Vor NATO-Gipfel Biden bietet Ukraine ähnlichen Schutz wie Israel
Die Forderung des ukrainischen Präsidenten Selenskyj nach Sicherheitsgarantien hat US-Präsident Biden mit einem Angebot für die Zeit nach Kriegsende beantwortet: Die USA sind demnach bereit, der Ukraine einen ähnlichen Schutz zu bieten wie Israel.
Kurz vor Beginn des NATO-Gipfels hat US-Präsident Joe Biden der Ukraine ein konkretes Angebot für die erbetenen Sicherheitsgarantien gemacht. Für die Zeit zwischen dem Ende des russischen Angriffskriegs und einem möglichen NATO-Beitritt sind die USA demnach bereit, der Ukraine einen ähnlichen Schutz zu bieten wie Israel. Der Prozess eines Beitritts zum westlichen Militärbündnis brauche Zeit, sagte Biden dem Fernsehsender CNN in einem Interview, das am Sonntag vollständig ausgestrahlt wurde. In der Zwischenzeit könnten die USA der Ukraine die nötigen Waffen bereitstellen und mit Fähigkeiten ausstatten, um sich selbst zu verteidigen.
Biden betonte aber, dass dies nur im Fall eines Waffenstillstands und eines Friedensabkommens denkbar wäre. Die USA unterstützen Israel jedes Jahr mit rund 3,8 Milliarden US-Dollar - davon geht ein beachtlicher Teil in die Abwehr von Raketen und Militärtechnik. Kein anderes Land weltweit seit dem Zweiten Weltkrieg hat einem jüngsten Bericht des Wissenschaftlichen Dienstes des US-Kongresses mehr Unterstützung von den USA erhalten.
Im März 2022 bewilligte der US-Kongress zusätzliche Mittel in Milliardenhöhe für das Raketenabwehrsystem "Iron Dome", das die USA mitentwickelt haben und das seit 2011 eingesetzt wird. Die "Eisenkuppel" gilt auch als Symbol für die Rolle der USA als Schutzmacht Israels. Das Abwehrsystem zerstört unter anderem Kurzstreckenraketen noch in der Luft. Die USA unterstützen auch die Ukraine schon jetzt erheblich: Seit Kriegsbeginn Ende Februar 2022 stellten sie nach eigenen Angaben militärische Hilfe im Umfang von mehr als 40 Milliarden US-Dollar bereit oder sagten diese zu.
Selenskyj fordert Sicherheitsgarantien
Kurz vor Bekanntwerden von Bidens Angebot hatte sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nochmals mit der Bitte nach klaren Sicherheitsgarantien an die NATO-Staaten gewandt. Nur unter dieser Bedingung sei das Treffen in der Hauptstadt Vilnius sinnvoll, sagte er im Interview mit dem US-Sender ABC. "Wir möchten, dass alle Entscheidungen während des Gipfels getroffen werden", so Selenskyj. "Ich will nicht zum Spaß nach Vilnius fahren, wenn die Entscheidung schon vorher gefallen ist."
Der NATO-Gipfel in Vilnius beginnt am Dienstag. Ein zentraler Punkt der Gespräche wird die weitere Unterstützung der Ukraine sein. Es soll auch darum gehen, welche Sicherheitsgarantien die NATO dem Land nach dem Ende des russischen Angriffskriegs geben kann. Die Ukraine hatte zuvor eine formelle Einladung in die NATO gewünscht - dazu wird es aber voraussichtlich nicht kommen.
Kirby: Ukraine muss Reformen umsetzen
Biden hatte am Samstag in einem Interview mit ABC gesagt, er glaube nicht, dass die Ukraine für eine NATO-Mitgliedschaft bereit ist. "Ich denke nicht, dass es Einigkeit in der NATO darüber gibt, ob man die Ukraine jetzt, mitten im Krieg, in die NATO-Familie aufnehmen soll oder nicht", so Biden.
Die Ukraine müsse noch einige Reformen umsetzen, um der NATO beitreten zu können, sagte der Kommunikationsdirektor des Weißen Hauses, John Kirby, ebenfalls bei ABC. Zudem befinde sich das Land im Krieg. Der Fokus der NATO müsse daher sein, sicherzustellen, dass die Ukraine in ihrem Abwehrkampf erfolgreich sei und Zeit und Raum habe, um an den Reformen zu arbeiten.
Die NATO-Staaten würden bei ihrem Gipfel deutlich machen, dass sie das Land weiterhin geschlossen im Kampf gegen Russland unterstützen und "dass die NATO schließlich in der Zukunft der Ukraine liegen wird", so Kirby.
Makeiev: Keine Zweideutigkeit mehr
Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, sagte der Nachrichtenagentur dpa, die NATO dürfe keine Zweideutigkeit mehr zulassen - auch wenn der Beitritt der Ukraine noch nicht heute oder morgen geschehen könne. "Auf dem Gipfel in Vilnius erwarten wir eine klare und deutliche Einladung und Wegweisung zum NATO-Beitritt", so Makeiev.
Die Fehler vom NATO-Gipfel in Bukarest 2008 dürften nicht wiederholt werden, sagte der Botschafter. Damals hatte sich vor allem Deutschland unter der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel gegen eine schnelle Aufnahme der Ukraine in das Bündnis gestemmt. "Wäre die Ukraine 2014 bereits NATO-Mitglied gewesen, hätte es die Krim-Annexion, den Krieg im Donbass und jetzt den russischen großangelegten Angriffskrieg sicherlich nicht gegeben", sagte Makeiev.