Krise in Großbritannien Laute Rufe nach Truss-Rücktritt
Zahlreiche Abgeordnete fordern den Rücktritt von Großbritanniens Premierministerin Truss, auch aus den eigenen Reihen. Truss räumte ein, Mittwoch sei ein "schwieriger Tag" gewesen, wollte aber weitermachen.
Nach dem Rücktritt der britischen Innenministerin Suella Braverman und einer chaotischen Abstimmung im Unterhaus hat Großbritanniens Regierungschefin Liz Truss einen "schwierigen Tag" eingestanden - sie will trotz massiver Kritik aber weitermachen.
Ihr Sprecher sagte: "Die Premierministerin räumt ein, dass gestern ein schwieriger Tag war." Truss wolle, dass die Regierung sich nun "weniger auf Politik" konzentriere und mehr darauf, ihre "Prioritäten" zu erreichen.
Am Mittag traf sich Truss mit Graham Brady, dem Vorsitzenden des mächtigen 1922-Komitees der Konservativen Fraktion, wie der Amtssitz der Regierungschefin bestätigte.
Das Gremium ist für die Wahl und Abwahl der Parteivorsitzenden zuständig. Sollte Brady den Eindruck haben, dass die Premierministerin nicht mehr das Vertrauen ihrer Fraktion genießt, müsste sie zurücktreten. Nach Angaben der Regierung kam das Treffen auf Wunsch von Truss zustande.
Es bietet den Hinterbänklern die Möglichkeit, Politik zu diskutieren und dem Kabinett ihre Ansichten mitzuteilen. Lange Zeit spielten die Abgeordneten eine wichtige Rolle dabei, wer Parteivorsitzender wird. Es gibt die Stimmung der Hinterbänkler wieder und ist ein maßgeblicher Machtfaktor innerhalb der Partei.
Das 1922-Komitee spielt traditionell auch bei Vertrauensabstimmungen und bei der Wahl eines neuen Vorsitzenden eine gewichtige Rolle innerhalb der Tories.
Das Komitee von 1922 wurde tatsächlich im April 1923 auf Initiative neuer konservativer Abgeordneter gegründet, die bei den Parlamentswahlen 1922 gewählt wurden, um die Zusammenarbeit innerhalb der Partei zu erleichtern.
Gleichzeitig forderten weitere Abgeordnete ihren Rücktritt, auch Abgeordnete ihrer eigenen Konservativen Partei.
"Handgemenge auf täglicher Basis"
In der Regierung herrschten chaotische Zustände, sagte der konservative Abgeordnete Simon Hoare im Sender BBC. Niemand habe einen Fahrplan, alles gleiche "Handgemengen auf täglicher Basis". Truss habe "etwa zwölf Stunden", um die Lage zu drehen.
"Es ist Zeit für die Premierministerin zu gehen", erklärte die Abgeordnete Miriam Cates. Und ihr Kollege Steve Double sagte: "Sie ist dem Job leider nicht gewachsen."
Auch den Tories nahe stehende Zeitungen äußerten scharfe Kritik. "Die Räder sind vom Clown-Wagen der Tories abgefallen", lautete die Schlagzeile eines Leitartikels in der "Daily Mail".
Die Ministerin für internationalen Handel, Anne-Marie Trevelyan, sprang der Premierministerin bei und erklärte, die Regierung sorge für Stabilität. Dass Truss die Partei bei den nächsten Wahlen anführen werde, konnte sie aber nicht garantieren. "Momentan glaube ich, dass das der Fall ist", sagte sie im Rundfunk.
Labour baut Vorsprung in Umfragen aus
In Meinungsumfragen liegt die oppositionelle Labour-Partei deutlich vorn und baute ihren Vorsprung zuletzt aus. Viele Konservative setzen ihre Hoffnung daher auf eine Ablösung von Truss. Uneinigkeit herrscht unter ihnen darüber, wie das ohne das Risiko größerer Schäden für die Partei bewerkstelligt werden soll. Zudem gibt es keinen Favoriten für die Nachfolge.
Truss hatte das Amt erst vor sechs Wochen von Boris Johnson übernommen. Am Mittwoch war ihre Innenministerin Bravermann zurückgetreten und hatte deutliche Kritik am Kurs von Truss geäußert. Mittwoch Abend hatten eine chaotische Abstimmung im Unterhaus und rebellierende Abgeordnete ihrer Tory-Partei die Regierungschefin weiter unter Druck gesetzt. Zuvor hatte sie mit geplanten Steuererleichterungen ein Finanzchaos ausgelöst.