Menschen versammeln sich zur Feier des Sturzes der syrischen Regierung in einer Glaubensmoschee in Istanbul.

Machtwechsel in Syrien Was Assads Sturz für die Türkei und den Iran bedeutet

Stand: 08.12.2024 18:23 Uhr

Der Sturz Assads betrifft auch die Türkei. Sie hat über die Jahre verschiedene Kräfte in Syrien unterstützt oder toleriert - und muss nun umdenken. Das gilt auch für den Iran. Wie wird der Machtwechsel in beiden Ländern aufgenommen?

Von Alfred Schmit, ARD-Studio Istanbul

Es ist gut möglich, dass die Türkei aus der neuen Lage in Syrien einen politischen Gewinn ziehen kann. Denn falls tatsächlich viele syrische Geflüchtete zurückkehren und die Türkei in Richtung Syrien verlassen, würde das enormen Druck von der türkischen Regierung in Ankara nehmen. Seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs hat die Türkei etwa drei Millionen Geflüchtete aufgenommen. Die Akzeptanz in der Bevölkerung dafür war zuletzt deutlich gesunken.

Verständlich also, dass ein türkischer Reporter beim spontanen Jubel Hunderter Syrer in der Istanbuler Fatih-Moschee zuerst die Frage stellt: "Sind Sie glücklich?" Und gleich darauf: "Erwägen Sie, wieder nach Syrien zurückzukehren?" Eine Antwort: "Wir sind sehr glücklich und spätestens in fünf Tagen hoffentlich will ich zurück nach Syrien gehen."

Wunsch, dass Geflüchtete zurückgehen

Die Fatih-Moschee in Istanbul war einer von vielen Orten, an denen sich spontane Freuden-Demos gebildet haben. Leute schwenkten syrische Flaggen, Jubel und Gesänge tönten über die Straßen, besonders im Südosten der Türkei, etwa in Gaziantep, wohin Hunderttausende Menschen aus Syrien geflohen sind. 

Nicht überall gab es auf solche Demonstrationen auch von der türkischen Bevölkerung freudige Reaktionen. Manche Kommentare, auch in sozialen Medien, lasen sich zwar wie Glückwünsche, aber auch wie der Wunsch, dass die Geflüchteten doch nun bald wieder gehen sollten. Wer in der Türkei zumindest eine Unterkunft und medizinische Versorgung hat, wird vielleicht nicht sofort in zerstörte Ortschaften zurückkehren wollen.

Ankara - diplomatisch, aber bestimmt

Die offizielle Linie der Regierung in Ankara klingt diplomatisch, aber bestimmt: Der türkische Außenminister Hakan Fidan verweist auf die jüngste Initiative für Friedensgespräche. Diese sei vom türkischen Präsidenten Erdogan ausgegangen. Man habe dem Regime in Damaskus Zeit verschafft, die andauernden Konflikte in Syrien zu unterbrechen und sich mit seinem Volk zu versöhnen, aber vergeblich.

"Diese Zeit für eine Versöhnung verstrich ungenutzt, und die ausgestreckte Hand von Präsident Erdogan wurde nicht angenommen", so der türkische Außenminister. Nun könne das syrische Volk die Zukunft des Landes selbst neugestalten. Terroristische Organisationen wie die kurdische PKK oder DAESH, also der Islamische Staat, dürften in diesem Prozess nichts gewinnen.

Wenig Reaktionen aus dem Iran

Aus dem Iran gibt es lediglich sparsame Reaktionen. Das Außenministerium ließ verlauten, man wolle alles tun, um auf Sicherheit und Stabilität in Syrien hin zu wirken. Dazu werde man mit allen Seiten im Gespräch bleiben - insbesondere mit denjenigen Kräften, die im Land selbst Einfluss ausüben.

Außerdem meldeten sich einzelne Personen in sozialen Medien zu Wort: Ein Parlamentsmitglied aus der Kommission für Sicherheit und Außenpolitik schreibt: Assad sei nicht von einer genuinen syrischen Opposition zu Fall gebracht worden. Sondern es sei eine multinationale Armee unter Einfluss der Geheimdienste aus den USA, Großbritannien und der Türkei gewesen. Der frühere Außen-Ausschussvorsitzende im iranischen Parlament schrieb, Iran habe Grund zur Freude. Die neue Lage spare dem Staat viel Geld.

Finden einer neuen Position

Das iranische Regime hat stets uneingeschränkt auf der Seite des syrischen Machthabers Assad gestanden. Nun, da dieses Regime gestürzt ist, muss die iranische Führung erst wieder eine neue Position zur aktuellen Lage finden. 

Iranische Diplomaten in Damaskus fanden ihre eigene Art, mit dem Machtwechsel umzugehen: Stunden bevor ihr Botschaftsgebäude unter Feuer geriet, hatten sie das Gelände verlassen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell am 08. Dezember 2024 um 18:07 Uhr.