessen Exporterlöse zu 90 Prozent auf Öl und Gas kommen, glaubwürdig eine Klimakonferenz ausrichten kann.

Während der Konferenz zeigte sich dann, dass die Präsidentschaft zwar viel Selbstbewusstsein, aber wenig Ehrgeiz hat. Für Experten war offensichtlich, dass ihr Team schlecht vorbereitet war. Verhandler sprachen hinter vorgehaltener Hand von teils chaotischen Zuständen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 22. November 2024 um 16:40 Uhr.