EU nimmt Friedensnobelpreis entgegen "Wir kennen unsere historische Verantwortung"
So viel Lob für die EU war selten: Bei der Verleihung des Friedesnobelpreises wurde immer wieder der Beitrag der Union für den Frieden und die Menschenrechte in Europa gewürdigt. Und ein besonderes Lob erfuhr die deutsch-französische Freundschaft - zur Freude der angereisten Politiker.
Von Tim Krohn, ARD-Hörfunkstudio Stockholm, zurzeit Oslo
Die Kanzlerin war beeindruckt. "Wir hatten eine wunderbare Zeremonie, für uns Europäer, die wir in einer nicht einfachen Situation sind. Und wir gehen ermutigt nach Hause, wir sind beeindruckt und wir kennen unsere historische Verantwortung." An diese historische Verantwortung wurde mehrfach erinnert bei der Preisverleihung. Auch auf Deutsch: "Ich bin ein Europäer." Der Europäer, der dies sagte, war der Ratspräsident der EU, der Belgier Hermann van Rompuy.
In seiner Dankesrede benutzte er noch ein anderes deutsches Wort, nämlich das der "Freundschaft", auf Französisch "Amitié": "Jedes Mal, wenn ich diese Worte höre, berührt mich das. Das sind ganz private Worte, wie man sie eigentlich nicht kennt zwischen Staaten. Aber der Wille, etwas radikal neu zu denken, war so groß, dass man dafür neue Worte finden musste."
Die Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich wurde heute immer wieder als großer Motor der europäischen Einigung gewürdigt. Dass Merkel und der französische Präsident Francois Hollande beide bei der Verleihung des Friedensnobelpreises in Oslo dabei waren, sorgte für großen Applaus.
Das mache diesen Tag ganz besonders symbolisch, so formulierte es der Chef des Nobelkomitees, Thorbjörn Jagland, in seiner Rede. Ihm ist es zu verdanken, dass die Preisverleihung nicht nur ein wohlmeinender Blick zurück auf 60 Jahre EU-Geschichte geblieben ist. Jagland nahm mehrfach Bezug auf die aktuellen Probleme der Union.
Seine Laudatio war ein mahnender Appell in Zeiten der Krise. "Wir müssen zusammenstehen. Wir tragen eine kollektive Verantwortung. Europa muss vorwärts gehen. Es muss das Erreichte hüten und das Geschaffene verbessern. Nur so können wir die von der Finanzkrise geschaffenen Probleme zum Wohle aller lösen."
Das große europäische Erbe dürfe nie mehr verspielt werden, sagte Jagland - darum der Preis, darum gerade jetzt: "Mitten in einer schwierigen Zeit für Europa wollte das norwegische Nobelkomitee daran erinnern, was die Europäische Union für den Frieden in Europa wirklich bedeutet."
Jagland erinnerte vor allem an die Gründerväter der Union und auch an die Zeiten des Mauerfalls. Und wieder fiel ein deutscher Name. "Das, was in den Monaten und Jahren nach dem Fall der Berliner Mauer geschah, ist vermutlich die größte Solidaritätshandlung aller Zeiten auf dem europäischen Kontinent. Dieser kollektive Kraftakt hätte nicht ohne das politische und wirtschaftliche Gewicht der EU vollbracht werden können. Deshalb ehren wir heute auch die Bundesrepublik Deutschland und ihren damaligen Kanzler Helmut Kohl."
Nachdenklichkeit und hier und da auch das notwendige bisschen Pathos. Der Nobelpreis für die EU in Anwesenheit von einem ganzen Dutzend Staats- und Regierungschefs - die Spitzen der Union und das Nobelkomitee fanden die richtigen Worte in einem würdevollen Rahmen.