Krieg in der Ukraine Getreideexporte bleiben riskant
Die Lieferung von Getreide aus der Ukraine ist weiterhin mit enormen Schwierigkeiten verbunden. Russlands Krieg macht das Verschiffen nahezu unmöglich. Trotzdem sollen heute mehrere Konvois auslaufen.
Yevheni steht am Strand von der Kleinstadt Tschornomorsk und blickt das Ufer entlang zum Hafen hinüber. "Wenn Schiffe auslaufen, sieht man das von hier aus gut", meint er. "Wir sehen da drüben den Hafen, den Leuchtturm, und normalerweise sieht man die Schiffe, wie sie losfahren. Dort wo die Kräne stehen, fahren sie normalerweise los - jetzt sieht man nichts."
Yevheni ist 26 und eigentlich in der Marketingbranche. Jetzt versorgt er mit anderen Ehrenamtlichen die ukrainische Armee und Menschen in Not, nahe der Front, aber auch in seiner Heimatstadt Tschornomorsk. "Berlin" steht auf seiner schwarzen Baseball-Mütze.
Zugänge zum Meer versperrt
Das kleine Cafe hat zwar geöffnet, doch der lange helle Sandstrand ist gähnend leer, und grünes Unkraut schießt in die Höhe. Die Zugänge zum Meer sind mit NATO-Draht versperrt. Und auch direkt am tiefblauen Wasser ist so ein Draht ausgerollt. Betreten und Schwimmen sind strengstens verboten, alle paar Meter warnen roten Minenschilder vor der tödlichen Gefahr im Wasser. Ein paar Strandspaziergänger haben dennoch verdächtig nasse Haare.
Erste Frachter sollen heute ablegen
Ein Sprecher des türkischen Präsidenten Erdogan erklärte am Sonntag, es sei wahrscheinlich dass die ersten Frachter heute ablegen könnten. Wann der Konvoi mit den ersten 16 Getreidefrachtern die beteiligten ukrainischen Schwarzmeerhäfen verlässt, ist auf ukrainischer Seite bisher nicht offiziell klar.
Der Export birgt aus ukrainischer Sicht hohe Risiken. Gefahr droht durch unkalkulierbare russische Raketenangriffe und Moskaus Kriegsschiffe im Schwarzen Meer. Russland sei doch zu allem fähig, erklärte der ukrainische Landwirtschaftsminister Mykola Solsky am Sonntag: "Es ist klar, dass wir diesen Export unter schwierigen Bedingungen durchführen, aber es gibt keine andere Möglichkeit", sagt er.
Der erste geplante Schiffskonvoi mit knapp 600.000 Tonnen Getreide legt rund 320 Seemeilen zurück von Odessa nach Istanbul - etwa 600 Kilometer. Er wird vom Kontrollzentrum in Istanbul überwacht. Online - mit Drohnen und über Satellit. Um den Süden vor russischen Angriffen zu schützen, hat die Ukraine zu Beginn des Kriegs die Häfen vermint - und muss nun für sichere Korridore sorgen.
Hohes Risiko, teure Versicherungen
Dmytro Bodnariuk aus Odessa kennt die Weltmeere wie seine Westentasche und schätzt die Lage so ein: "Ich habe lange Jahre als Kapitän gearbeitet, und im November 2019 habe ich Getreide aus der Ukraine aus dem Gebiet Cherson nach China gebracht. Ich weiß also, wie das geht, und das jetzt ist eine schwierige Sache, da der Hafen ja vermint war. Alles das ist sehr schwierig - wenn sie den Korridor für die Schiffe gemacht haben und ihnen wirklich Sicherheit bieten, können sie fahren. Es ist ja für die Ukraine sehr, sehr wichtig."
Aufgrund der Risiken sind die Versicherungen entsprechend teuer. Man habe sich auf die Höhe geeinigt, so der ukrainische Landwirtschaftsminister Mykola Solsky. Die Raten seien zu Beginn teurer, denn viele Unternehmen, und Schiffseigner würden abwarten wie die ersten Exporte verlaufen, sagte Solsky der ukrainischen Nachrichtenagentur "Ukrinform".
Politik, Versicherungen, Reedereien, ausländische und ukrainische Getreidehandelsunternehmen oder ukrainische Landwirte - sie alle setzen darauf, dass es klappt.
"Gehen wir noch ein bisschen weiter", meint Yevheni und schlendert den Strand von Tschornomorsk entlang. Die Grundlage für den Export ist ein ukrainisch-russisches Abkommen, das die Türkei und die Vereinten Nationen vermittelt haben. In dieser Zeit sollten die ukrainischen Häfen nicht angegriffen werden, doch einen Tag später schlugen im Hafen von Odessa Raketen ein.
"Da drüben sieht man Odessa, die Häuser, die Kirche und wo die Raketen eingeschlagen sind, das haben wir von hier aus alles gesehen", sagt Yevheni. Am Sonntagabend schlugen in einem Steinbruch in Odessa erneut zwei Iskander-Raketen ein. Der Stadtrat von Odessa teilte mit, diese seien von der russisch annektierten ukrainischen Halbinsel Krim abgeschossen worden.