ÖVP und FPÖ in engem Rennen Endspurt bei der Nationalratswahl in Österreich
Österreich wählt heute ein neues Parlament. Umfragen vor der Wahl sahen die regierende ÖVP knapp hinter der rechtsnationalen FPÖ. Die fiel einen Tag vor der Wahl durch einen Skandal um ein SS-Lied auf.
In Österreich wird eher früh gewählt. Die ersten Wahllokale haben schon seit 6 Uhr geöffnet. Und die meisten schließen zwischen 13 und 16 Uhr. Nur in zwei Gemeinden können Wählerinnen und Wähler ihre Stimme bis 17 Uhr abgeben, darunter in der Hauptstadt Wien.
Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen rief die Bürgerinnen und Bürger per Videobotschaft dazu auf, ihr Wahlrecht zu nutzen: "Wer nicht wählt, lässt andere entscheiden. Ehrlich gesagt, darauf würde ich mich nicht verlassen", sagte Van der Bellen. "Also: nicht nachher ärgern, lieber vorher handeln."
Umfragen sehen FPÖ vorn
Auf Platz eins der Umfragen steht erstmals bei einer Nationalratswahl die in Teilen rechtsextreme FPÖ. Erklärtes Ziel von Parteichef Herbert Kickl ist die Kanzlerschaft. Andere Parteien warnen vor Kickl. Kurz vor der Wahl tauchte gestern außerdem ein Video auf, in dem hochrangige FPÖ-Politiker bei einer Beerdigung zu sehen sind, auf der ein SS-Treuelied angestimmt wurde.
Als einzige Partei ist die konservative Österreichische Volkspartei bereit, mit der FPÖ zu koalieren. Sie schließt nur eine Zusammenarbeit mit Kickl aus. Die ÖVP hatte die Wahl 2019 unter Sebastian Kurz mit mehr als 37 Prozent klar gewonnen. In aktuellen Umfragen liegt sie gut zehn Prozentpunkte darunter, auf Platz zwei.
Erste Hochrechnung kurz nach 17 Uhr
ÖVP-Spitzenkandidat und Bundeskanzler Karl Nehammer gab sich heute Vormittag bei der Stimmabgabe dennoch optimistisch, dass die Wahl doch noch zu seinen Gunsten ausgeht. Die Partei habe "eine starke Wahlbewegung zustande gebracht", so Nehammer. "Die vielen Gespräche mit den Menschen haben einfach gezeigt, dass sie Vertrauen finden auch in meine Arbeit. Und jetzt geht es eben darum, dass ich auch den Auftrag bekomme."
Die erste Hochrechnung wird kurz nach 17 Uhr erwartet. Sie könnte eine Schwankungsbreite von zwei Prozentpunkten oder mehr haben. Christoph Hofinger vom Wahlforschungsinstitut Foresight rechnet damit, dass dann noch nicht unbedingt ein eindeutiger Sieger feststeht: "Wir haben sehr große Verschiebungen bei mehreren Parteien zu erwarten. Große Stadt-Land-Unterschiede." Schlüsse aus den Hochrechnungen in den Städten auf Österreichs viele ländliche Gemeinden zu ziehen sei riskant, sagt Hofinger.
Kleinparteien als Zünglein an der Waage?
Das vorläufige Endergebnis wird wohl nicht vor 23 Uhr feststehen. Welche Mehrheiten am Ende im Parlament möglich sein werden, hängt maßgeblich davon ab, ob zwei Kleinparteien in den Nationalrat einziehen, die Bierpartei und die Kommunistische Partei.
Ob sie über die Vier-Prozent-Hürde springen, könnte sich sogar erst am Donnerstag entscheiden, wenn die letzten Briefwahl-Stimmen ausgezählt werden. "Sollte eine Partei 3,8 Prozent haben am Wahlabend, dann heißt das, dass sie noch nicht alle Hoffnung aufgeben müssen," so Wahlforscher Hofinger.
Ist das Ergebnis erst einmal amtlich, führt der Bundespräsident Gespräche mit allen Parteien. Üblicherweise betraut der Bundespräsident außerdem die stärkste Partei mit der Regierungsbildung. Ob er das auch im Falle eines FPÖ-Wahlsiegs so handhaben würde, hat Alexander Van der Bellen allerdings offen gelassen.