Der Braunkohletagebau "Hambacher Forst".
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Kampf gegen die Erderwärmung Was können Klimakonferenzen überhaupt bewirken?

Stand: 13.11.2024 15:12 Uhr

Seit bald 30 Jahren treffen sich auf der UN-Klimakonferenz jedes Jahr fast 200 Staaten. Trotzdem sind die Treibhausgase seitdem deutlich gestiegen. Kann das Klima auf den Treffen überhaupt gerettet werden?

Von Janina Schreiber, SWR

Wer einen der bekanntesten deutschen Klimaforscher danach fragt, was er sich von der Weltklimakonferenz erwartet, der bekommt eine prompte Antwort: "Gar nix." Mojib Latif ist Meteorologe und Klimaforscher am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel.

Er verweist auf den "explodierenden" CO2-Ausstoß weltweit, seit Beginn der Konferenzen um 60 Prozent, und fordert lieber: Handeln statt Verhandeln. Die Klimakonferenzen seien eine Beruhigungspille geworden: "Die Menschen sollen das Gefühl haben, die Politik kümmert sich."

Ein Grad weniger seit Paris 2015

Dabei hätte die Klimakonferenz 2015 in Paris einen wichtigen Meilenstein markiert, sagt Lutz Weischer, Leiter des Berliner Büros der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch. Vor dem Pariser Klimagipfel steuerten wir auf dreieinhalb bis vier Grad zu. Mittlerweile steuern wir auf 2,7 Grad Erderhitzung zu. "Das ist schon mal ein ganzes Grad weniger." Es sind die Zahlen des Weltklimarats, die auf Weischers Argument einzahlen - auch wenn eine Begrenzung der Erderhitzung auf knapp drei Grad noch immer dramatische Folgen für uns bedeuten würde.

Schon seit zehn Jahren beobachtet Weischer die Klimakonferenzen - für ihn jedes Jahr DAS Event für das Klima. Denn eben diese öffentliche Bühne sei so wichtig, damit der nötige Druck entsteht. Verursacht durch die Anwesenheit von Staats- und Regierungschefs, Journalisten und Aktivistinnen und auch dem UN-Generalsekretär: "Wenn die Gefahr besteht, dass der UN-Generalsekretär mich darauf anspricht, dass meine Klimapolitik nicht ausreichend ist oder dass die New York Times darüber schreibt, ist das auch für Politiker und Politikerinnen ein anderer Anreiz", erklärt Weischer.

Klimakonferenzen schaffen Druck

Das Pariser Abkommen sieht vor, dass die Staaten sich außerdem alle fünf Jahre neue - im besten Fall - ambitioniertere Klimaziele setzen müssen. Die werden dann im versetzen Turnus geprüft. Dieser Druck auf Ebene der Vereinten Nationen habe selbst autokratische Staaten schon dazu bewegt, sich zu Zielen zu bekennen.

Auch für China gelte das. Das chinesische Klimaziel ist, einen Peak der Klimagas-Emissionen vor 2030 zu erreichen und Klimaneutralität bis 2060. Die Politik Chinas richte sich danach auch aus, sagt Weischer: "Der Wunsch, auf der Weltbühne gut dazustehen, den haben auch autokratisch regierte Staaten."

Andere Foren wie G20 oder G7

Dennoch: Die Prognosen der Erderhitzung haben sich nur minimal verbessert, an der Umsetzung hapert es weiterhin. Klimaforscher Latif schlägt ein anderes Forum vor. Die G20-Länder verursachen fast 80 Prozent der weltweiten Emissionen: "Wenn man sich in der Runde mal treffen könnte, wäre das vielleicht zweckmäßiger", so Latif. Dort könnten Kooperationen beschlossen werden, bei denen die G20 - unter ihnen ist auch Deutschland - voneinander profitieren könnten.

Dabei sei ein entscheidender Vorteil der Klimakonferenzen, dass eben alle Staaten mit am Tisch sitzen, nicht nur große Industrienationen, Ölstaaten und Schwellenländer, sagt Lutz Weischer von Germanwatch: "Wenn ich die Klimaverhandlungen allein in die G20 verschieben würde, würde ich die ambitionierten Länder verlieren." Das seien meist kleine Staaten, zum Beispiel in Zentralafrika, die am meisten unter den Folgen der Klimakrise leiden und deshalb starke Ziele fordern. "Die Bremser wie Russland oder Saudi-Arabien hätte ich aber immer noch dabei. Denn die sind Teil der G20."

Klimaklagen Beweis für Erfolg der Klimadiplomatie?

Trotz inklusivem Prozess, trotz Druck auf großer Weltbühne. Das Problem der Umsetzung bleibt. Für dessen Lösung sieht Weischer einen Hoffnungsschimmer. Denn auch wenn die Vereinten Nationen wenig Sanktionierungsmöglichkeiten haben, wenn das auf den Klimakonferenzen entstehende Völkerrecht nicht eingehalten wird - in den vergangenen Jahren sei ein Trend zu Klimaklagen und Gerichtsurteilen erkennbar: "Und Richterinnen und Richtern ist das sehr wohl klar, dass Völkerrecht die Länder bindet." Ein Beispiel dafür: Das wegweisende Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2021. Argument dabei: das 1,5-Grad Ziel, damals beschlossen auf der Weltklimakonferenz in Paris.

COP28: Tausende fossile Lobbyisten

Trotz seines Plädoyers: Luft nach oben gebe es natürlich immer, sagt Weischer. Die Klimakonferenzen seien in den vergangenen Jahren zwar deshalb größer geworden, weil das komplexe Thema Klimakrise eben viele Bereiche umfasse: Finanzen, Landwirtschaft, Ernährung. Doch gleichzeitig müssten die UN kritischer hinschauen, wie viel Präsenz von Unternehmenslobbys dort ist, die ihr Geld mit einem Geschäftsmodell verdienen, das die Klimakrise befeuert: "Ob das jetzt Öl- und Gaskonzerne sind, Unternehmen der konventionellen Agrarwirtschaft oder Plastikhersteller, da könnten die UN strengere Regeln setzen. Das wäre eine deutliche Verbesserung des Prozesses."

Klar ist: Klimaschutz funktioniert nur, wenn alle ihn auf ihre Agenda bringen. Klimakonferenzen können dazu im besten Fall einen Beitrag leisten. Die schnelle Umsetzung darf trotzdem nicht vergessen werden. Denn, das betonen Klimaforschende immer wieder: Jedes Zehntel Grad zählt!

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 13. November 2024 um 06:00 Uhr.