Regierungsbildung in Spanien Landesweite Proteste gegen Amnestie für Katalanen
In Spanien haben Hunderttausende Menschen gegen die geplante Amnestie für katalanische Separatisten demonstriert, mit der sich Ministerpräsident Sánchez eine weitere Amtszeit sichern will. Die Opposition sieht die Demokratie gefährdet.
Bei landesweiten Demonstrationen in Spanien haben Hunderttausende Menschen gegen die geplante Amnestie für katalanische Separatisten demonstriert. Teilnehmer der größten Kundgebung in Madrid trugen Schilder mit Aufschriften wie "Nein zur Amnestie, Ja zur Verfassung" oder "Sánchez Verräter", wie im staatlichen TV-Sender RTVE zu sehen war.
Die größte Oppositionspartei, die konservative Volkspartei PP, die zu den Kundgebungen aufgerufen hatte, sprach von landesweit zwei Millionen Teilnehmern. Allein in Madrid seien eine Million auf die Straße gegangen. Offizielle Schätzungen für ganz Spanien gab es zunächst nicht.
Auslöser der Proteste ist eine Vereinbarung der amtierenden Regierung mit zwei katalanischen Separatistenparteien. Diese sieht die Verabschiedung eines Amnestie-Gesetzes für rund 1.400 Separatisten vor, die wegen des Versuchs der Abspaltung Kataloniens von Spanien im Jahr 2017 verurteilt worden waren. Im Gegenzug will die Separatistenpartei dem Sozialisten Sánchez bei der Wiederwahl im Parlament zur Mehrheit verhelfen und ihm so vier weitere Amtsjahre sichern.
"Diktatur durch die Hintertür"
Sprecher der Oppositionspartei PP warnten vor einer Gefährdung der Demokratie in Spanien. PP-Chef Alberto Núñez Feijóo sagte, die Proteste würden fortgesetzt, bis es eine Neuwahl gebe. Isabel Díaz Ayuso, die einflussreiche PP-Regierungschefin der Region Madrid, hatte sogar von einer "Diktatur durch die Hintertür" gesprochen.
Konservative sehen Zugeständnisse an die Separatisten generell skeptisch, die rechtspopulistische Vox will solche Parteien direkt verbieten. Aber auch manche Wähler der PSOE sind verärgert, weil Sánchez bis zur Wahl am 23. Juli nicht nur ein Referendum über die Abspaltung Kataloniens von Spanien wie 2017, sondern auch eine Amnestie für Separatisten ausgeschlossen hatte. Als das Wahlergebnis vorlag und klar wurde, dass er nur mit Hilfe separatistischer Parteien regieren könne, zeigte er sich doch offen für eine Amnestie.
Die Wahl im Juli hatte zu unklaren Mehrheitsverhältnissen im Parlament geführt. Die konservative PP wurde zwar stärkste Kraft und Feijóo von König Felipe VI. zunächst mit der Regierungsbildung beauftragt. Jedoch gelang es Feijóo nicht, ausreichend Unterstützer hinter sich zu bringen, obwohl der PP-Chef sich die Unterstützung der rechtsextremen Vox sowie einer Handvoll weiterer Abgeordneter von kleineren Parteien sichern konnte. Der König beauftragte daraufhin Anfang Oktober Sánchez mit der Regierungsbildung.
Amnestie auch für Katalanen-Chef Puigdemont
Von der Amnestie profitieren würde auch der ehemalige Chef der katalanischen Regierung, Carles Puigdemont. Der Junts-Politiker hatte Katalonien 2017 nach der umstrittenen Volksabstimmung für unabhängig erklärt. Die Zentralregierung warf ihm daraufhin Rebellion und Veruntreuung öffentlicher Gelder vor. Das Verfassungsgericht sah in dem Vorgehen des Katalanen einen Bruch der Verfassung.
Die katalanische Regionalregierung wurde damals von der Zentralregierung entmachtet, Neuwahlen angeordnet und Puigdemont zur Fahndung ausgeschrieben. Er setzte sich daraufhin ins Ausland ab, unter anderem nach Deutschland. Sánchez hatte damals geschworen, Puigdemont vor Gericht zu stellen.
Dialog statt Konfrontation
Inzwischen hat Sánchez seinen Kurs geändert und setzt darauf, den Katalonienkonflikt durch Dialog und Kompromisse zu entschärfen. Die Strategie ist riskant, weil sie ihn im Rest des Landes viele Stimmen kosten könnte. Zu den Kundgebungen in den Hauptstädten aller Provinzen des Landes hatte die Volkspartei aufgerufen. Angeschlossen hatten sich die rechtspopulistische Vox und die kleine liberale Partei Ciudadanos.
Sollte Sánchez bis zum 27. November keine Mehrheit im Parlament zustande bekommen, müsste in Spanien automatisch Mitte Januar neu gewählt werden.