Unwetter in Nachbarländern Deutschlands Stromausfälle und erste Evakuierungen
In Polen und Österreich bereiten sich die Menschen auf starkes Hochwasser vor. In Tschechien sind Zehntausende Haushalte ohne Strom, erste Dörfer wurden evakuiert. Auch in Süd- und Ostdeutschland warnen Experten vor Überschwemmungen.
In vielen Ländern Mitteleuropas sind nach anhaltenden Regenfällen die Wasserstände in vielen Flüssen stark gestiegen. In der Nähe der polnischen Stadt Opole in der ehemaligen Provinz Schlesien mussten deswegen mehrere Dörfer evakuiert werden. Aus der Stadt Glucholazy nahe der Grenze zu Tschechien mussten 400 Bewohner in Sicherheit gebracht werden. Hundert Feuerwehrleute und 60 Polizisten seien dort im Einsatz, schrieb Innenminister Tomasz Simoniak. Auch aus dem Ort Morow musste ein Teil der Bewohner evakuiert werden.
Auch der Bürgermeister von Jarnoltowek ordnete die Evakuierung von Bewohnern an, deren Häuser unterhalb eines Staubeckens liegen. Dieses drohte überzulaufen. "Die Situation hat sich sehr zugespitzt, und das innerhalb weniger Minuten. Wir haben wirklich wenig Zeit", sagte der Bürgermeister.
Polen: Höchste Alarmstufe in mehreren Regionen
Die Behörden in Polen riefen die Bürger auf, Vorkehrungen für den Fall von Überschwemmungen zu treffen. Menschen, die in der Nähe von Flüssen im Erdgeschoss wohnten, sollten sich auf Hochwasser einstellen, sagte Vize-Innenminister Wieslaw Lesniakiewicz.
Im Südwesten des Landes ging seit Freitagmorgen mehr Regen nieder als beim sogenannten Jahrtausendhochwasser 1997. In Jarnoltowek in der ehemaligen schlesischen Region Oppeln waren es innerhalb von 24 Stunden 161,5 Millimeter, wie das Meteorologische Institut (IMGW) mitteilte. Das waren 30 Millimeter mehr als der bisherige Rekordwert, der dort im Jahr des Oderhochwassers 1997 gemessen wurde. Landesweit sei die Alarmstufe an 47 Pegelmessstationen überschritten worden.
Tschechien: Häuser und Straßen überflutet
Auch in Tschechien ist die Lage angespannt. Mehr als 60.000 Haushalte sind offenbar ohne Strom. Das berichtete die Agentur CTK unter Berufung auf die Energieversorger. Am stärksten betroffen sei der Nordwesten des Landes an der Grenze zu Sachsen. Allein dort waren demnach vorübergehend mehr als 20.000 Haushalte ohne Elektrizität. Als Grund wurde angegeben, dass wegen der durchnässten Böden und des starken Windes Bäume auf die Stromleitungen fielen.
Ein Fernsehsender veröffentlichte Aufnahmen aus dem Dorf Mikulovice nahe der Grenze zu Polen. Dort ist zu sehen, wie am frühen Morgen die Wassermassen Häuser, Garagen und Straßen überfluten. Im südböhmischen Budweis (Ceske Budejovice) errichten Feuerwehrleute seit Freitagabend Hochwasserschutzwände am Moldauufer.
Meteorologen zufolge werden die Pegelstände der Flüsse in Tschechien am Wochenende weiter ansteigen. Mancherorts hat es seit Freitag bereits 50 bis 110 Liter pro Quadratmeter geregnet.
100-jährliches Hochwasser in Österreich erwartet
Noch mehr Niederschlag wird in Österreich erwartet. In Niederösterreich werden bis zu 300 Liter Niederschlag pro Quadratmeter und orkanartige Windböen erwartet. "Entlang der Donau rechnen wir mit einem zehn- bis 15-jährlichen Hochwasser", sagte er, an den Zuflüssen könne es "punktuell hin zu 100-jährlichen Hochwässern kommen". Im Rahmen der Vorbereitungen wurden unter anderem mobile Hochwasserschutzanlagen aufgebaut und Sandsäcke gefüllt. Auch in Oberösterreich liefen die Vorkehrungen mit Blick auf den Starkregen am Wochenende.
Am Freitagabend kam es bereits in einigen Gemeinden zu ersten Evakuierungen. Betroffen waren Gartensiedlungen entlang von Flüssen. Allein im Bundesland Niederösterreich rückte die Feuerwehr über Nacht zu 160 Einsätzen aus, vor allem wegen Sturmschäden.
Als positiv wurde gewertet, dass der Niederschlag oberhalb von 800 Metern als Schnee niederging, wo er voraussichtlich zunächst nicht zu Überschwemmungen beitragen werde.
Bahn und Autoklub raten von Reisen ab
Am stärksten regnen werde es im Gebiet von Wien, Niederösterreich und dem Burgenland über Oberösterreich, den Großteil von Salzburg und der Obersteiermark bis zum Tiroler Unterland. Die Österreichische Bundesbahn (ÖBB) hatte bereits am Donnerstag vor "Abweichungen und Verspätungen im Zugverkehr" gewarnt und Fahrgäste aufgerufen, bis einschließlich Sonntag "nicht dringende Reisen auf einen anderen Zeitpunkt zu verschieben".
Mehrere Straßen in Österreich waren wegen umgestürzter Bäume oder liegengebliebener Fahrzeuge blockiert. Andere Routen, wie etwa die Großglockner Hochalpenstraße, wurden aus Sicherheitsgründen geschlossen. In manchen Gebieten galt Schneekettenpflicht. Der österreichische Autoklub ÖAMTC appellierte an Autofahrer, wegen des Wetters in den kommenden Tagen "gegebenenfalls auf nicht unbedingt notwendige Fahrten zu verzichten".
Deutscher Alpenrand besonders betroffen
In Deutschland bereiten sich vor allem südliche und östliche Bundesländer auf Überschwemmungen vor. Im Südosten Bayerns gab es bereits kleinere Überschwemmungen. In Oberbayern traten einzelne Bäche über die Ufer, wie ein Sprecher der Polizei berichtete. Im Bayerischen Wald sind ebenfalls die Uferbereiche kleiner Bäche geflutet, in manchen Dörfern gebe es deshalb ein paar überschwemmte Zufahrtswege. Experten warnen allerdings, dass sich Niederschläge an den Flüssen mitunter erst Stunden oder Tage später bemerkbar machen können.
In Passau, wo sich drei Flüsse treffen, sollte mit ersten Sperrungen in der Altstadt in den Abendstunden gerechnet werden, teilte die Stadt mit. Die Einsatzkräfte treffen derzeit dafür die entsprechenden Vorkehrungen und haben bereits mit dem Sandsackverbau begonnen. Der Pegel der Donau betrug am Vormittag um 9.00 Uhr laut Hochwassernachrichtendienst Bayern 6,35 Meter. Am Donnerstagabend waren es noch knapp unter 5 Meter.
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) sagte "eine bis Sonntagfrüh anhaltende Dauerregensituation am Alpenrand" - teils mit Unwettern - voraus. Verbreitet könnte dies demnach zu Mengen zwischen 40 bis 60 Litern pro Quadratmeter führen, ab dem Chiemgau ostwärts in Staulagen von rund 100 Litern pro Quadratmeter.
Warnung vor Überflutungen und möglichen Erdrutschen
Auch im Süden und Osten von Sachsen fielen seit Freitag binnen 24 Stunden 30 bis 50 Liter Wasser pro Quadratmeter. Im Erzgebirge und in der Oberlausitz waren es zwischen 70 und knapp 100 Liter. Es besteht laut einer Warnung des DWD vom Donnerstag Gefahr für Leib und Leben durch Überflutungen von Straßen, Unterführungen und gewässernahen Gebäuden sowie durch mögliche Erdrutsche.
An der Elbe in Sachsen werden die höchsten Wasserstände derzeit ab Mittwoch und Donnerstag kommender Woche erwartet. Deswegen drängt die Zeit bei den Abrissarbeiten am eingestürzten Teil der Dresdner Carolabrücke. "Wir arbeiten wirklich mit Hochdruck gegen die Zeit", sagte ein Feuerwehrsprecher. Man komme aber gut voran. Eine Spezialfirma arbeite rund um die Uhr, um die Trümmerteile zu beseitigen, berichtet der MDR in einem Liveblog.
Geplant ist, mit Ausnahme des am frühen Mittwochmorgen in den Fluss gestürzten Abschnitts den gesamten Bereich des Brückenzuges C zu beräumen. So sollen Folgeschäden beim drohenden Hochwasser vermieden werden. Die Arbeiten sollen nach bisherigen Angaben bis Sonntagabend erledigt sein. Inzwischen stehen dazu auch Bergepanzer der Bundeswehr vor Ort bereit. Sie könnten helfen, wenn sich etwa Fahrzeuge festfahren oder kaputtgehen.
Die Aufräumarbeiten an der Carolabrücke laufen auf Hochtouren - begleitet von einigen Zuschauern.
Regenfälle durch Tief "Anett"
Ausgelöst werden die Regenfälle durch eine seltene Wetterlage, bei der ein Tief aus dem warmen Mittelmeerraum im Alpenraum auf polare Kaltluft trifft. Solche Entwicklungen führten häufig zu ergiebigen, manchmal auch zu extremen Niederschlägen und Unwettern, erklärt Rainer Behrendt vom ARD-Wetterkompetenzzentrum. Viel Feuchtigkeit vom zuletzt stark überwärmten Mittelmeer begünstigten dies im Fall des Tiefs "Anett" in außerordentlichem Maß.