Internationaler Strafgerichtshof Antrag auf Haftbefehle stellt EU vor Zerreißprobe
Der Antrag des Chefanklägers des Internationalen Strafgerichtshofs auf Haftbefehle gegen die Führung Israels und der Hamas offenbart tiefe Gräben in der EU. Die Mitgliedsstaaten reagieren höchst unterschiedlich.
Treffen der Europaministerinnen- und minister in Brüssel: Eigentlich geht es darum, den nächsten Gipfel Ende Juni vorzubereiten, doch die aktuelle Nachrichtenlage verlangt aktuelle Antworten. Ob sie denn den israelischen Regierungschef Netanyahu verhaften würde, wenn er in Zukunft Österreich besucht, wurde die zuständige Europaministerin Karoline Edtstadler gefragt. "Dafür ist es noch zu früh, das Gericht hat ja seine Entscheidung noch nicht getroffen", sagte sie.
Alles noch zu früh, noch ist nichts entschieden, Zeit gewinnen - offiziell versucht man in Brüssel am Tag nach der Entscheidung des Chefanklägers Ruhe und Routine zu verbreiten. Selbst der Außenbeauftragte der Union, Josep Borrell, der als äußerst israelkritisch gilt, bemühte sich um ein sachliches Statement: "Wir haben die Entscheidung des Chefanklägers zur Kenntnis genommen", schreibt er auf X.
Regierungschef und Topterrorist juristisch in einem Topf
Ähnlich äußert sich der Sprecher der EU-Kommission: "Das ICC ist ein wichtiges und unabhängiges Gericht dessen Aufgabe es ist, die schwersten internationalen Verbrechen zu verfolgen." Das ist zwar keine Kritik an der Tatsache, dass der israelische Regierungschef und ein gesuchter Topterrorist juristisch in einen Topf geworfen werden. Man kann es aber auch so verstehen, dass auch Israels Regierungschef schwere internationale Verbrechen begangen haben könnte, die zumindest untersucht gehören.
Der aufsehenerregende Antrag auf einen Haftbefehl hat jedenfalls den außenpolitischen Riss in der europäischen Gemeinschaft wieder sichtbar gemacht. Beim Thema Nahost gibt es keine gemeinsame Strategie der EU. Ungarn zum Beispiel ist auch nicht Mitglied des Strafgerichtshofes. Viktor Orban steht fest an der Seite Israels und hat den Antrag als absurd und beschämend bezeichnet.
Deutschland und Frankreich sind uneins
Auch Deutschland hat die Entscheidung des Staatsanwaltes kritisiert. Anders dagegen Frankreich, das die Anträge des Chefanklägers akzeptiert hat. Ebenso wie die spanische und irische Regierung. Jennifer Carroll MacNeill, die irische Europaministerin erklärte in Brüssel: "Was aus der irischen Perspektive wichtig ist, dass wir die Unabhängigkeit des Gerichtes unterstützen und das Gericht seine Arbeit tun lassen, die es ab jetzt erledigen muss."
Und doch ist auch Irland alles andere als neutral. Es hat mit Spanien einen Brief auf den Weg gebracht, in dem das Assoziierungsabkommen zwischen Israel und der EU überprüft werden soll. Darin ist festgeschrieben, dass man zum Beispiel bei Forschungsprojekten enger zusammenarbeiten will, auch ein regelmäßiger politischer Austausch soll stattfinden. Doch eine solche Normalität herrscht zwischen der EU und Israel ohnehin schon lange nicht mehr.