EU nimmt Friedensnobelpreis entgegen "Wir kennen unsere historische Verantwortung"

Stand: 10.12.2012 20:22 Uhr

So viel Lob für die EU war selten: Bei der Verleihung des Friedesnobelpreises wurde immer wieder der Beitrag der Union für den Frieden und die Menschenrechte in Europa gewürdigt. Und ein besonderes Lob erfuhr die deutsch-französische Freundschaft - zur Freude der angereisten Politiker.

Von Tim Krohn, ARD-Hörfunkstudio Stockholm, zurzeit Oslo

Die Kanzlerin war beeindruckt. "Wir hatten eine wunderbare Zeremonie, für uns Europäer, die wir in einer nicht einfachen Situation sind. Und wir gehen ermutigt nach Hause, wir sind beeindruckt und wir kennen unsere historische Verantwortung." An diese historische Verantwortung wurde mehrfach erinnert bei der Preisverleihung. Auch auf Deutsch: "Ich bin ein Europäer." Der Europäer, der dies sagte, war der Ratspräsident der EU, der Belgier Hermann van Rompuy.

In seiner Dankesrede benutzte er noch ein anderes deutsches Wort, nämlich das der "Freundschaft", auf Französisch "Amitié": "Jedes Mal, wenn ich diese Worte höre, berührt mich das. Das sind ganz private Worte, wie man sie eigentlich nicht kennt zwischen Staaten. Aber der Wille, etwas radikal neu zu denken, war so groß, dass man dafür neue Worte finden musste."

Die Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich wurde heute immer wieder als großer Motor der europäischen Einigung gewürdigt. Dass Merkel und der französische Präsident Francois Hollande beide bei der Verleihung des Friedensnobelpreises in Oslo dabei waren, sorgte für großen Applaus.

Das mache diesen Tag ganz besonders symbolisch, so formulierte es der Chef des Nobelkomitees, Thorbjörn Jagland, in seiner Rede. Ihm ist es zu verdanken, dass die Preisverleihung nicht nur ein wohlmeinender Blick zurück auf 60 Jahre EU-Geschichte geblieben ist. Jagland nahm mehrfach Bezug auf die aktuellen Probleme der Union.

Seine Laudatio war ein mahnender Appell in Zeiten der Krise. "Wir müssen zusammenstehen. Wir tragen eine kollektive Verantwortung. Europa muss vorwärts gehen. Es muss das Erreichte hüten und das Geschaffene verbessern. Nur so können wir die von der Finanzkrise geschaffenen Probleme zum Wohle aller lösen."

Das große europäische Erbe dürfe nie mehr verspielt werden, sagte Jagland - darum der Preis, darum gerade jetzt: "Mitten in einer schwierigen Zeit für Europa wollte das norwegische Nobelkomitee daran erinnern, was die Europäische Union für den Frieden in Europa wirklich bedeutet."

Bilder

Seit 1901 wird der Friedensnobelpreis verliehen - eine Auswahl der Preisträger

Maria Ressa und Dimitri Muratow

2021 werden die Journalistin Maria Ressa von den Philippinen und der Journalist Dmitri Muratow aus Russland mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Das norwegische Nobelkomitee zeichnete sie für ihren Einsatz für die Meinungsfreiheit aus.

Logo ICRC

Neben zahlreichen Personen wurden auch immer wieder Organisationen mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (ICRC) war bereits dreimal Preisträger: 1917, 1944 und 1963.

Aristide Briand und Gustav Stresemann

Als erster Deutscher erhielt Außenminister Gustav Stresemann (rechts) den Friedensnobelpreis. Zusammen mit dem französischen Außenminister Aristide Briand (links) wurde er 1926 für das Zustandekommen des Vertrags von Locarno geehrt.

Logo UNHCR

1954 und 1981 wurde das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen für seine weltweite humanitäre Hilfe ausgezeichnet.

Logo UNICEF

1965 bekam das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen den Preis zuerkannt. Die Organisation wurde im Dezember 1946 gegründet und sollte zunächst Kindern nach dem Zweiten Weltkrieg helfen.

George Bush und Michail Gorbatschow

Formell besiegelt wurde das Ende des Kalten Krieges von Gorbatschow und US-Präsident George Bush beim Gipfeltreffen im Dezember 1989 auf Malta. Für seinen Beitrag zur gewaltlosen Beendigung des Kalten Krieges ehrte das Nobelkomitee Gorbatschow ein Jahr später mit dem Friedensnobelpreis.

Rajendra Pachauri und Al Gore

Der Friedensnobelpreis von 2007 ging an Al Gore (rechts) und den UN-Klimarat (stellvertretend Rajendra Pachauri) für ihren Einsatz gegen eine drohende Klimakatastrophe.

Juan Manuel Santos

2016 erhält der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos den Friedensnobelpreis. Santos hatte nach jahrzehntelangem Konflikt ein Friedensabkommen mit den FARC-Rebellen geschlossen, das allerdings von der Bevölkerung in einem Referendum abgelehnt wurde.

ICAN-Direktorin Beatrice Fihn (r.) und die Hiroshima-Überlebende Setsuko Thurlow (m.) nahmen den Preis bei einer feierlichen Zeremonie entgegen.

ICAN-Direktorin Beatrice Fihn (r.) und die Hiroshima-Überlebende Setsuko Thurlow (m.) wurden 2017 mit den Friedensnobelpreis geehrt.

Nadia Murad und Denis Mukwege

Die Friedensnobelpreisträger des Jahres 2018 sind der kongolesischen Arzt Denis Mukwege und die UN-Sonderbotschafterin Nadia Murad. Sie werden für ihren Einsatz gegen sexuelle Gewalt als Waffe in Kriegen und bewaffneten Konflikten ausgezeichnet.

Abiy Ahmed Ali erhält den Friedensnobelpreis

Der äthiopische Ministerpräsident Abiy Ahmed ist der Friedensnobelpreisträger des Jahres 2019. Seit seinem Amtsantritt am 2. April 2018 hat er Frieden mit dem einstigen Erzfeind Eritrea geschlossen, Tausende politische Gefangene freigelassen und verbotene Parteien wieder erlaubt.

Ein Junge trägt einen Sack mit Lebensmitteln des Welternährungsprogramms der UN

Der Friedensnobelpreis 2020 ging an das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen. Das teilte das norwegische Nobelpreiskomitee in Oslo mit. Es begründete seine Entscheidung mit dem Kampf der UN-Organisation gegen den Hunger in der Welt. Dieser sei wichtig insbesondere in Zeiten der Corona-Pandemie.

Jagland erinnerte vor allem an die Gründerväter der Union und auch an die Zeiten des Mauerfalls. Und wieder fiel ein deutscher Name. "Das, was in den Monaten und Jahren nach dem Fall der Berliner Mauer geschah, ist vermutlich die größte Solidaritätshandlung aller Zeiten auf dem europäischen Kontinent. Dieser kollektive Kraftakt hätte nicht ohne das politische und wirtschaftliche Gewicht der EU vollbracht werden können. Deshalb ehren wir heute auch die Bundesrepublik Deutschland und ihren damaligen Kanzler Helmut Kohl."

Nachdenklichkeit und hier und da auch das notwendige bisschen Pathos. Der Nobelpreis für die EU in Anwesenheit von einem ganzen Dutzend Staats- und Regierungschefs - die Spitzen der Union und das Nobelkomitee fanden die richtigen Worte in einem würdevollen Rahmen.