Wegen Anzeige gegen Ehefrau Spaniens Regierungschef Sánchez erwägt Rücktritt
Der spanische Ministerpräsident Sánchez lässt die Amtsgeschäfte einige Tage ruhen, um über seine politische Zukunft nachzudenken. Eine rechte gewerkschaftsähnliche Gruppe hatte zuvor seine Ehefrau angezeigt.
Nach einer Korruptionsanzeige gegen seine Ehefrau Begoña Gómez erwägt der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez einen Rücktritt von seinem Amt. Er habe alle seine öffentlichen Termine "für einige Tage" abgesagt, um darüber nachzudenken, teilte der sozialistische Politiker überraschend auf dem Kurznachrichtendienst X mit.
Er werde von der Rechten und der extremen Rechten mit allen Mitteln schikaniert, so der 52-Jährige. "Ich muss innehalten und nachdenken. Ich muss mir dringend die Frage beantworten, ob sich das lohnt, trotz des Sumpfes, in dem die Rechten und die Rechtsextremen versuchen, Politik zu machen. Ob ich weiter an der Spitze der Regierung stehen oder von dieser hohen Ehre zurücktreten soll", schrieb er in einem "Brief an die Öffentlichkeit". Am Montag werde er vor die Presse treten und seine Entscheidung bekanntgeben.
Sánchez bestreitet Vorwürfe
Die Organisation "Manos Limpias" ("Saubere Hände") hatte gegen Sánchez' Ehefrau eine Anzeige wegen Korruption und Einflussnahme in der Wirtschaft erstattet. "Manos Limpias" ist eine private Gruppe, die in Spanien seit Jahren eine rechte Agenda betreibt. Sie wirft der 49-Jährigen vor, ihre Position als Ehefrau des Regierungschefs ausgenutzt zu haben, um Geschäfte zu machen. Das Gericht machte keine weiteren Angaben und erklärte, dass die Untersuchung unter Verschluss sei.
Sánchez bestritt die Vorwürfe in seinem Brief. Seine Frau werde "ihre Ehre verteidigen und mit dem Justizsystem auf jede notwendige Weise zusammenarbeiten, um klarzustellen, dass diese Fakten, die skandalös erscheinen, in der Tat nicht existent sind". Er warf Nachrichtenwebseiten, die sich politisch an der rechtspopulistischen Vox und der konservativen Volkspartei (PP) orientieren, vor, die Vorwürfe verbreitet zu haben.
Sánchez und Gómez sind seit 2006 verheiratet und haben zwei Töchter. Die Ehefrau des Regierungschefs bekleidet kein öffentliches Amt. Sie ist Marketingexpertin, die unter anderem für Banken und Nichtregierungsorganisationen gearbeitet hat.
Kritik aus der Opposition
In ersten Reaktionen kritisierten Politiker der konservativen Volkspartei PP Sánchez. Er gebe sich als Opfer, anstatt sich selbst zur Rechenschaft zu ziehen. Es handele sich um eine neue Show, die Sánchez abziehe, sagte zum Beispiel der PP-Politiker und Senatsvizepräsident Javier Maroto. Sánchez wolle um jeden Preis an der Macht bleiben: "Er ist immer der Gute, alle anderen sind böse." Von Sánchez' Sozialistischer Partei (PSOE) kamen derweil schnell viele Solidaritätsbekundungen.
Eine staatliche Aufsicht, die sich mit mutmaßlichen Interessenskonflikten beschäftigt, hatte im März eine Beschwerde der PP gegen Sánchez abgewiesen. Die Partei hatte Gómez vorgeworfen, den Ministerpräsidenten bei einer Entscheidung im Zusammenhang mit einer Fluggesellschaft beeinflusst zu haben.
Pedro Sánchez mit Ehefrau Begoña Gómez
Seit 2018 Ministerpräsident
Sánchez ist seit 2018 spanischer Ministerpräsident und führt derzeit eine Minderheitsregierung an. Bei vorgezogenen Wahlen im Juli erhielt die PP vor seinen Sozialisten zwar die meisten Stimmen, schaffte es aber nicht, eine Regierung zu bilden. Derzeit wird Sánchez' Regierung von kleineren regionalen Parteien mitgetragen. Dafür nahm er eine Amnestie für katalanische Separatisten in Kauf, die in Spanien umstritten ist.
Zwar könnte das Parlament bei einem Rücktritt einen neuen Regierungschef wählen, erklärte der Politikwissenschaftler Lluis Orriols von der Universität Carlos III. Angesichts der zersplitterten Mehrheitsverhältnisse seien jedoch Neuwahlen wahrscheinlicher.
In einer ersten Version des Artikels hieß es, die PSOE habe bei der Wahl im Juli die meisten Stimmen erhalten. Korrekt ist, dass sie nach der PP die zweitmeisten Stimmen erhielt. Wir haben den Satz korrigiert.
Mehr zum Hintergrund dieser und anderer Korrekturen finden Sie hier: tagesschau.de/korrekturen