Kampf gegen Erderwärmung Wie kommen wir aus dem Klima-Koma?
Die Erkenntnisse liegen auf dem Tisch - und die Auswirkungen des Klimawandels zeigen sich auch immer deutlicher. Trotzdem passiert zu wenig. Warum? Und wie kann sich das ändern?
Es ist gerade alles ein bisschen viel auf einmal: Eine Krise reiht sich an die andere, die Welt steckt voller Konflikte und Kriege. Und dann ist da noch die Erderwärmung. Ein Vorgang, der so komplex und unbeherrschbar zu sein scheint und jede Menge unangenehme Veränderungen mit sich bringt.
Da zieht man doch lieber die Decke über Augen und Ohren und begibt sich ins Klima-Koma. So richtig was ändern kann man jetzt ja sowieso nicht mehr, wo das 1,5-Grad-Ziel kaum noch erreichbar ist. Oder?
Wir wissen immer noch nicht genug
Falsch. Es gibt durchaus einiges, was wir tun können. Zunächst mal: hinschauen. Die Psychologin und Mitgründerin der Organisation Psychologists for Future, Lea Dohm, beobachtet, dass Menschen nicht gerne mit dem Klimawandel konfrontiert werden. Aber er sei nun mal Tatsache und die Dimension so groß, dass er alle unsere Lebensgrundlagen berühre. Deshalb bleibe keine andere Wahl, als ihn immer wieder zu thematisieren.
Vor allem sei vielen Menschen die Tragweite des Problems immer noch nicht bewusst, sagt Dohm. Sie hätten noch nicht verstanden, dass die Auswirkungen des Klimawandels sie persönlich im Alltag treffen werden. "Zum Beispiel ihren Versicherungsstatus, ihre Finanzen, ihren Beruf, die Zukunftsplanung der Kinder und so weiter. Da müssen wir Aufklärungsarbeit leisten."
Wir brauchen also noch mehr praktisches Klimawissen und konkrete Handlungsmöglichkeiten. Am besten von Anfang an, als fester Bestandteil in Kita und Schule. Bildung gehört zu den sozialen Kipppunkten, die Wissenschaftler identifiziert haben. Gemeint ist damit: Wenn das Verhalten einer bestimmten Menge von Menschen plötzlich von vielen übernommen wird und so eine unumkehrbare Entwicklung auslöst. Und diese Menge muss nicht groß sein.
Trends durch das Handeln Einzelner
Thomas Scheffer, Soziologie-Professor an der Frankfurter Goethe-Universität, sagt: "Wir wissen, dass es eigentlich recht wenige Menschen braucht, um eine Art soziale Ansteckung vom Zaun zu brechen." Das könne man selbst beobachten, wenn zum Beispiel in einem Dorf ein Mensch eine Solaranlage auf seinem Dach montiere. Dann gebe es schnell Nachahmer. So kann durch das Handeln Einzelner ein Trend entstehen, der sich positiv auf das Klima auswirkt - und längerfristig auch für den Geldbeutel und für die Gesundheit.
Problembewusstsein in der Bevölkerung sieht Scheffer als eine wichtige Säule, damit der Umstieg in eine klimaneutrale Welt gelingt. Nötig sei aber ein Dreiklang aus Realitätssinn, technischem Fortschritt und politischem Handeln. Beispielsweise indem der Staat seine Subventionen klimagerecht gestaltet und statt Dienstwagen das Ticket für den ÖPNV mitfinanziert.
Jetzt die Solarzelle montieren
Grundsätzlich kann aber jede und jeder den Klimaschutz voranbringen. Allein schon durch die Wahl von Parteien und Personen, die das Thema befördern. Und so den Klimaschutz aus dem Abseits holen. Denn Thomas Scheffer beobachtet, dass es sich in der Politik offenbar gerade mehr lohne, den Klimawandel zu leugnen oder auf die lange Bank zu schieben, als sich dem Problem zu stellen. Klimawandel sei zu einem politischen Verliererthema geworden, das müsse aber nicht so bleiben.
Hilfreich findet der Soziologie-Professor außerdem gerade jetzt gezielte Kaufentscheidungen, die dem Markt signalisieren, dass klimafreundliche Produkte gewünscht sind. Sei es ein Balkonkraftwerk, Solarzellen auf dem Dach oder eine Wärmepumpe. "Auch wenn es in der ein oder anderen Hinsicht noch mit Unsicherheit behaftet ist zu sagen: Wir helfen jetzt, es mit über die Klippe zu schieben."
Politische Teilhabe bringt am meisten
Konsumentscheidungen sind ein wichtiger Hebel, wenn es darum geht, den Klimaschutz voranzubringen. Aber noch wichtiger findet Psychologin Lea Dohm, selbst aktiv zu werden. "Die wirklich wichtigen Faktoren liegen in politischer Partizipation, dass wir gemeinschaftlich gegen etwas vorgehen und uns einbringen. Vielleicht auch mal einen Brief oder eine Mail schreiben, wenn irgendwo was schiefläuft."
Dohm empfiehlt, sich Handlungsmöglichkeiten zu suchen und am besten mit anderen zusammenzutun. Das schafft Gemeinschaft und hilft, raus aus dem Klima-Koma zu kommen. Und es stärkt das Gefühl, nicht hilflos zu sein, sondern der drohenden Klimakatastrophe etwas entgegensetzen zu können.