Ein polnischer Soldat macht ein Foto von dem ersten HIMARS-Raketensystem, das im Mai 2023 an Polen geliefert wurde.
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Trump löst Debatte aus Das geben die NATO-Staaten für Verteidigung aus

Stand: 08.01.2025 19:09 Uhr

Fünf Prozent Ausgaben für Verteidigung - schon vor seinem Amtsantritt erhöht Trump den Druck auf die NATO-Partner. Wie weit ist das von den jetzigen Ausgaben entfernt, und wie haben sie sich in den vergangenen Jahren verändert? Ein Überblick.

Wie viel geben die NATO-Staaten für Verteidigung aus?

Die jüngste Statistik und Schätzung der NATO datiert vom vergangenen Juni. Damals errechnete die Allianz, die 32 NATO-Staaten würden im Jahr 2024 rund 2,71 Prozent ihres Bruttoinlandprodukts (BIP) für Verteidung ausgeben - zusammengerechnet eine Summe von 1,5 Billionen US-Dollar (etwa 1,4 Billionen Euro). Die Inflation und Wechselkursschwankungen herausgerechnet würde dies im Vergleich zum Vorjahr einem Anstieg um 10,9 Prozent entsprechen.

Die europäischen Alliierten und Kanada allein würden den Angaben zufolge auf 2,02 Prozent kommen - mit geschätzten Ausgaben von rund 507 Milliarden US-Dollar ein Plus von 17,9 Prozent. Ihr Anteil liegt damit bei rund einem Drittel der Gesamtausgaben der NATO-Staaten, was zugleich das Ausmaß des US-Beitrags unterstreicht.

In einem Zeitraum von zehn Jahren sind die Ausgaben der NATO-Staaten insgesamt deutlich angestiegen. 2014 lagen sie bei rund 943 Milliarden US-Dollar. Ein Teil des Anstiegs geht auf die Aufnahme neuer Mitgliedstaaten wie Montenegro (2017), Nordmazedonien (2020), Finnland (2023) und Schweden (2024) zurück. Der Beitritt der skandinavischen Staaten verweist auf einen weiteren Faktor: Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat in den NATO-Staaten zu einer anderen Wahrnehmung der Bedrohung durch Russland geführt und damit zu höheren Verteidigungsausgaben.

Was ist das Zwei-Prozent-Ziel?

Das Zwei-Prozent-Ziel der NATO war zunächst eine unverbindliche Verabredung, die im November 2002 auf dem Gipfeltreffen in Prag getroffen wurde. Anlass war die Einladung an gleich sieben Staaten, die früher dem Verteidigungsbündnis Warschauer Pakt angehört hatten, Beitrittsgespräche mit der Allianz aufzunehmen. Die Beziehungen zu Russland waren damals noch von Optimismus und dem Willen geprägt, die Kooperation auszubauen. Dafür stand das Treffen noch stark unter den Nachwirkungen der Terroranschläge vom 11. September 2001.

Verbindlicher wurde das Zwei-Prozent-Ziel erst im September 2014 beim NATO-Gipfel in Wales vereinbart. Diese Zusammenkunft stand stark unter dem Eindruck der völkerrechtswidrigen Annektion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland nach der orangenen Revolution in der Ukraine zu Beginn des Jahres. Die NATO-Staaten verpflichteten sich in der Abschlusserklärung darauf, anzustreben, künftig oder weiter zwei Prozent des BIP eines jeden Staates für Verteidigung auszugeben. Staaten, die dieses Ziel noch verfehlten, sollten ihre Verteidigungsausgaben erhöhen und die Zielmarke innerhalb von zehn Jahren erreichen - also bis 2024.

Die Vereinbarung wurde beim NATO-Gipfel 2023 in Vilnius noch einmal konkretisiert. In der Abschlusserklärung hieß es, die Mitgliedstaaten verpflichteten sich, dauerhaft zwei Prozent des BIP für Verteidigung auszugeben.

Was tut Deutschland?

Deutschland hat für das Jahr 2024 Verteidigungsausgaben an die NATO gemeldet, die zum ersten Mal überhaupt über der NATO-Vorgabe von Ausgaben in der Höhe von zwei Prozent des BIP liegen. Die Schätzung der NATO beläuft sich auf einen Wert von 2,12 Prozent. Obwohl Mittel aus dem Bundeswehr-Sondervermögen von insgesamt 100 Milliarden Euro in diese Berechnung eingeflossen sind, wurde das Ziel nur mit Rechentricks - etwa der Einberechnung von Versorgungsleistungen ehemaliger DDR-Soldaten - erreicht.

Zum Erreichen der Zwei-Prozent-Quote in den nächsten Jahren müsste der Verteidigungsetat allerdings wesentlich stärker wachsen, als im Moment geplant. Spätestens ab 2027 klafft nach jetzigen Vorgaben eine zweistellige Milliardenlücke.

Was ist aus dem Sondervermögen geworden?

Das Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro ist so gut wie vollständig zugewiesen, das heißt: Die Beschaffung hauptsächlich von Großgeräten wurde auf Vorschlag der Bundesregierung vom Bundestag beschlossen, Panzer, Hubschrauber oder Schiffe zu einem Preis von mehr als 90 Milliarden Euro wurden bestellt.

Das Geld ist also verplant und steht bis auf kleine Restbeträge nicht mehr zur Verfügung. Haushalterisch werden die 100 Milliarden auf fünf Jahre verteilt, so dass in jedem Haushaltsjahr im Mittel 20 Milliarden Euro etwa auf die NATO-Quote angerechnet werden können.

Was kritisiert Trump?

Dem künftigen US-Präsidenten missfällt, dass die NATO-Verbündeten nicht mehr für Verteidigung ausgeben. Schon in seiner ersten Amtszeit hatte Donald Trump den Europäern und Kanada vorgeworfen, sie würden den USA einen zu großen Anteil an den Verteidigungsausgaben der Allianz aufbürden und den USA deshalb "große Summen Geld schulden".

2017, als Trump sein Amt antrat, erfüllte kaum ein Mitglied die Zwei-Prozent-Vorgabe - das hat sich inzwischen allerdings geändert. 2024 sollten laut NATO-Schätzung 23 Mitgliedstaaten mindestens zwei Prozent des BIP für Verteidigung ausgeben. Island wurde in dieser Statistik nicht berücksichtigt, weil es keine Armee hat. Im Schnitt kommen die Staaten demnach auf 2,7 Prozent - Spitzenreiter ist Polen mit 4,12 Prozent, gefolgt von Estland mit 3,43, dessen Ausgaben prozentual gesehen sogar noch leicht über denen der USA liegen (ebenfalls 3,38 Prozent). Schlusslichter sind Spanien (1,28), Slowenien (1,29) und Luxemburg (ebenfalls 1,29 Prozent).

NATO-Generalsekretär Mark Rutte schreibt diese Entwicklung Trump zu - er sei derjenige, der "dafür gesorgt hat, dass wir unsere Verteidigungsausgaben erhöht haben". Tatsächlich hat Trump die Forderung nach einer gerechteren Lastenverteilung lauter und auch brachialer als seine Vorgänger formuliert. Öffentliche Kritik war aber auch schon von seinem Vorgänger Barack Obama geäußert worden. In seiner Pressekonferenz zum Abschluss des NATO-Gipfels 2016 in Warschau kritisierte er, dass "die Mehrheit der Alliierten immer noch nicht die Zwei-Prozent-Marke trifft" - darüber habe es bei dem Treffen "ein sehr offenes Gespräch" gegeben. Obama erinnerte die Verbündeten damals an die Grundregeln "der Mathematik" - jeder habe sich mehr zu bemühen und besser zu werden.

Obama, dessen Amtszeit sich damals schon in den letzten Monaten befand, beließ es bei Mahnungen. Trump schlug dann eine härtere Gangart ein und kehrt nun dazu zurück.

Was sagen deutsche Politiker dazu?

Die meisten deutschen Politiker sehen Trumps Vorstoß so wie die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Europäischen Parlament, Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP: Es sei ein Versuch, schon einmal im Stil eines Immobilienmaklers den Preis der Verteidigungsausgaben nach oben zu treiben. Strack-Zimmermann sagte: "Wir sind aber nicht auf dem Basar, wir werden uns nicht treiben lassen!"

Der Kanzlerkandidat der Union, Friedrich Merz, sprach von der Notwendigkeit, dass Deutschland sich "verteidigen könne, ohne es zu müssen". Dabei seien zwei Prozent die Untergrenze der Verteidigungsausgaben.

Ähnlich äußerte sich der ehemalige Finanzminister der FDP, Christian Lindner. Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil meinte, man sei auf einem guten Weg mit der Ertüchtigung der Bundeswehr, aber "wir lassen uns unseren Weg nicht von anderen diktieren".

Der Grünen-Kandidat Robert Habeck hatte kürzlich eine NATO-Quote von 3,5 Prozent vorgeschlagen, mit Ausnahme des BSW, das heute ein "Ende der Vasallentreue zur USA" forderte, treten alle im Bundestag vertretenen Parteien - also auch die AfD - für eine Stärkung der Landes- und Bündisverteidigung ein. Eine Fünf-Prozent-NATO-Quote wurde aber einhellig als "illusorisch" bezeichnet.

Wie sind die Reaktionen in den NATO-Staaten?

Am Tag nach Trumps Pressekonferenz gab es in den europäischen NATO-Staaten zunächst kaum Reaktionen auf die Forderungen nach deutlich höheren Verteidigungsausgaben. Das mag mit den vielen anderen Forderungen und Drohungen Trumps in Mar-a-Lago zusammenhängen, könnte aber auch der Ausdruck von Verunsicherung oder des Versuchs sein, die heikle Debatte nicht noch zusätzlich anzuheizen.

Aufgeschlossen für Trumps Forderung zeigte sich der tschechische Regierungschef Petr Fiala. Er sagte, seine Regierung sei "offen für diese Debatte". In die Verteidigung investierte Gelder seien gut angelegt. Aus seiner Sicht sei es allerdings realistischer, ein schrittweise zu erreichendes Ziel von drei Prozent der Wirtschaftsleistung anzupeilen. Tschechien hat im vorigen Jahr nach vorläufigen Berechnungen der Regierung in Prag 2,09 Prozent des BIP für Verteidigung ausgegeben.

Mit Informationen von Stephan Stuchlik, ARD-Hauptstadtstudio

Sabrina Fritz, ARD Brüssel, tagesschau, 08.01.2025 12:55 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 08. Januar 2025 um 10:00 Uhr.