Nach Aufstand In Russland Behörden ermitteln weiter gegen Wagner-Söldner
Erst war von einer "unausweichlichen Bestrafung" der Aufständischen die Rede. Dann hieß es aus dem Kreml, alle Strafverfahren seien eingestellt. Jetzt wurde bekannt: Russische Behörden ermitteln doch weiter gegen die Wagner-Gruppe.
Nach dem bewaffneten Aufstand des russischen Söldnerchefs Jewgeni Prigoschin und seiner Wagner-Armee ist das Strafverfahren gegen ihn Moskauer Medien zufolge bisher nicht eingestellt worden: Ermittler des Inlandsgeheimdienstes FSB untersuchten den Fall weiter, berichtete die Zeitung "Kommersant" unter Berufung auf die Fahnder. Ähnliches meldete auch die russische Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf eine eigene nicht näher benannte Quelle. Der Kreml hatte am Samstagabend mitgeteilt, dass das Strafverfahren gegen Prigoschin und die Wagner-Aufständischen eingestellt werde.
Kurz vor der Amnestie hatte Kremlchef Wladimir Putin noch in einer Rede erklärt, dass die Drahtzieher des Aufstandes ihrer "unausweichlichen Bestrafung" zugeführt würden. Dass dann der Kreml wenig später erklärte, die Aufständischen kämen nach Ende der Revolte und dem Abzug aus Russland doch ungeschoren davon, löste Erstaunen aus. Kommentatoren legten das Einlenken Putins als Schwäche aus.
Behörden gehen weiter gegen Wagner-Strukturen vor
Auch die russischen Behörden gehen weiter gegen die Wagner-Organisation in Russland vor. In St. Petersburg, dem Stabsquartier Prigoschins, gab es nach Angaben dortiger Medien Razzien in den Büroräumen. Außerdem seien Werbeplakate entfernt worden, mit denen die Privatarmee Freiwillige für den Kriegsdienst in der Ukraine rekrutieren wollte. Tausende Söldner dienen in der Wagner-Truppe.
Das soziale Netzwerk VK - das russische Gegenstück zu Facebook - sperrte auf Anweisung der Generalstaatsanwaltschaft die Seite von Wagner. In seinem Telegram-Kanal, der mehr als 1,3 Millionen Abonnenten hat, stammt die letzte Nachricht von Prigoschin vom Samstag, als er nach Verhandlungen mit dem belarusischen Machthaber Alexander Lukaschenko das Ende des kurzen Aufstands verkündet hatte.
Video zeigt Schoigu an der Front
Inzwischen hat die russische Regierung ein Video des in den Machtkampf involvierten Verteidigungsministers Sergej Schoigu veröffentlicht. Die Aufnahmen zeigten einen Flug Schoigus mit einem Hubschrauber und ein Treffen mit Offizieren in einem militärischen Hauptquartier in der Ukraine. Beobachter werteten das Video als Versuch des Ministeriums, nach den chaotischen Ereignissen vom Wochenende ein Bild zu vermitteln, wonach Schoigu noch die Fäden in der Hand halte.
Die russische Militärführung war in den Wochen vor dem Aufstand von Prigoschin verbal immer drastischer angegriffen und Schoigu zum Rücktritt aufgefordert worden. Der Wagner-Chef, der sich zurzeit in Belarus aufhalten soll, warf Schoigu vor, seine Truppen im Krieg gegen die Ukraine nicht gut genug auszurüsten.
Regierungschef Mischustin appelliert ans Volk
An den Zusammenhalt des russischen Volkes appellierte Russlands Regierungschef Michail Mischustin. "Es wurde der Versuch unternommen, Russland von innen heraus zu destabilisieren", sagte Mischustin der Agentur Interfax zufolge. An die russische Gesellschaft gerichtet sagte er: "Wir müssen als ein Team zusammenarbeiten, die Einheit aller Kräfte wahren, uns um den Präsidenten scharen."
Zudem betonte der 57-Jährige, die Regierungsmitglieder in Moskau hätten ihre Plätze während der chaotischen Stunden am Samstag nicht verlassen. In sozialen Netzwerken waren Gerüchte aufgekommen, Putin und Regierungsmitglieder seien möglicherweise aus Moskau geflohen. Der Kreml dementierte das.
Putin selbst hat sich erstmals seit dem Ende des Aufstands in einer Videoansprache der Öffentlichkeit gezeigt. Der Kreml veröffentlichte das Video am Montag anlässlich eines Jugendforums mit dem Titel "Ingenieure der Zukunft". In seiner Rede lobte Putin die "stabile" Arbeit der russischen Industrie "im Angesicht ernster Herausforderungen von außen".