Wolodymyr Selenskyj, Archivbild
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Krieg gegen die Ukraine ++ Selenskyj drängt EU zu rascher Einigung ++

Stand: 30.05.2022 23:31 Uhr

In einer Videobotschaft hat der ukrainische Präsident Selenskyj die EU-Staaten zur baldigen Einigung auf Sanktionen aufgerufen. Gazprom will ab Dienstag kein Gas mehr an die Niederlande liefern. Die Entwicklungen vom Montag zum Nachlesen.

30.05.2022 • 23:31 Uhr

Ende des Liveblogs

Wir beenden den Liveblog für heute und danken für Ihr Interesse! Am Dienstag geht es hier weiter:

Den 27 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union ist es der Nachrichtenagentur Reuters zufolge bis zum späten Abend nicht gelungen, sich auf ein Öl-Embargo gegen Russland zu verständigen. Es sei realistischer, eine Einigung erst in ein paar Wochen zu erwarten, sagte die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas demnach. Dies könne auch erst beim nächsten EU-Gipfel am 23. und 24. Juni der Fall sein.

Nach dem Tod eines französischen Kriegsreporters in der Ukraine hat die Anti-Terror-Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen Kriegsverbrechen eingeleitet. Die Untersuchungen wurdenunter anderem wegen vorsätzlichen Angriffs auf das Leben einer durch das Völkerrecht geschützten Person aufgenommen, wie die französische Nachrichtenagentur AFP berichtete.

Der TV-Journalist Frédéric Leclerc-Imhoff kam am Montag bei Sjewjerodonezk in der Ostukraine ums Leben, als er eine humanitäre Evakuierung begleitete. Der 32 Jahre alte Reporter wurde von einem Bombensplitter getroffen. Es war sein zweiter Einsatz in der Ukraine seit Beginn des russischen Angriffskriegs am 24. Februar. Ein Kollege, der mit ihm unterwegs war, wurde leicht verletzt. Auch wegen dessen Verletzungen wurden Ermittlungen eingeleitet, wie AFP unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft weiter berichtete. Seit Beginn des russischen Kriegs auf die Ukraine ermittelt die Behörde in mindestens fünf weiteren Fällen wegen Kriegsverbrechen gegen französische Staatsangehörige in der Ukraine.

Russische Truppen sind nach ukrainischen Angaben in die schwer umkämpfte Großstadt Sjewjerodonezk im Osten der Ukraine vorgedrungen. Es gebe einen Straßenkampf, schrieb der Gouverneur des Gebietes Luhansk, Serhij Hajdaj, in seinem Telegram-Kanal. Er empfahl Bewohnern der Stadt, in Notunterkünften zu bleiben. Sjewjerodonezk ist seit Monaten Ziel von russischen Angriffen. Die Stadt gilt als letzter Punkt, den das ukrainische Militär in der Region Luhansk noch kontrolliert. Am Morgen hatten die russischen Truppen nach Angaben des Generalstabs noch am Stadtrand und in den Außenbezirken gekämpft.

Im Osten der Ukraine haben Russland und die Ukraine weitere zivile Todesopfer beklagt. Im Gebiet Donezk seien drei Menschen durch russischen Beschuss getötet worden, teilte Gouverneur Pawlo Kyrylenko auf Telegram mit. In der Region Charkiw starb nach Angaben der Online-Zeitung "Ukrajinska Prawda" ein Mann durch russische Granaten. Die russische Seite sprach der Agentur Tass zufolge von zwei getöteten Zivilisten durch ukrainische Angriffe im Gebiet Donezk sowie zwei getöteten Frauen im Gebiet Luhansk. Die Angaben sind nicht unabhängig zu prüfen.

Russland nahm Tausende ukrainische Kämpfer in Kriegsgefangenschaft - auch die Verteidiger von Mariupol aus dem Asow-Stahlwerk. In Kiew meldeten sich nun deren Ehefrauen, Mütter und Schwestern zu Wort.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die EU-Staats- und Regierungschefs zur Einheit und zur baldigen Einigung auf das nächste Sanktionspaket gegen Russland aufgerufen. "Interne Streitigkeiten führen nur dazu, dass Russland den Druck auf Europa erhöht", sagte Selenskyj in seiner knapp zehn Minuten dauernden Videobotschaft zum Auftakt des EU-Sondergipfels.  Er bedankte sich bei allen, die das sechste Sanktionspaket voranbringen wollen. "Aber leider ist es noch nicht so weit", sagte er.

Im Unterschied zu einer früheren Ansprache des ukrainischen Präsidenten auf einem EU-Gipfel wandte er sich nicht an einzelne Staats- und Regierungschefs sondern an alle 27.  "Es ist Zeit für Sie, nicht einzeln zu handeln, sondern gemeinsam", sagte Selenskyj. "Warum hängen Sie von Russland ab und vom russischen Druck, und warum ist das nicht umgekehrt", sagte der ukrainische Präsident in Anspielung auf die Abhängigkeit der europäischen Staaten von russischen Gas- und Öllieferungen. 

Die US-Regierung will keine Raketensysteme an die Ukraine liefern, die eine Reichweite bis nach Russland haben. Man werde keine Raketensysteme in die Ukraine schicken, die russisches Territorium treffen könnten, sagte US-Präsident Joe Biden auf eine entsprechende Frage von Reportern.

Diese Entscheidung sei "vernünftig", schrieb der stellvertretende Chef des russischen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew, auf Twitter. "Ansonsten, wenn unsere Städte attackiert werden, würden die russischen Streitkräfte ihre Drohung wahr machen und Zentren angreifen, in denen solche kriminellen Entscheidungen getroffen werden." Medwedew fügte hinzu: "Einige davon sind nicht in Kiew."

Der Fernsehsender CNN hatte vor wenigen Tagen unter Berufung auf Beamte berichtet, die US-Regierung erwäge, fortschrittliche Mehrfachraketenwerfer mit hoher Reichweite in die Ukraine zu schicken. Die in den USA hergestellten Artilleriesysteme MLRS und HIMARS könnten Geschosse über bis zu 300 Kilometer abfeuern.

Die Juso-Bundesvorsitzende Jessica Rosenthal lehnt die Einigung der Ampelkoalition mit der Union auf ein Sondervermögen Bundeswehr ab. "Ich bin nicht bereit, für ein Sondervermögen Bundeswehr am Grundgesetz herumzudoktern, obwohl der Fehler an ganz anderer Stelle liegt", schreibt die SPD-Abgeordnete in einem Gastbeitrag für den "Spiegel". Sie lehne das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen zwar nicht aus Prinzip ab. Es greife aber viel zu kurz. "Was sollen wir antworten, wenn Pflegekräfte fragen, warum 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr da sind, aber kein Geld für bessere Bezahlung oder eine ausfinanzierte Krankenhausinfrastruktur?"

Es sei absolut nachvollziehbar, wenn Eltern danach fragten, warum ihre Kinder die Schultoilette nicht benutzen wollten, weil angeblich kein Geld für die Sanierung da sei, erklärt sie weiter. "Wir aber halten lieber die Schuldenbremse ein, anstatt in unsere Gesellschaft zu investieren."

Frankreichs neue Außenministerin Catherine Colonna hat der Ukraine weitere Militärhilfe im Kampf gegen die russischen Invasionstruppen zugesagt. Paris werde die Waffenlieferungen "weiter verstärken", sagte Colonna in Kiew bei einer Pressekonferenz mit ihrem ukrainischen Kollegen Dmytro Kuleba. Die neuen Waffen sollen demnach in den kommenden Wochen eintreffen.  

Mit ihrem Antrittsbesuch in Kiew wollte Colonna nach Angaben ihres Ministeriums die "Solidarität Frankreichs mit dem ukrainischen Volk" zum Ausdruck bringen. Neben Kuleba traf sie sich auch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Im Mittelpunkt ihres Gesprächs stand die von Moskau verhängte Blockade der ukrainischen Häfen und deren Auswirkungen auf die weltweite Ernährungssicherheit. 

Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich unbeeindruckt von den Warnungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin vor weiteren Waffenlieferungen des Westens in die Ukraine gezeigt. Man dürfe sich keine Angst machen lassen, sagte der SPD-Politiker in den ARD-tagesthemen. "Und deswegen werden wir fortfahren mit dem, was wir angefangen haben." Dazu gehörten neben weiteren Waffenlieferungen an die Ukraine auch die bessere Ausrüstung der Bundeswehr über das geplante 100-Milliarden-Programm. Deutschland werde "die Ukraine so lange unterstützen, wie das notwendig ist", betonte Scholz.

Die ukrainische Regierung kritisiert die ihrer Ansicht nach schleppenden Fortschritte auf dem Weg zur gewünschten Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Man habe die Nase voll von Sonderlösungen die Integration in die EU, sagte Außenminister Dmytro Kuleba. "Wir brauchen eine klare rechtliche Bestätigung, dass die Ukraine ein Teil des europäischen Integrationsprojekts ist, und eine solche Bestätigung wäre die Gewährung eines Kandidatenstatus", sagt er nach einem Treffen mit seiner französischen Amtskollegin Catherine Colonna in Kiew.

Russland füllt nach den Worten eines Gewerkschaftschefs derzeit seine Getreidespeicher auf, statt Getreide ins Ausland zu liefern. Die Getreidevorräte lägen derzeit rund 20 Prozent über dem Stand des Vorjahres, sagte Gewerkschaftschef Arkadi Slotschewski unter Berufung auf die Statistikbehörde Rosstat. Gleichzeitig betonte er, Russland beschränke "in keiner Weise" seine Getreideexporte ins Ausland. Bei Weizen habe das Land beispielsweise eine Exportkapazität von rund 40 Millionen Tonnen, "und 36 Millionen werden wir bis Ende der Saison exportieren".

Slotschewski sprach von einer "Informations-Hysterie" über angeblich drohende Hungersnöte, die zu Preissteigerungen führe. Tatsächlich sei die Ernährungssicherheit nicht gefährdet. "Sobald die Hysterie vorüber ist, werden die Preise sinken", sagte der der Chef der Getreidegewerkschaft. Die russische Getreideernte werde in diesem Jahr voraussichtlich bei 120 Millionen Tonnen liegen und damit unter den vom Agrarministerium prognostizierten 130 Millionen Tonnen. 

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat erneut Istanbul als Verhandlungsort für mögliche Gespräche zwischen der Ukraine, Russland und den Vereinten Nationen angeboten. Die Türkei könne dabei eine Beobachterrolle übernehmen, hieß es von türkischer Seite nach einem Telefonat Erdogans mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Russland ist nach Worten von Präsident Wladimir Putin bei einer Aufhebung von Sanktionen gegen Moskau zu kräftigen Exporten von Düngemitteln und Lebensmitteln bereit. Das teilt der Kreml nach einem Telefonat von Putin mit dem türkischen Präsidenten Tayyip Recep Erdogan mit. Außerdem würde Russland bei einem Ende der Strafmaßnahmen in Abstimmung mit der Türkei die Ausfuhr von Getreide aus ukrainischen Häfen ermöglichen.

Der Westen wirft Putin vor, die Welt mit einer Blockade des ukrainischen Getreides zu erpressen. Am Mittwoch hatte der russische Vize-Außenminister Andrej Rudenko erklärt, Russland sei bereit, einen Korridor für Schiffe einzurichten, die Getreide aus der Ukraine bringen sollen. Im Gegenzug müssten aber einige Sanktionen gegen Russland aufgehoben werden.

Ukrainischen Soldaten des Asow-Regiments, die sich im ostukrainischen Mariupol ergeben haben, droht nach den Worten eines führenden Vertreters der pro-russischen Separatisten die Todesstrafe. Die russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti zitierte Jurij Sirowatko, den Justizminister der selbsternannten Volksrepublik Donezk, mit der Aussage, für die "Straftaten", die den Kämpfern vorgeworfen würden, "haben wir die schwerste Strafe: die Todesstrafe".

Alle "Kriegsgefangenen" befänden sich auf dem "Gebiet der DNR", also der selbsternannten Volksrepublik. Darunter seien 2300 Kämpfer aus dem Asow-Stahlwerk. Sirowatko ergänzte, das Asow-Regiment werde "als terroristische Organisation betrachtet", gegen alle ihm angehörigen Kämpfer werde "strafrechtlich ermittelt".

Das russische Staatsunternehmen Gazprom will ab morgen kein Gas mehr an die Niederlande liefern. Gazprom werde vom 31. Mai bis zum 30. September bestellte zwei Milliarden Kubikmeter Gas nicht liefern, teilte das niederländische Gasunternehmen GasTerra in Groningen mit. Grund sei, dass die Niederländer sich weigerten, die Rechnungen in Rubel zu bezahlen. Nach Angaben von GasTerra wird es aber nicht zu Versorgungsengpässen kommen, da bereits anderswo Gas eingekauft worden sei. Der Vertrag mit Gazprom läuft zum 1. Oktober aus.

US-Präsident Joe Biden hat die Lieferung von Mehrfachraketenwerfern an die Ukraine ausgeschlossen, die Ziele in Russland erreichen könnten. "Wir werden der Ukraine keine Raketensysteme liefern, die in Russland angreifen können", sagte Biden. Damit wendet sich der US-Präsident gegen die mehrfache Bitte der Regierung in Kiew, diese Waffensysteme zu erhalten.

Angesichts der jüngsten militärischen Erfolge Russlands im Osten der Ukraine hatte die ukrainische Regierung in den vergangenen Tagen um uneingeschränkte militärische Unterstützung aus dem Westen gebeten. Außenminister Dmytro Kuleba hatte am vergangenen Donnerstag auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos gesagt, die Ukraine brauche unter anderem "dringend" Raketenwerfer-Systeme, um sich gegen die russischen Streitkräfte wehren zu können.

Ein französischer Journalist ist in der Ukraine getötet worden. Frédéric Leclerc-Imhoff sei in einem Bus mit Zivilisten unterwegs gewesen, schrieb Frankreichs Präsident Emmanuel Macron auf Twitter. "Ich teile das Leid seiner Familie, Angehörigen und Kollegen", betonte Macron. Er sprach allen, die in Krisengebieten im Einsatz seien, um über das Geschehen dort zu berichten, die Unterstützung Frankreichs aus.  Die Umstände seines Todes waren zunächst unklar. Leclerc-Imhoff, der für den Sender BFM-TV arbeitete, sei mit Zivilisten unterwegs gewesen, die vor dem Krieg fliehen wollten. Er sei "tödlich getroffen" worden, schrieb Macron.

Anm. d. Red: Zuvor war von einer Journalistin berichtet worden. Wir haben die Meldung entsprechend überarbeitet.

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen glaubt nicht an eine schnelle Lösung des Streits um ein europäisches Öl-Embargo gegen Russland. Es sei wichtig, dass ein Embargo niemanden in der EU unfair belaste, sagte sie vor Beginn eines EU-Gipfels in Brüssel. "Und genau diese Frage haben wir noch nicht gelöst."

Ihren Angaben zufolge gibt es verschiedene Lösungsideen, aber noch keine gemeinsame Position. Die Wahrscheinlichkeit, dass es einen Kompromiss beim Gipfel gebe, sei nicht sehr hoch, sagte sie. Zudem rief von der Leyen die EU-Länder zu Geschlossenheit auf. "Wir haben einen Schlüssel zum Erfolg, und dieser ist Solidarität mit der Ukraine und die Einigkeit der Europäischen Union", sagte sie.

EU-Ratspräsident Charles Michel zeigte sich hingegen optimistisch, beim Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs eine Einigung im Streit über das geplante europäische Öl-Embargo gegen Russland zu finden. In der EU herrscht Uneinigkeit über diesen Schritt. Vor allem Ungarn blockiert derzeit ein entschiedeneres Vorgehen gegen Importe russischen Öls in die EU.

Österreichs Kanzler Karl Nehammer will im Zusammenhang mit Sanktionen gegen Russland auch über einen möglichen Importstopp von Uran sprechen. Auch das gelte es "redlicherweise" zu thematisieren, sagte der konservative Politiker im Vorfeld des EU-Gipfels zu den Abgeordneten des österreichischen Parlaments.

Deutschland und Polen haben vor dem EU-Gipfel ihren Willen bekräftigt, bis zum Ende des Jahres einen Importstopp für russisches Öl zu verhängen. Dies gelte auch dann, wenn die EU mit Blick auf Ungarn und weitere Staaten Ausnahmen beim geplanten Ölembargo zulasse, hieß esaus Diplomatenkreisen in Brüssel.  Ein kurz vor dem Gipfel angestrebter Kompromiss zum Embargo sieht vor, dass Öllieferungen über Pipelines auf unbestimmte Zeit ausgenommen werden sollen. Dies hätte theoretisch die Möglichkeit eröffnet, dass Deutschland auch von der Ausnahme hätte profitieren können. 

Eine Arbeitsgruppe aus Bund und Ländern hat Beratungen zur Zukunft des Raffinerie-Standorts Schwedt aufgenommen. Wirtschaftsstaatssekretär Michael Kellner erklärte nach der Auftaktsitzung einer Projektgruppe, es räche sich, dass ein russischer Energiekonzern in den vergangenen Jahren einen so starken Einfluss auf die Versorgungssituation bekommen habe. "Daher müssen wir hier gemeinsam und mit ganzer Kraft für eine Zukunft des Standortes ohne russisches Öl kämpfen." Die Raffinerie PCK in Schwedt gehört mehrheitlich der deutschen Tochter des russischen Staatskonzerns Rosneft und verarbeitet in erster Linie russisches Öl aus der Druschba-Pipeline. Eine Bund-Länder-Projektgruppe soll zukunftsfähige Lösungen für den Standort und seine Beschäftigten erarbeiten. In der Gruppe sind mehrere Bundesministerien vertreten sowie die Länder Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.

Für die nach Deutschland geflohenen ukrainischen Kinder und Jugendlichen werden einer Studie zufolge zusätzlich rund 13.500 Lehrkräfte und 11.400 Erzieherinnen benötigt. Wenn die aktuellen Betreuungsbedingungen beibehalten werden sollen, müssten für Schülerinnen und Schüler der fünften bis zehnten Klassen bundesweit 4.000 neue Klassen gebildet werden, wie aus der in Köln veröffentlichten Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft hervorgeht.

Allein hierfür wären rund 7.000 Lehrkräfte notwendig. In der Studie wird angenommen, dass die geflüchteten Familien das Betreuungsangebot der Kindertagesstätten im gleichen Umfang nutzen wie Familien in Deutschland bisher. Bei der aktuellen Flüchtlingsbewegung würden demnach zusätzlich rund 49.000 Kinder eine Kita besuchen.

Kurz vor Beginn des EU-Gipfels zeichnet sich eine Einigung auf ein abgestuftes Ölembargo ab. Öllieferungen über Pipelines sollen nach einem Entwurf der Gipfelerklärung von dem Embargo zunächst ausgeschlossen werden. Das sechste Sanktionspaket solle so schnell wie möglich beschlossen und umgesetzt werden, heißt es in dem Entwurf, der AFP vorlag. EU-Diplomaten zufolge könnte Ungarn seinen Widerstand gegen die Embargo-Pläne nun aufgeben.

Die Botschafter der Mitgliedsländer hatten noch bis kurz vor Beginn des Treffens am Nachmittag über das Ölembargo verhandelt. Neben Ungarn hatten auch die Slowakei und Tschechien Einwände dagegen geäußert. Alle drei Länder werden vor allem über die Druschba-Pipeline mit russischem Öl versorgt. Nach Angaben eines Diplomaten gibt es eine grundsätzliche Einigung auf ein Embargo. Demnach soll dieses in zwei Schritten greifen: zunächst nur für Schiffslieferungen und zu einem späteren Zeitpunkt auch für Pipeline-Öl. "Aber es ist verfrüht, jetzt ein Datum festzulegen", sagte der Diplomat weiter. Es müsse auf spezifische Bedürfnisse einzelner Länder eingegangen werden.

In der ukrainischen Stadt Sjewjerodonezk gibt es nach Angaben des Bürgermeisters Olexandr Striuk heftige Straßenkämpfe. Die Russen seien in Sjewjerodonezk einmarschiert, sagte Striuk der Nachrichtenagentur AP in einem Telefoninterview. Die Ukrainer versuchten, sie aus der Stadt zu verdrängen. Die russischen Soldaten seien einige Häuserblocks an das Stadtzentrum herangerückt. "Wir haben keinen Strom und keine Kommunikationsmittel. Die Stadt ist komplett zerstört worden." Striuk sagte, 12.000 bis 13.000 Zivilisten hätten in Kellern und Bunkern in der Stadt Zuflucht vor dem russischen Beschuss gesucht. Stündlich nehme die Zahl der Opfer zu. "Aber wir können die Toten und die Verletzen angesichts der Straßenkämpfe nicht zählen." Seit Beginn des russischen Kriegs in der Ukraine seien 1500 Bewohner von Sjewjerodonezk getötet worden, sagte Striuk.

Stephan Laack, Stephan Laack, WDR, 30.05.2022 16:10 Uhr

Das russische Militär hat nach eigenen Angaben eine Werft in der Großstadt Mykolajiw im Süden der Ukraine beschossen. "Durch einen Artillerieschlag auf einen Hangar auf dem Territorium der Schiffbaufabrik "Ozean" in der Stadt Mykolajiw wurden mehr als 15 ukrainische Kampf- und Schützenpanzer und 5 große Artilleriesysteme vernichtet", sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow. Mit Luft-, Raketen- und Artillerieangriffen seien zudem in den vergangenen 24 Stunden Dutzende Kommandopunkte und Gefechtsstände im ostukrainischen Donbass-Gebiet, Fernmeldestellen und zahlreiche Truppenansammlungen vernichtet worden. Konaschenkow sprach von mehr als 320 getöteten ukrainischen Soldaten und 47 außer Gefecht gesetzten Militärfahrzeugen. Unabhängig konnten diese Angaben nicht überprüft werden.

Die Bundesregierung hat sich auf Regelungen für die unkomplizierte Aufnahme von Russinnen und Russen geeinigt, die in ihrem Heimatland als besonders gefährdet gelten. "Die immer brutalere Aggression Russlands gegen die Ukraine wird von immer stärkerer Repression nach innen begleitet, insbesondere gegen die Presse, gegen Menschenrechtler und Oppositionelle", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser der Nachrichtenagentur dpa. Zunächst hatten die Zeitungen der Funke-Mediengruppe über die Neuregelung berichtet.

"Wir bieten Russinnen und Russen, die verfolgt und bedroht werden, in Deutschland Schutz", erklärte die SPD-Politikerin. "Und wir werden insbesondere russischen Journalistinnen und Journalisten die Möglichkeit geben, von Deutschland aus frei und unabhängig zu berichten."

Die russisch-orthodoxe Auslandskirche hat sich von der Legitimierung des Ukraine-Krieges durch den Moskauer Patriarchen Kyrill I. distanziert. "Ich halte diesen Krieg für ein Verbrechen", sagte der Interimsleiter der Kirche, Metropolit Mark (Arndt), im Interview des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Manche meinten, es sei etwa ein Fehler der ukrainischen Regierung gewesen, "in den Schulen den Gebrauch der russischen Sprache zu verbieten", so der Metropolit von Deutschland. "Wahrscheinlich ist das so. Dies kann aber niemals die Rechtfertigung für einen Krieg sein", sagte der 81-Jährige.

Mark nannte die Behauptung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, in Kiew regierten Nazis, "Unsinn": "Es gibt in der Westukraine tatsächlich kleine Gruppierungen, die dem Geist des früheren NS-Kollaborateurs Stepan Bandera nahestehen. Das ist aber auch alles." Das russische Militär solle sich vollkommen aus der Ukraine zurückziehen, so Mark. Er sprach sich für eine Aufnahme der Ukraine in die EU aus, "auch wenn dies auf russischer Seite wieder große Ressentiments hervorrufen kann". Russlands Krieg werde seine Kirche "ganz sicher" verändern, "und leider nicht zum Guten". "Mir fällt es schwer zu glauben, dass der ukrainische Teil unserer Kirche bei dem russischen bleiben will", so Mark; "und die Ukrainer sind die gläubigsten Mitglieder in der russisch-orthodoxen Kirche".

Bei russischem Beschuss sind in der ukrainischen Stadt Sjewjerodonezk nach Angaben des Gouverneurs von Luhansk, Serhij Gaidai, zwei Zivilisten getötet und fünf verletzt worden. Die russischen Truppen bewegten sich auf das nahegelegene Lyssytschansk zu, sagte er. Nach Angaben des ukrainischen Militärs verstärkt Russland seine Truppen im Nordosten und Südosten von Sjewjerodonezk. Die russischen Streitkräfte holten zusätzliche Ausrüstung und Munition für ihre Offensive in die Gegend, teilte das ukrainische Militär mit. Nach ukrainischen Angaben hatten die russischen Soldaten die Stadt gestürmt, nachdem es ihnen nicht gelungen war, sie einzukesseln.

Sjewjerodonezk ist das Verwaltungszentrum der Region Luhansk. Die Stadt befindet sich 143 Kilometer südlich der Grenze zu Russland. Luhansk ist zusammen mit Donezk Teil des Donbass. Das russische Militär versucht, den gesamten Donbass einzunehmen. Sjewjerodonezk und Lyssytschansk sind die letzten größeren Gebiete, die in Luhansk noch von der ukrainischen Regierung kontrolliert werden.

In der von Russland kontrollierten Region Cherson ist mit der Ausfuhr von ukrainischem Getreide nach Russland begonnen worden. Das berichtet die Nachrichtenagentur Tass. Ein Teil des im vergangenen Jahr geernteten Getreides werde aus den Speichern entnommen, sagt der Vize-Chef der Militär- und Zivilverwaltung, Kirill Stremoussow. Grundlage seien Vereinbarungen mit Käufern auf russischer Seite. Die Verwaltung arbeite zudem daraufhin, örtliche und russische Produktionsanlagen mit Sonnenblumenkernen zu beliefern. Die Ukraine hatte Russland unlängst vorgeworfen, in den besetzten Gebieten Getreide zu stehlen.

Seit Beginn des russischen Angriffs hat der polnische Grenzschutz 3,7 Millionen Einreisen aus dem östlichen Nachbarland registriert. Am Sonntag kamen 21.700 Menschen über die Grenze nach Polen. In Richtung Ukraine überquerten am Sonntag 28.600 Menschen die Grenze. Insgesamt sind seit Kriegsbeginn am 24. Februar knapp 1,7 Millionen von Polen aus in die Ukraine eingereist. Dabei handelte es sich nach Angaben der Behörden zum Großteil um ukrainische Staatsbürger. Sie reisen meist in Gebiete, die die ukrainische Armee zurückerobert hat. Es gibt keine offiziellen Angaben, wie viele der Kriegsflüchtlinge in Polen geblieben und wie viele in andere EU-Staaten weitergereist sind. Das polnische Bildungsministerium schätzt, dass mit Beginn des kommenden Schuljahres am 1. September bis zu 400.000 Mädchen und Jungen aus der Ukraine den Unterricht an polnischen Schulen aufnehmen werden. Derzeit lernen 195.000 Schüler aus dem Nachbarland an polnischen Schulen, sagte Vize-Bildungsminister Tomasz Rzymkowski.

Bei einem Sprengstoffanschlag in der von russischen Truppen besetzten Stadt Melitopol im Süden der Ukraine sind mindestens drei Menschen verletzt worden. "Heute um 7.40 Uhr hat es eine mächtige Explosion direkt im Stadtzentrum gegeben", schrieb der Chef der russischen Militärverwaltung, Wladimir Rogow, in seinem Telegram-Kanal. Rogow sprach von einem Terroranschlag. Den Berichten nach soll eine unter einem geparkten Fahrzeug angebrachte Bombe am Platz des Sieges detoniert sein. An dem Platz liegt auch das von den Russen besetzte Verwaltungsgebäude. Der Sprengsatz habe Freiwillige verletzt, die russische Hilfslieferungen an die Bevölkerung ausgeladen hätten, berichten russische Medien. Melitopol gehört zur Region Saporischschja im Süden der Ukraine und dient den Russen als Verwaltungszentrum, da die Gebietshauptstadt selbst noch unter Kontrolle Kiews steht. In der Region wurden in den vergangenen Wochen schon verstärkte Partisanenaktivitäten der Ukrainer gemeldet - mit Anschlägen auf Infrastruktur, russische Soldaten, aber auch Kollaborateure, die mit den russischen Besatzern zusammenarbeiten.

Russland hat nach britischen Erkenntnissen "verheerende Verluste" in seinem Offizierskorps erlitten. Brigade- und Bataillonskommandeure seien an vorderster Front aktiv, teilte das Verteidigungsministerium in London am Montag unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse mit. Dies liege zum einen daran, dass sie für den Erfolg ihrer Einheiten persönlich verantwortlich gemacht würden. Zudem fehlten der russischen Armee qualifizierte Unteroffiziere, die bei westlichen Streitkräften diese Rolle erfüllten.

Diese schweren Verluste aber hätten mehrere Folgen für die russischen Streitkräfte, betonte das Ministerium. So seien neu zusammengestellte Bataillone wegen des Mangels an Nachwuchsführungskräften vermutlich weniger effektiv. Zudem bestehe die Gefahr, dass sich bestehende Probleme wie ein Mangel an Disziplin und schwache Moral noch verschärften. Es gebe glaubwürdige Berichte über vereinzelte Meutereien. Schließlich werde die Modernisierung der Armee weiter erschwert, teilte das Ministerium weiter mit.

In der Ostukraine rücken die russischen Truppen nach ukrainischen Angaben auf das Stadtzentrum der strategisch wichtigen Stadt Sjewjerodonezk vor. "Die Russen rücken in die Mitte von Sjewjerodonezk vor. Die Kämpfe dauern an, die Situation ist sehr schwierig", erklärte der Gouverneur der Region Luhansk, Serhij Gaidai, bei Telegram. Die Gas- und Wasserversorgung sei unterbrochen. Die Nachbarstadt Lyssytschansk sei weiter unter ukrainischer Kontrolle, so Gaidai. Dort liefen Evakuierungen. Gaidai beklagte, dass Deutschland und Ungarn bei Waffenlieferungen bremsen würden. Sjewjerodonezk und Lyssytschansk sind die beiden letzten von ukrainischen Soldaten gehaltenen Städte in der Region Luhansk.

Die französische Außenministerin Catherine Colonna will im Tagesverlauf bei einem Besuch in Kiew mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zusammentreffen. Dabei werde sie der Ukraine die Solidarität Frankreichs versichern und weitere Hilfe anbieten, kündigte ihr Ministerium an. Zuletzt war verstärkt Kritik laut geworden, dass Frankreich nicht genug tue, um die Ukraine in ihrem Kampf gegen die russische Invasion zu unterstützen.

Die russischen Streitkräfte bereiten nach ukrainischen Angaben einen groß angelegten Angriff auf den Raum Slowjansk im Donbass, vor. Slowjansk ist das Zentrum der ukrainischen Verteidigungskräfte. Die russischen Truppen verlegten neue Einheiten in das Gebiet, um Slowjansk sowohl von Isjum als auch von der kürzlich eroberten Kleinstadt Lyman aus anzugreifen, heißt es im Lagebericht des ukrainischen Generalstabs.

Der Raum Slowjansk - Kramatorsk ist der größte Ballungsraum im Donbass, der noch unter Kontrolle Kiews steht. Hier ist auch das Oberkommando der Streitkräfte im Osten des Landes stationiert. "Im Raum Slowjansk haben die feindlichen Einheiten eine Umgruppierung ihrer Streitkräfte vorgenommen, um die Offensive in Stoßrichtung Isjum - Barwenkowe und Isjum - Slowjansk zu erneuern", teilte der Generalstab mit. Zur Vorbereitung seien 250 Militärfahrzeuge in den Raum Isjum verlegt und darüber hinaus eine Eisenbahnbrücke im Gebiet repariert worden, um den Nachschub zu beschleunigen. Darüber hinaus sei auch eine Staffel von Ka-52-Kampfhubschraubern nördlich von Isjum stationiert worden. Die Ka-52 gelten als die modernsten schweren Kampfhubschrauber Russlands.

Die ukrainischen Streitkräfte sind in der südlichen Region Cherson zum Gegenangriff übergegangen. Der ukrainische Generalstab teilte in der Nacht mit, in der Nähe der drei Dörfer Andrijiwka, Losowe und Bilohirka sei die russische Armee zurückgedrängt worden. "Cherson, bleib standhaft, wir sind nah", erklärte der Generalstab auf Facebook. Die russischen Truppen errichten demnach rund um Cherson Verteidigungslinien.  Von russischer Seite gab es dazu zunächst keine Angaben. Der Großraum Cherson ist die einzige Region der Ukraine, die seit Kriegsbeginn von russischen Truppen kontrolliert wird.

Die in Cherson neu ernannten pro-russischen Behördenvertreter hatten bereits den Wunsch geäußert, dass die Region an Russland angeschlossen wird. Russlands Staatschef Wladimir Putin unterzeichnete am Mittwoch einen Erlass, um die Bewohner der Region in einem vereinfachten Verfahren mit russischen Pässen auszustatten. Sollte Cherson von der ukrainischen Armee zurückerobert werden, wäre dies von starker Symbolik, da die Region gleich zu Beginn der am 24. Februar gestarteten Offensive von der russischen Armee eingenommen worden war. Die Lage der südukrainischen Stadt an der Mündung des Dnjepr und in unmittelbarer Nähe zur von Russland annektierten Halbinsel Krim ist von strategischer Bedeutung.

Das ukrainische Militär hat nach eigenen Angaben in der Nacht seine Offensive im Süden des Landes fortgesetzt. "Die Lage im Süden ist dynamisch und gespannt", teilte das Oberkommando des ukrainischen Wehrkreises Süd auf seiner Facebook-Seite mit. Russland ziehe Reserven zusammen und versuche, die Frontlinien im Gebiet Cherson zu befestigen. "Gleichzeitig setzen unsere Einheiten ihre Offensivaktivitäten fort, um den Feind zu binden und eine Umgruppierung der Reserven zu verhindern."

Eigenen Angaben nach hat das ukrainische Militär bei den Kämpfen 67 russische Soldaten getötet und 27 Militärfahrzeuge außer Gefecht gesetzt. Darunter auch sechs - allerdings stark veraltete Panzer - vom Typ T-62. Unabhängig lassen sich diese Angaben nicht überprüfen. Kiew hatte die Angriffe im Süden des Landes am Wochenende auch als Gegenoffensive zum russischen Vormarsch im Donbass gestartet. Die Militärexperten des US-Kriegsforschungsinstituts Institute for the Study of War (ISW) bewerteten die Angriffe als "erfolgreiche begrenzte Gegenattacke". Diese habe die Russen in der Region dazu gezwungen, zur Verteidigung überzugehen und störe den Versuch Moskaus, die Kontrolle über die Schwarzmeerregion Cherson zu etablieren.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck ist nach eigener Aussage der Meinung, dass Waffenlieferungen an die Ukraine für deren Freiheitskampf gegen die russischen Angreifer wichtig sind. "Ohne die Waffen der Alliierten im Weltkrieg hätte es ein Europa unter Nazi-Herrschaft gegeben", sagte Gauck im Interview der "Bild". Die Ukraine müsse sagen dürfen, was sie brauche, um Russland entgegenzutreten. "Wenn uns die Menschen dann sagen: Wir möchten für unsere Freiheit kämpfen, wir riskieren sogar unser Leben, dann steht es uns nicht zu, vom sicheren Ort aus ihnen zu erklären, was das Richtige ist", so der Ex-Präsident. "Das wäre gefühlskalt und in einem hohen Maße arrogant." Dennoch müsse die Politik auch weiter mit Russlands Präsident Wladimir Putin im Gespräch bleiben, so Gauck. "Verantwortliche Politik muss auch mit Diktatoren reden. Wir dürfen niemals auf Diplomatie verzichten." Wichtig sei allerdings, aus einer Position der Stärke heraus zu verhandeln. Das habe sich auch "im Kalten Krieg als richtig erwiesen."

Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat Gerüchte über eine Erkrankung von Kreml-Chef Wladimir Putin dementiert. "Ich glaube nicht, dass vernünftige Menschen in dieser Person Anzeichen für irgendeine Art von Krankheit oder Gebrechen sehen können", sagte Lawrow am Sonntag auf eine entsprechende Frage des französischen Fernsehsenders TF1. Putin, der im Oktober 70 Jahre alt wird, trete "jeden Tag" in der Öffentlichkeit auf. "Man kann ihn auf Bildschirmen sehen, seine Reden lesen und anhören", sagte Lawrow laut einer vom russischen Außenministerium veröffentlichten Stellungnahme. Putins Gesundheit und sein Privatleben sind in Russland ein Tabuthema und werden fast nie in der Öffentlichkeit diskutiert.  Putin, der seit mehr als zwei Jahrzehnten die Geschicke Russlands bestimmt, hatte am 24. Februar einen Militäreinsatz in der Ukraine angeordnet. Tausende Menschen wurden seitdem getötet und Millionen Ukrainer in die Flucht getrieben. Der Westen verhängte beispiellose Sanktionen gegen Russland. 

Das Auswärtige Amt, das Bundesinnenministerium und die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) verständigen sich einem Zeitungsbericht zufolge auf Kriterien für die Aufnahme von besonders gefährdeten Kreml-Kritikern aus Russland. Den gefährdeten Personengruppen werde schneller und unbürokratischer mit einer Aufenthaltserlaubnis bei ihrer Flucht aus Russland geholfen, berichten die Zeitungen der "Funke Mediengruppe". Diese erhalten demnach nach einer Fallprüfung die Erlaubnis für einen längeren Aufenthalt in Deutschland und nicht wie früher etwa nur ein begrenztes Schengen-Visum für maximal 90 Tage. Zu den gefährdeten Personengruppen zählen laut Bericht von politischer Verfolgung bedrohte Menschenrechtsverteidiger, Oppositionelle, Mitarbeitende von Menschenrechtsorganisationen und Wissenschaftler, aber auch konkret gefährdete Journalisten.

Seit Beginn des russischen Einmarschs in der Ukraine sind einem Zeitungsbericht zufolge aus Vermögen russischer Oligarchen auf deutschen Konten inzwischen fast 143 Millionen Euro eingefroren. Stand 23. Mai seien insgesamt 142.990.409,35 Euro von russischen Unternehmen und Institutionen nach EU-Recht beschlagnahmt, berichtet die Zeitung "Bild" unter Berufung auf Angaben des Bundesfinanzministeriums. Demnach lag der Wert konfiszierter Vermögen Ende Februar kurz nach Beginn des Krieges bei 342.000 Euro. Bis 21. März meldeten deutsche Geldinstitute der Bundesbank rund 95 Oligarchen-Millionen als eingefroren.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 30. Mai 2022 um 09:00 Uhr.