Rechtsradikale in der EU Die Internationale der Populisten
Populistisch, radikal, teilweise offen rassistisch - in mehreren EU-Staaten trumpfen rechtsradikale Parteien auf. Nach dem Doppelanschlag in Norwegen wird nun diskutiert, ob diese den Nährboden bereitet haben für diese grauenerregende Tat.
Von Birgit Schmeitzner, BR-Hörfunkstudio Brüssel
Sie sind gegen die EU, gegen Einwanderer und da vor allem gegen Muslime. Das eint die Rechtspopulisten in Europa, auch wenn es durchaus von Land zu Land Unterschiede gibt.
Heraus aus der braunen Schmuddelecke
In Frankreich feiert Marine Le Pen an der Spitze des Front National große Erfolge. Sie argumentiert: Die Europäische Union sei schwach, könne ihre Grenzen nicht schützen und das treibe den ehemals reichen Kontinent an den Rand des Ruins.
Le Pen hat die Partei ihres Vaters aus der einstigen braunen Ideologie-Ecke herausgeführt und wird mehrheitsfähig. Umfragen bescheinigen ihr Zustimmungswerte von 20 Prozent. Und die Suche nach Verbündeten klappt auch - Madame pflegt gute Kontakte zur italienischen Lega Nord und zur FPÖ in Österreich. Beides Parteien, die seit Jahren mit polemischen Anti-Ausländerparolen und Europa-Skepsis erfolgreich auf Stimmenfang gehen.
Sonderfall Ungarn
Besonders ist die Lage in Ungarn: Dort haben die Wahlen vor einem Jahr eine starke Wende nach rechts ausgelöst. Die Fidesz-Partei regiert mit Zweidrittelmehrheit und baut die Verfassung um. Nationalstolz wird zur Bürgerpflicht, ein restriktives Mediengesetz macht immer mehr kritische Journalisten arbeitslos.
Die SPD-Europapolitikerin Birgit Sippel spricht von einer rückwärtsgewandten, nationalen Politik, die auf Ausgrenzung setzt. Die Fidesz-Partei versuche, "uns einzureden, dass sie eine neue Verfassung im Geiste des 21. Jahrhunderts gestalten. Aber die Rückbesinnung auf den christlichen Gott, die Betonung auf ein die Nationen erhaltendes Christentum, die Betonung der Besonderheit der Ungarn ist nun wirklich mit europäischen Werten, die die Rechte aller Menschen anerkennen, nicht in Einklang zu bringen."
Rechtsruck im hohen Norden
Weiter nördlich in Europa haben sich gleich mehrere einst liberale Länder nach rechts bewegt: In Dänemark prägt eine Populistin die Ausländerpolitik, auf das Betreiben von Pia Kjaersgaard hin wurden wieder Grenzkontrollen eingeführt.
In Finnland hat die Wahl im Frühjahr den Wahren Finnen sensationelle 19 Prozent beschert. Parteichef Timo Soini ist so populär, dass er in einer bekannten Fernseh-Talkshow mit einem eigens produzierten Jingle begrüßt wird. Und all das mit ein paar schlichten Phrasen: kein Geld für Pleitestaaten wie Portugal, keine Homo-Ehe, keine Einwanderung. In Regierungsverantwortung wollten die Wahren Finnen dann aber doch nicht, sie zogen die Oppositionsbank vor. Und gestalten von dort aus indirekt die Politik mit.
Morde an Islam-Kritikern in Holland
In den Niederlanden ist das noch ausgeprägter: Die Minderheits-Regierung ist abhängig von der Duldung durch eine Partei, vielmehr: eines Mannes: Geert Wilders. Der Chef der Partei für die Freiheit ist bekannt für seine islamkritischen Reden. Er betont immer wieder, er werde nicht schweigen, einer müsse doch etwas sagen, wenn das Land durch den Islam bedroht werde.
Und von Gerichts wegen darf Wilders das auch - vor kurzem wurde er mit Verweis auf die Meinungsfreiheit freigesprochen. Wilders beruft sich in seinen Reden gern auf den Politiker Pim Fortuyn und den Künstler Theo van Gogh - beide Islamgegner, beide ermordet. Morde, die in Holland die Diskussion über Integration aufflammen ließen.
Der Literat Hans-Maarten van den Brink sagt, das gesellschaftliche Klima hat sich verändert. Die Gesetze wurden strenger, die Toleranz gegenüber Einwanderern kleiner. Eigentlich, so meint van den Brink, lebe sein Land ein Paradoxon: "Es geht uns Holländern ziemlich gut. Die Holländer sind sehr glückliche Menschen. Sie sind zufrieden mit ihrem privaten Leben und auch im ökonomischen Bereich geht es eigentlich blendend im Vergleich mit dem Rest von Europa. Vielleicht gibt es deshalb diese Unruhe. Denn wenn es jetzt so gut geht, kann es ja nur schlechter werden in der Zukunft."
"Ängste werden zu Wählerstimmen"
Angst und Unsicherheit heizen die Debatte an. Und dann wird ein Sündenbock gesucht. Sehr oft sind das die schwächsten in der Gesellschaft, ethnische Minderheiten, zugewanderte Ausländer.
Der grüne Europa-Parlamentarier Sven Giegold sagt, auf dieser Klaviatur spielen die Populisten sehr gut. Das Gefährliche sei, dass sie Ängste in Wählerstimmen umsetzten. "Ängste beispielsweise vor dem Abstieg bei großen Teilen der Mittelklasse, und das sogar in Gegenden, wo es faktisch wenig oder gar keine Ausländer gibt." Dass die Menschen, so Giegold weiter, auf ausländerfeindliche Parolen hereinfielen, das sei ein Phänomen, "das wir derzeit in vielen Ländern rund um Deutschland sehen. Gott sei Dank bei uns noch nicht. Und das muss man politisch sehr ernst nehmen." Sprich: gegensteuern, aufklären, den Menschen ihre Ängste nehmen. Damit Populisten kein leichtes Spiel haben.