In Frankreich demonstrieren Menschen gegen Ministerpräsident Barnier

Frankreichs neuer Ministerpräsident Tausende Franzosen demonstrieren gegen Barnier

Stand: 07.09.2024 18:07 Uhr

Frankreichs Präsident Macron hat den Konservativen Michel Barnier zum neuen Premierminister ernannt. Viele Menschen werfen ihm vor, damit das Ergebnis der Parlamentswahl missachtet zu haben - und gehen auf die Straße.

In Frankreich sind heute Tausende Menschen auf die Straße gegangen, um gegen die Ernennung des konservativen Politikers Michel Barnier zum Premierminister zu protestieren.

In Paris, aber auch in vielen anderen Städten wie Nantes, Nizza oder Marseille gingen die Menschen auf die Straße. In ganz Frankreich gab es etwa 150 Kundgebungen. Die Wut der Demonstrierenden richtete sich am Samstag auch offen gegen Macron, gegen den Rücktrittsforderungen laut wurden. In Paris bereitete sich die Polizei auf Zusammenstöße vor.

Barniers Partei stellt nur die fünftgrößte Fraktion

Linke Parteien werfen Präsident Emmanuel Macron vor, mit der Auswahl des ehemaligen EU-Kommissars das Ergebnis der Parlamentswahl vor rund zwei Monaten zu ignorieren. Seitdem stellt die Mitte-Rechts-Partei Barniers, Les Republicains, mit weniger als 50 Abgeordneten nur die fünftgrößte Fraktion.

Stärkste Kraft wurde die Neue Volksfront (NFP). Macron lehnte es jedoch ab, sie mit der Regierungsbildung zu beauftragen, da andere Parteien mit der linken Sammlungsbewegung nicht zusammenarbeiten wollen.

Nach der Ernennung des 73-jährigen Barniers, der als EU-Kommissar die Brexit-Verhandlungen geleitet hat, riefen Gewerkschaften, Studierendenvertretungen und vor allem das linke Parteienspektrum zu Massenkundgebungen auf.

Frankreich droht eine Streikwelle

Einer am Freitag veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Elabe zufolge sind 74 Prozent der Franzosen der Meinung, Macron habe das Wahlergebnis missachtet. Frankreich droht am 1. Oktober eine Streikwelle, die bereits mit dem Demonstrationsaufruf für heute angekündigt wurde.

Macron hatte nach dem Erstarken des rechten Rassemblement National (RN) bei der Europawahl Neuwahlen ausgerufen. Jedoch verlor seine eigene Bewegung Ensemble bei der Abstimmung Anfang Juli die Mehrheit im Parlament.

Die französische Verfassung gibt dem Präsidenten das Recht, für das Amt des Ministerpräsidenten zu ernennen, wen er will. Jedoch muss diese Person in der Lage sein, Misstrauensvoten der Opposition zu überstehen. Allerdings stellen NFP und RN zusammen eine Mehrheit und könnten - im Falle einer Zusammenarbeit - den Regierungschef stürzen.

Bardella: Barnier ist unter Beobachtung

Beide Lager hatten massiv gegen einige von Macrons unpopulären Reformvorstößen gewettert. Dazu zählt vor allem die Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre. Barnier kündigte an, die Reform mitzutragen. Der RN wird in der Konstellation zum Königsmacher, da die Partei Barnier unter bestimmten Bedingungen zugesichert hat, sich nicht an einem Misstrauensvotum zu beteiligen.

RN-Chef Jordan Bardella sagte dem Sender BFM, Barnier sei ein Ministerpräsident unter Beobachtung. "Ohne uns geht nichts". Barnier erklärte in seinem ersten Interview nach seiner Ernennung, er wolle das zersplitterte Parlament einen und zugleich einen härteren Kurs in der Einwanderungspolitik einschlagen.

Barnier ist mit 73 Jahren der älteste Premierminister in der Geschichte der fünften Französischen Republik und Nachfolger des Liberalen Gabriel Attal, der mit 34 der Jüngste in diesem Amt war.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 07. September 2024 um 15:02 Uhr.