Präsidentenwahl im Iran Auch bis Mitternacht wählen hilft nicht
Die Wahlbeteiligung im Iran war schwach, obwohl die Wahllokale lange offen blieben. Wie ist die Stimmung bei den Menschen am Tag danach? Nächsten Freitag entscheiden sie in einer Stichwahl über den Präsidenten.
Am Vormittag nach dem Wahltag gibt der Sprecher des Innenministeriums die vorläufigen Ergebnisse bekannt. Er bestätigt das, was sich schon mit den ersten Zwischenergebnissen angebahnt hatte: Kein Kandidat erreicht im ersten Wahlgang die nötige absolute Mehrheit der Stimmen. Und: Der als gemäßigt geltende Masoud Massud Peseschkian schafft es in die Stichwahl.
Dazu beigetragen haben Wähler wie der 29-jährige Naser aus Teheran: "Bei den letzten drei Wahlen habe ich nicht gewählt, aber dieses Mal habe ich für Peseschkian gestimmt. Weil ich dachte, Nichtwählen trägt nicht dazu bei, die Haltung des Regimes zu ändern. Also habe ich gewählt."
Schwache Wahlbeteiligung
Einige werden so gedacht haben. Dennoch ist die Wahlbeteiligung ähnlich schwach wie bei der Parlamentswahl Anfang März - nämlich kaum über 40 Prozent. Bei der damaligen Wahl des vor Kurzem gestorbenen Präsidenten Ebrahim Raisi vor drei Jahren lag sie immerhin noch bei fast 49 Prozent. Dieses Mal half es auch nicht, die Wahllokale spontan statt am frühen Abend erst um Mitternacht zu schließen. Obendrein liegt mit Peseschkian nun auch noch ein gemäßigter Kandidat vorn.
Der 36-jährige Sasan hat nicht gewählt. Aber er freut sich über das Ergebnis: "Mir scheint, es hat eine kollektive Weisheit entschieden - so sehe ich die Ergebnisse: Die geringste Wahlbeteiligung in unserer Geschichte und der Kandidat, der als regimekritisch gilt, hat die meisten Stimmen erhalten." Die Anzahl seiner Stimmen sei nicht wichtig, die Botschaft sei wichtiger.
Peseschkian erhielt im ersten Wahlgang zwar die meisten Stimmen, verfehlte jedoch die notwendige absolute Mehrheit.
Peseschkian weckt ein wenig Hoffnung
Peseschkian als regimekritisch zu bezeichnen, geht sicher zu weit. Immerhin ist er zur Wahl zugelassen worden. Und er hat seine Treue zum obersten Führer des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, betont. Doch er hat auch Hoffnungen geweckt bei den Menschen - etwa auf einen weniger autoritär durchgreifenden Staat, auch und gerade bei der Kopftuchpflicht.
Eine junge Frau zupft am Morgen nach der Wahl an ihrem Kopftuch und sagt: "Ich erwarte, dass der neue Präsident positive Schritte für das Land unternimmt. Das heißt, er sollte ein Mensch sein und so handeln, nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten."
Dschalili aus dem erzkonservativen Lager tritt gegen Peseschkian in der Stichwahl an.
Stichwahl für Anfang Juli geplant
Ob Peseschkian als Sieger der ersten Wahlrunde neuer Präsident des Landes wird, ist jedoch fraglich. Denn die Kandidaten aus dem erzkonservativen Lager, Mohammed Bagher Ghalibaf und Said Dschalili haben sich gegenseitig Konkurrenz gemacht. Nun kommt es nächsten Freitag zu einer Stichwahl zwischen den beiden Bestplatzierten Peseschkiann und Dschalili.
Der Politikwissenschaftler Yaser Erschadmanesh hat im Wahlkampf für Dschalili gearbeitet. Der werde im zweiten Durchgang gewinnen: "Trotz seines Einflusses von Herrn Ghalibaf hat er es nicht in die zweite Runde geschafft. Seine Wähler werden nun sehr wahrscheinlich für Dschalili stimmen und dann wird er der gewählte Präsident sein."
Was ist mit den Nichtwählern?
Rein rechnerisch geht das auf. Allzu sicher kann er sich aber nicht sein. Denn es ist nicht vorherzusagen, wie viele Nichtwähler nun womöglich an der Stichwahl teilnehmen - und sich für Peseschkian entscheiden.
Für Hasan, Betreiber eines kleinen Lebensmittelladens, spielt jedoch nicht mal das eine Rolle. Er ist fertig mit dem Regime. Sechs von zehn Wählerinnen und Wählern haben nicht gewählt - so wie er selbst. Das Regime habe keinen Rückhalt mehr. "Überrascht bin ich nicht. Es hatte sich abgezeichnet", sagt er. "Aber es zeigt: Das System verfügt über keine Legitimation mehr und es hat keine Zukunft."