Das Wahlergebnis von Labour wird in London auf einer Anzeigetafel gezeigt.

BBC-Prognose Labour gewinnt Unterhauswahl in Großbritannien

Stand: 05.07.2024 00:42 Uhr

Es ist eine herbe Niederlage für die konservativen Tories von Premier Sunak: Mit 410 von 650 Sitzen liegt die Labour-Partei laut einer ersten BBC-Prognose deutlich vor der Regierungspartei. Diese verlor 241 Sitze und landet bei 131.

Die oppositionelle Labour-Partei von Keir Starmer hat die Unterhauswahl in Großbritannien und Nordirland einer Nachwahlbefragung der BBC zufolge klar gewonnen. Der 61-Jährige dürfte damit der Nachfolger von Premierminister Rishi Sunak werden, dessen konservative Tories eine schwere Niederlage erlitten.

Labour liegt den Angaben zufolge mit 410 Sitzen deutlich vor der Regierungspartei. Die Tories kommen demnach auf 131 Sitze - 241 weniger als bei der vorigen Wahl. Bis zur Auszählung aller Stimmen dürfte es noch Stunden dauern. Doch am Kernergebnis der Wahl gibt es keinen Zweifel: Die 14 Jahre währende Dominanz der konservativen Tories ist zu Ende. 

Annette Dittert, ARD London, zum Erdrutschsieg der Labour-Partei

tagesschau, 05.07.2024 00:35 Uhr

Mehrere Kabinettsmitglieder könnten Mandate verlieren

Labours Vize-Parteichefin Angela Rayner reagierte mit vornehmer Zurückhaltung auf die Prognose. Es sei ein "ermutigendes Ergebnis", sagte sie dem Nachrichtensender Sky News kurz nach Schließung der Wahllokale.

Erwartet wird, dass auch mehrere amtierende Kabinettsmitglieder ihre Parlamentssitze verlieren, unter anderem mit Jeremy Hunt erstmals in der britischen Geschichte der Finanzminister. Die frühere Chefin der Konservativen in Schottland, Ruth Davidson, sprach von einem "Massaker". Sky-News-Reporterin Beth Rigby bezeichnete das prognostizierte Ergebnis als "Erdrutsch".

Liberaldemokraten und Rechtspopulisten legen zu

Mandate verloren haben die Konservativen wohl nicht nur an Labour. Auch die Liberaldemokraten scheinen erhebliche Zugewinne auf Kosten der Tories verbuchen zu können. Sie kommen laut Prognose auf 61 Sitze - bisher waren es nur 11. Seine Partei sei auf Kurs zu ihrem besten Ergebnis in einem Jahrhundert, sagte Libdem-Chef Ed Davey. 

Ebenfalls nach einer verheerenden Niederlage sieht es für die schottische Unabhängigkeitspartei SNP aus. Sie kann der Prognose zufolge nur zehn Mandate erringen. Bei der vergangenen Wahl waren es noch 48 Sitze gewesen. Es sei "kein guter Abend" für die SNP, sagte die frühere schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon der britischen Nachrichtenagentur PA zufolge.

Jubel dürfte es hingegen bei der rechtspopulistischen Partei Reform UK von Brexit-Vorkämpfer Nigel Farage geben. Sie kommt laut Nachwahlbefragung aus dem Stand auf 13 Mandate. Farage hatte mit seiner überraschenden Kandidatur mutmaßlich erheblich zum schlechten Ergebnis für die Konservativen beigetragen, weil er Wähler am rechten Rand abspenstig machte.

Sunak konnte im Wahlkampf kaum aufholen

Überraschend ist das prognostizierte Ergebnis nicht: Umfragen sagen seit Langem einen deutlichen Sieg der Sozialdemokraten voraus. Im Wahlkampf konnte Sunak, dessen Partei mit Pannen und einem Skandal um illegale Wetten zum Wahltermin zu kämpfen hatte, kaum aufholen.

Verantwortlich für den klaren Ausgang der Wahl ist nach Ansicht des renommierten Meinungsforschers John Curtice von der Universität Strathclyde in Glasgow jedoch nicht in erster Linie Begeisterung für Labour, sondern Verdruss über die bisherige Regierungspartei. Sunak war bereits der dritte Regierungschef seiner Partei in der vergangenen Legislaturperiode, die von wirtschaftlicher Stagnation und stark steigenden Lebenshaltungskosten geprägt war.

Auftrag zur Regierungsbildung schon am Freitag?

Labour-Chef Starmer hatte die Arbeiterpartei in den vergangenen Jahren wieder in die politische Mitte geführt, nachdem sie unter seinem Vorgänger Jeremy Corbyn weit nach links gerückt war. Zudem ging er entschieden gegen antisemitische Tendenzen in den eigenen Reihen vor.

Gleichzeitig blieb der bisherige Oppositionschef in vielen Bereichen eher vage, etwa zu den Plänen für eine mögliche Annäherung mit der Europäischen Union. Kommentatoren verglichen seine behutsame Art mit dem Tragen einer Porzellanvase aus der chinesischen Ming-Dynastie.

Der Regierungswechsel wird in Großbritannien rasch vollzogen. Sobald das amtliche Endergebnis feststeht, kommt es zur Machtübergabe. Schon im Laufe des Freitags dürfte Starmer von König Charles III. mit der Regierungsbildung beauftragt werden und anschließend bei einer Rede in der Downing Street seine Vision für Großbritannien darlegen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtet die tagesschau am 05. Juli 2024 um 00:38 Uhr.