"Eine Revolution" Krimtatar wird ukrainischer Verteidigungsminister
Effektiv und führungsstark soll Rustem Umjerow sein - und die vielen Probleme seines Ministeriums anpacken. Dass der designierte ukrainische Verteidigungsminister ein Krimtatar ist, wird als Zeichen gewertet.
Sein Name kursierte schon seit einigen Tagen durch die ukrainische Medienlandschaft. Rustem Umjerow soll in dieser Woche vom ukrainischen Parlament zum neuen Verteidigungsminister ernannt werden. Er wäre der erste Krimtatar auf diesem Posten.
Der 41-jährige ehemalige Abgeordnete gilt als international äußerst gut vernetzt, besonders in die Türkei. Zudem gilt er als angenehmer und kluger Gesprächspartner, der sich in der ukrainischen Politik in der Vergangenheit durch sein Verhandlungsgeschick einen Namen gemacht hat - zuletzt bei den Gesprächen zwischen Russland und der Ukraine über einen Getreidekorridor im von Russland blockierten Schwarzen Meer.
Krimtataren lange diskriminierte Minderheit
Präsident Wolodymyr Selenskyj habe mit der Entscheidung "eine Revolution vollbracht", sagt der krimtatarische Journalist Ajder Muschdabajew im ARD-Interview. "Wenn mir jemand vor zwei oder drei Jahren gesagt hätte, dass ein Krimtatar Verteidigungsminister der Ukraine wird, ich hätte ihm nicht geglaubt."
Die Krimtataren waren lange eine diskriminierte Minderheit in der Ukraine, vor allem aber in der Sowjetunion. Das zeigt sich auch in der Biografie des neuen Verteidigungsministers. Geboren wurde Umjerow 1982 in Usbekistan. Seine Vorfahren waren 1944 unter Stalin als angebliche Landesverräter hierher deportiert worden. Insgesamt ließ Stalin mehr als 200.000 Krimtataren in entlegene Gegenden Zentralasiens verschleppen, etliche überlebten die Deportationen in Viehwaggons nicht. Heute gelten diese Taten in der Ukraine als Völkermord an den Krimtataren.
Schraffiert: von Russland besetzte Gebiete
"Starkes Symbol an den Westen"
Nach der Annexion der Halbinsel Krim im April 2014 durch Russland gerieten die Krimtataren wieder in den Fokus staatlicher Repression. Viele mussten ihre Heimat verlassen. Noch immer sitzen Dutzende Krimtataren als politische Gefangene in Russland im Gefängnis.
Dass Umjerow nun zum Verteidigungsminister ernannt werden soll, ist für Muschdabajew daher auch ein starkes Symbol an den Westen. "Ohne die Krim kann es keinerlei Gespräche über die Zukunft geben", sagt er. "Die Krim ist das Wichtigste. Mit ihr hat alles angefangen."
Ministerium leidet unter strukturellen Problemen
Tetiana Schewtschuk sieht es nüchterner. "In der Ukraine bewerten wir die Effektivität", sagt die Anti-Korruptionsaktivistin vom Anti-Corruption Action Center (AntAC). Die Herkunft sei zweitrangig. Aber Umjerow habe in der Vergangenheit bewiesen, dass er eine effektive Führungskraft sei. Es ist eine Qualität, die dringend nötig ist.
Denn das ukrainische Verteidigungsministerium leidet unter einer ganzen Reihe struktureller Probleme, die lange vor dem russischen Überfall existiert haben. Korruptionsskandale, Versorgungsprobleme der Soldaten, ineffektive Materialverteilung, unzureichende Versorgung der Verwundeten und letztendlich die Mobilisierung. Die Liste der Probleme, die Schewtschuk aufzählt, ist lang.
"Führungsqualitäten von Resnikow nicht ausgereicht"
Die Führungsqualitäten von Ex-Verteidigungsminister Oleksij Resnikow hätten nicht ausgereicht, diese Probleme zu lösen, bilanziert sie. "Um ein Problem zu lösen, muss man es erst einmal zugeben", sagt Schewtschuk. Aber das habe Resnikow nicht getan, ein erwachsener Dialog mit der Gesellschaft habe gefehlt. Laut dem ukrainischen Präsidenten sollen jetzt "neue Ansätze und andere Formen der Interaktion mit Militär und Gesellschaft gefunden werden".
Für Schewtschuk bedeutet das vor allem Transparenz. "Ich denke, er ist ein hervorragender Kandidat", sagt der Abgeordnete Jaroslaw Schelesnjak ukrainischen Medien. Zuletzt hatte Umjerow den staatlichen Vermögensfonds geleitet - ein komplexes Gebilde, mit Tausenden Unternehmen und Interessen, meint Schelesnjak. "Aber Rustem hat ein Jahr ohne einen einzigen Korruptionsskandal überstanden." Dies zeichne ihn nicht nur als anständigen Menschen, sondern auch als guten Manager aus.