Ukrainische Regierung Rücktritte, Entlassungen, Festnahmen
Der Tod eines Ministers und Korruptionsvorwürfe zwingen die Regierung von Präsident Selenskyj, sich mitten im Krieg mit sich selbst zu beschäftigen. Hochrangige Posten müssen neu vergeben werden - auch in Selenskyjs unmittelbarer Umgebung.
Regierungskrise und Kabinettsumbau mitten im Krieg - für Präsident Wolodymyr Selenskyj begann eine Woche dramatischer Ereignisse und innenpolitischer Herausforderungen, als am vergangenen Mittwoch Innenminister Denys Monastyrsky, dessen Stellvertreter und Staatssekretär sowie 14 weitere Menschen bei einem Hubschrauberabsturz bei Kiew ums Leben kamen.
Von einer "Tragödie für das Land" sprach Selenskyj, der nun unter hohem Zeitdruck eine neue Spitze für das Ministerium finden muss. Es vereint viele verschiedene Ressorts, ist für im Krieg wichtige Bereiche wie Polizei, Feuerwehr, den Grenzschutz und die Nationalgarde verantwortlich - Bereiche, die jetzt im Krieg ohne einen Minister auskommen müssen.
Mutmaßliche Korruptionsfälle im Verteidigungsministerium
Gleichzeitig werden gleich zwei Ministerien von mutmaßlichen Korruptionsskandalen erschüttert. Das Verteidigungsministerium soll überteuerte Lebensmittel für Soldaten im Hinterland gekauft haben - die Preise bis zu dreimal höher als im Einzelhandel. Der Vertrag soll umgerechnet gut 300 Millionen Euro umfasst haben.
Verteidigungsminister Olexij Resnikow wurde deshalb am Montag vor die Rada, das ukrainische Parlament, geladen, musste sich einer Befragung stellen. Zu den Vorwürfen teilte er auf seiner Facebook-Seite mit, dass es sich um Missverständnisse handle und versprach Transparenz bei der Aufklärung.
Doch die Ereignisse entwickeln sich in diesen Tagen schnell. Am Morgen trat Resnikows Stellvertreter Wjatscheslaw Schapalow zurück. Schriftlich erklärte er, dass es sich um eine Kampagne gegen das Verteidigungsministerium handeln würde, er aber aus Rücksicht auf wichtigere Themen im Krieg Verantwortung übernehme und zurücktrete.
Stellvertretender Infrastrukturminister in Haft
Klarer ist der Fall von Vize-Infrastrukturminister Wassyl Losynsky. Er soll Bestechungsgeld in Höhe von umgerechnet 400.000 US-Dollar bei der Anschaffung von Generatoren angenommen haben. Wegen Korruptionsvorwürfen wurde er aus dem Amt entlassen und festgenommen.
Der Ermittlungsrichter des Obersten Anti-Korruptionsgerichts der Ukraine entschied, dass er vorerst in Haft bleibt oder eine Kaution von umgerechnet 2,3 Millionen Euro zahlen muss.
Auch zwei weitere stellvertretende Infrastrukturminister traten zurück. Auch sie scheinen im Zusammenhang mit den Korruptionsvorwürfen zu stehen. Gegen weitere Mitarbeiter des Ministeriums soll derzeit noch ermittelt werden.
Personalwechsel auch in der Präsidialverwaltung
Noch schlagzeilenträchtiger aber ist die Demission von Kyrylo Tymoschenko. Der stellvertretende Leiter der Präsidialverwaltung reichte am Morgen seinen Rücktritt ein.
Investigativjournalisten hatten im vergangenen Jahr berichtet, Tymoschenko habe einen von General Motors gespendeten SUV als Dienstwagen genutzt - ursprünglich sei das Auto aber für die Evakuierung von Zivilisten aus den umkämpften Gebieten vorgesehen gewesen. Tymoschenko rechtfertigte sich: Er sei mit dem Wagen dienstlich in Frontgebiete gefahren.
Ebenfalls im vergangenen Jahr wurden Vorwürfe laut, Tymoschenko habe humanitäre Hilfe für die Region Saporischschja unterschlagen. Er bestritt die Vorwürfe.
Tymoschenko kommt wie Selenskyj aus der Filmbranche und soll dem ukrainischen Präsidenten sehr nahe gestanden haben. Kritiker weisen darauf hin, dass durch seine Entlassung der bereits sehr mächtige Chef des Präsidialamtes - Andrij Jermak - noch mächtiger werde.
Was genau zu Tymoschenkos Abgang geführt hat, ist vorerst unklar. Der Umbau der Regierung berührt damit aber auch Selenskyjs unmittelbares Umfeld.
Personalentscheidungen drängen
Der Tod des Innenministers und seines Stellvertreters sowie zahlreiche Rücktritte zwingen die Regierung und den Präsidenten, dringende Personalentscheidungen zu treffen. Auf eine stabile Regierung ist das Land gerade jetzt im Krieg mehr denn je angewiesen - und auf sichtbare Erfolge im Kampf gegen die Korruption im Land.
Denn nur dann fließen dringend benötigte EU-Kredite weiter. Allein in diesem Jahr soll das Land noch 15 Milliarden Euro aus Brüssel erhalten.