Appell nach Krawallen in Frankreich "Hört auf!"
Angesichts der Unruhen will Frankreichs Präsident Macron heute einen Lagebericht abgeben. Die Großmutter des getöteten Jugendlichen appellierte unterdessen an die Randalierer. Die vergangene Nacht war zumindest etwas ruhiger verlaufen.
"Die Nacht war ruhiger dank des entschlossenen Einsatzes der Ordnungskräfte", twitterte Frankreichs Innenminister Gerald Darmanin am Morgen. Er hatte 45.000 Polizisten mobilisiert, 7000 davon allein in Paris, wo besonders die Champs Elysées gesichert wurden. Ruhiger heißt in diesen Tagen in Frankreich: Es gab nur rund 700 Festnahmen und nicht mehr 1300 - und deutlich weniger zerstörte Gebäude und Autos.
Eines davon aber gehörte dem jungen Bürgermeister von L’Hay-les-Roses, einer beschaulichen Kleinstadt zehn Kilometer südlich des Pariser Stadtzentrums gelegen. Vincent Jeanbrun hatte noch vor zwei Tagen in den Medien erklärt:
"Wir haben keine Hilfe vom Staat - es gibt keinen Ausnahmezustand, keine nationale Ausgangssperre. Uns bleibt nichts übrig, als uns zu verbarrikadieren in der Hoffnung, dass das reicht, um die Randalierer fernzuhalten.
Er stellte kurzerhand Absperrgitter rund um sein modernes Rathaus und umwickelte diese mit Stacheldraht. Doch die Randalierer kannten seine Adresse, fuhren mit einem Auto als Rammbock sein Tor ein. Sie schütteten Brandbeschleuniger aus einer Trinkflasche auf sein Privatauto. Es brannte aus. Als seine Frau mit den fünf und sieben Jahre alten Kindern fliehen wollte, wurde sie mit Feuerwerkskörpern beschossen. Ihr gebrochenes Schienbein musste operiert werden. Die Kinder seien aber nicht verletzt, fragte Premierministerin Élisabeth Borne, die in die Kleinstadt geeilt ist. "Die Kleine ist gefallen und hat eine Platzwunde im Gesicht, aber alles war blutig."
"Als wir davon erfahren haben, waren wir alle sehr geschockt", fügte Borne hinzu. "Ich bin mit dem Innenminister gekommen, um ihnen die Hilfe der gesamten Regierung zuzusichern. Kein Bürgermeister wird allein gelassen. Wir wollen so schnell wie möglich wieder Ordnung schaffen." Die Regierungschefin rief die Justiz auf, mit aller Macht zu reagieren. Diese ermittelt nun wegen versuchten Mordes. Familie Jeanbrun wird Personenschutz erhalten.
Mehr Unterstützung für die Bürgermeister?
Dutzende Rathäuser in ganz Frankreich sind in den letzten Tagen zur Zielscheibe geworden. Der politische Beobachter Christophe Barbier forderte deshalb bei BFM TV: "Es wird schwierig werden, jemanden für das Amt des Bürgermeisters zu finden. Der Staat muss sein Verhältnis zu den Bürgermeistern überdenken. Sie sind meist die ersten, die für etwas verantwortlich gemacht werden, und sie müssen auch die ersten sein, die der Staat bei Bedrohung schützt. Bei einer Krise muss es ein SOS Rathaus geben, um Polizei oder Personenschutz zu schicken."
Auch die Anwohner in der beschaulichen Kleinstadt sind geschockt: "Das Maß an Gewalt und Aggressivität ist enorm. Sie müssen was entscheiden!" Ein neues Krisentreffen ist anberaumt. Präsident Macron will sich zur Lage äußern. Doch schon jetzt appelliert die Großmutter des am Samstag beigesetzten 17-Jährigen an alle Randalierer:
"Hört auf! Nahel ist doch nur ein Vorwand. Sie sollen aufhören, die Schaufenster zu zertrümmern. Sie sollen keine Schulen beschädigen und auch keine Busse. Wir haben keine Autos, wir haben nichts! Wir wollen nicht, dass sie alles kaputtmachen!"