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Russischer Angriff auf Poltawa "Alle Krankenhäuser sind voller Verwundeter"

Stand: 03.09.2024 20:50 Uhr

Es war der wohl schwerste einzelne russische Angriff auf die Ukraine in diesem Jahr: Mindestens 50 Menschen starben in Poltawa - mehr als 270 wurden verletzt. Augenzeugen zufolge hatten sie kaum Zeit, sich oder andere zu retten. Von A. Beer.

Von Andrea Beer, ARD Kiew

Ambulanzwagen jagen mit heulendem Blaulicht zum Einschlagsort in Poltawa. Auch Feuerwehr und der ukrainische Katastrophendienst sind nach dem russischen Raketenangriff vor Ort. Sie bergen unter den Trümmern verschüttete Menschen, leisten erste Hilfe und sorgen für den Transport von Verletzten in ein Krankenhaus.

Bei dem russischen Angriff mit zwei ballistischen Raketen sind mindestens 50 Menschen getötet und mehr als 270 verletzt worden. Das erklärte die Frau von Präsident Selenskjy, Olena Selenska, auf der Plattform X. Mindestens 25 Menschen konnten bisher gerettet werden, elf von ihnen aus den Trümmern.

Birgit Virnich, ARD Kiew, zur Bitte von Ukraines Präsident Selenskyj über mehr Lieferungen von Flugabwehrsystemen

tagesthemen, 03.09.2024 22:15 Uhr

Serhji Kaplin ist Abgeordneter des Stadtrats von Poltawa. Er ist fassungslos: "Absolut alle Krankenhäuser sind voller Verwundeter, alle Operationstische sind besetzt", sagt er. "Eine ganze Ärzte-Armee arbeitet unermüdlich daran, jedes Leben zu retten, wofür ich ihnen danken möchte."

Ausgebrannte Gebäude

Die russischen Raketenangriffe hätten auch eine militärische Ausbildungseinrichtung getroffen, schreiben ukrainische Medien wie Suspilne. Präsident Selenskyj hatte vom Institut für Kommunikation gesprochen. Bilder der Nachrichtenagentur AFP von vor Ort zeigen teils zerstörte, schwarz ausgebrannte mehrstöckige große Gebäude.

Das Militärische Institut für Kommunikation in Poltawa veröffentlichte nach dem russischen Angriff auf seiner Facebook-Seite ein Foto mit einer Kerze mit schwarzem Hintergrund. In Kommentaren wird kondoliert. Das Verteidigungsministerium erklärte auf Telegram, Poltawa erlebe einen schrecklichen Tag da die russischen Angreifer einen barbarischen Angriff auf eine Bildungseinrichtung der Stadt verübt hätten.

Kaum Zeit, sich oder andere zu retten

Augenzeugen berichten, zwischen Luftalarm und Raketeneinschlägen sei weniger als eine Minute Zeit gewesen. Laut Verteidigungsministerium wurden Menschen auf dem Weg in den Schutzraum getroffen. Wegen der kurzen Zeit sei es sehr schwierig gewesen, zu reagieren und zum Schutzraum zu gelangen, so auch der Abgeordnete des Stadtrats Serhij Kaplin.

Zudem habe es im Laufe einer Stunde mehrmals Luftalarm gegeben. So hätte die russische Seite auf zynische Weise verhindert, dass Menschen gerettet werden konnten, da die Retter ihre Aktionen deswegen hätten unterbrechen müssen.

Der starke Druck der Raketen-Einschläge beschädigte umliegende Wohnhäuser. Die Polizei nahm nach eigenen Angaben bereits viele Angaben von Betroffenen zu Schäden auf. Häuserfassaden sowie Fenster oder Türen gingen massenhaft zu Bruch.

Selenskyj appelliert an westliche Partner

Nach dem russischen Raketenangriff auf Poltawa appellierte Präsident Selenskyj erneut an westliche Partner: Luftverteidigungssysteme und Raketen würden in der Ukraine gebraucht und nicht in einem Lagerhaus. Zudem forderte er die Freigabe westlicher Langstreckenwaffen für Angriffe auf russisches Gebiet. "Jede Verzögerung bedeutet leider der Tod von Menschen", sagte er.

Die regionale Militärverwaltung von Poltawa hat ab Mittwoch eine dreitätige Trauerzeit angekündigt

Andrea Beer, ARD Kiew, tagesschau, 03.09.2024 17:47 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete am 03. September 2024 Inforadio um 15:00 Uhr und die tagesschau um 17:00 Uhr.