EU-Spitzen in Kiew Costa für baldige EU-Beitrittsverhandlungen mit Ukraine
Der neue EU-Ratspräsident Costa hat der Ukraine für 2025 den Beginn von Beitrittsverhandlungen versprochen. Die EU-Außenbeauftragte Kallas regte bei dem gemeinsamen Besuch in Kiew die Diskussion über eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine an.
EU-Ratspräsident António Costa hat der Ukraine zügige Fortschritte im EU-Beitrittsprozess in Aussicht gestellt. Bei einem Besuch von EU-Spitzenvertretern in der ukrainischen Hauptstadt Kiew kündigte der frühere portugiesische Regierungschef an, im ersten Halbjahr 2025 Beitrittsverhandlungen in mindestens zwei Bereichen zu eröffnen.
In verschiedenen Politikbereichen, wie etwa beim Roaming zur kostengünstigen Handynutzung im Ausland, beginne bereits eine schrittweise Integration, so der Ratspräsident. Zudem sicherte er der Ukraine weitere EU-Finanzhilfen und entschlossene Arbeiten am 15. Paket mit Russland-Sanktionen zu.
Vom kommenden Jahr an wolle man zudem aus Erlösen eingefrorener Vermögenswerte Russlands in der EU monatlich 1,5 Milliarden Euro an Unterstützung leisten, sagte er. Zudem werde man mit weiteren Sanktionen den Druck auf die russische Wirtschaft erhöhen und Russlands Fähigkeit, Krieg zu führen, schwächen.
Symbolträchtiger Besuch in Kiew
Die neuen außenpolitischen Spitzenvertreter der EU hatten am Sonntag ihre Amtszeit mit einem symbolträchtigen Besuch in der Ukraine begonnen. Costa und die EU-Chefdiplomatin Kaja Kallas trafen in der Hauptstadt Kiew Präsident Wolodymyr Selenskyj und mehrere Minister, um ihnen ihren Beistand zuzusichern. "Wir sind gekommen, um eine klare Botschaft zu senden: Wir stehen hinter der Ukraine und setzen unsere Unterstützung für die Ukraine uneingeschränkt fort", sagte Costa. Dazu gehöre humanitäre, finanzielle, militärische und diplomatische Hilfe.
Der 63 Jahre alte Costa hatte kurz zuvor um Mitternacht offiziell das Amt des Präsidenten des Europäischen Rates, des Gremiums der Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten, übernommen. Dieses war zuvor fünf Jahre von dem Belgier Charles Michel ausgeübt worden.
Situation an der Front ist ernst
Die frühere estnische Regierungschefin Kallas startete zeitgleich als Nachfolgerin des Spaniers Josep Borrell als EU-Außenbeauftragte. Kallas setzt sich seit Langem vehement dafür ein, schnell mehr Waffen an die Ukraine zu liefern. Die Lage in der Ukraine sei "sehr, sehr ernst", sagte Kallas. "Aber es ist klar, dass sie auch für Russland einen sehr hohen Preis hat."
Tatsächlich geraten ukrainischen Truppen vor allem in der Ostukraine immer mehr unter Druck und müssen nahezu täglich Positionen aufgeben. Als Hauptgrund werden zunehmen fehlende Soldaten auf ukrainischer Seite angesehen. Zugleich besteht Ungewissheit darüber, ob die USA ihre Unterstützung unter Donald Trump in der derzeitigen Form fortsetzen werden. Sollten die USA ihre Mittel kürzen oder gar einstellen, müssten europäische Staaten ihre Militärhilfe deutlich ausbauen, um der Ukraine eine Fortsetzung des Abwehrkampfes zu ermöglichen.
Diskussion um möglichen NATO-Beitritt
Als stärkste mögliche Sicherheitsgarantie für die Ukraine nach einem Waffenstillstand nannte Kallas eine NATO-Mitgliedschaft. "Wenn die Ukraine entscheidet, irgendwo eine Grenze zu ziehen, stellt sich die Frage, wie wir den Frieden sichern können, damit Putin nicht weiter vordringt und keine zusätzlichen Maßnahmen ergreift", erklärte sie. Die NATO-Mitgliedschaft müsse definitiv diskutiert werden. Andere klare Optionen sehen sich nicht.
Selenskyj hatte kurz zuvor in einem Interview deutlich gemacht, dass die Ukraine einem Waffenstillstand mit Russland zustimmen könnte, wenn die NATO ihren Schutz auf die von Kiew beherrschten Teile des Landes ausdehnt. Bei einem Waffenstillstand brauche sein Land Garantien, "dass Putin nicht wiederkommt", sagte Selenskyj in einem Interview des britischen TV-Senders Sky News.